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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

gewölbt (den Graten) sich aber selbst stützte, ein freieres Gestalten zu. Durch Ausführung der Längen- und Quergurte, sowie der Rippen (an den Graten) aus sehr festem Stoffe (Hausteinen) wurde es möglich, die Gewölbe-Kappen der Wölbung leichter zu bauen, die Stützen zu entlasten und an Stelle der zuerst nötigen dicken, plumpen Pfeiler und Säulen solche von leichteren und zierlicheren Formen zu geben.

Die Fenster. Die Fenster der älteren Bauten sind im Allgemeinen meist klein und deshalb, um genügend Licht einzulassen, in größerer Zahl vorhanden. Ihre Anlage geschah in zwei Reihen: einer unteren in der Wand des Seitenschiffes, und einer oberen, welche die Obermauer des Mittelschiffes durchbrach. Die Form des Fensters ist die eines länglichen, oben mit einem Halbkreis abschließenden Rechtecks. Nach außen und innen schrägt sich die Leibung stark ab, um dem Licht leichteren Durchgang zu verschaffen.

An der Schauseite über dem Hauptthore wurde oft ein kreisrundes Fenster in der Form eines Wagenrades (daher Rad- oder Katharinen-Fenster genannt) angebracht.

Das Innere. Das Innere stellt sich also etwa so dar: Das Mittelschiff, welches durch die Arkaden von den Seitenschiffen getrennt wird, leitet den Blick auf das Allerheiligste in der Mitte des Chores. Das Hauptlicht fällt durch die Fensterreihe der Oberwand über den Arkaden (den "Lichtgaden") ein und wird im Chore durch die frei ins Innere führenden Unterfenster verstärkt, so daß hier die größte Lichtfülle herrscht und der Blick deshalb auch auf die Chornische und das Allerheiligste gezogen wird. Das Licht der Unterfenster des Langhauses wird hauptsächlich von den Seitenschiffen beansprucht.

Die Strenge der einfachen Formen wird durch reichen Schmuck der Kapitäle, durch Friese und Gesimse, welche sich an den Wänden entlangziehen, und durch gefällige Gliederung der Pfeiler und der Gewölbegurten gemildert.

Der Chor. Den Abschluß nach hinten bildet die runde Chornische. Der Chor ist meistens über den Boden der übrigen Kirche um einige Stufen erhoben und wird in größeren Kirchen mitunter durch eine bühnenartige Scheidewand mit schmalen Durchgängen vom Schiffe getrennt. Das ist der Lettner, von welchem herab Evangelium und Epistel verlesen wurden.

Die Krypta. Die Erhöhung des Chores hat ihre Ursache in der unter ihm eingebauten Krypta, einem gewölbtem Raume, in welchem die Gebeine des oder der Heiligen beigesetzt wurden, denen die Kirche geweiht war. Die Krypta, welche sich zuweilen bis unter das Querschiff erstreckte, nimmt noch deshalb unser Interesse in Anspruch, weil in ihr die Wölbung der Decke zuerst zur Anwendung kam.

Das Aeußere. Der Aufbau des Inneren kommt auch beim Aeußeren zum Ausdruck, nur werden die wagerechten Linien stärker betont. Dadurch, daß das Mittelschiff über die Seitenschiffe emporragt, die Querschiffe an den Stirnseiten Giebel enthalten, auch die halbrunde Chornische meist noch neben den Fenstern eine Reihe Blendfenster besitzt, ergiebt sich eine ausgesprochene Gliederung in Stockwerke. Um den ganzen Bau läuft in der Regel noch ein Fußgesimse (Sockel).

Die Lisenen. Die senkrechte Gliederung geschieht durch schmale, wenig erhabene Mauerstreifen, die Lisenen, welche auch die Gebäudekanten einfassend vom Sockel aufsteigen und zwischen denen unter dem Dachgesimse ein Rundbogenfries sich hinzieht.

Den einfachsten Eindruck macht das Langhaus, dessen Mauern meist nur durch die Fenster und die Lisenen belebt werden. Die letzteren entsprechen bei gewölbten Basiliken den Gewölbestützen des Innern. Bei reicheren Bauten treten dann noch Reihen von Blendbogen hinzu, welche sich arkadenartig an den Wänden entlang ziehen. Auch die Seitenwände des Querschiffes weisen keinen reicheren Schmuck auf, während dessen Giebelseiten, welche die Nebeneingänge enthalten, durch gekuppelte Fenster hervorgehoben werden.

Die Chorseite ist entsprechend ihrer Wichtigkeit am reichsten bedacht. Zuweilen wird ihre Wand von zwei, dicht übereinander liegenden Reihen Fenster durchbrochen, zu welchem sich bei großen Bauten noch oben ein offener Bogen-Gang gesellt.