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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

an diesen gemeinsamen Unternehmungen brachte die Völker in nähere Beziehungen, und man lernte von einander. Vor allem aber wurde auch der Orient weiteren Kreisen Europas bekannt, und dies blieb nicht ohne Rückwirkung. Byzantinische und islamitische Kunstformen wurden zwar nur in geringem Maße übernommen, aber der Eindruck, den der morgenländische Prunk auf die Kreuzfahrer machte, verstärkte nur die ohnehin vorhandene Neigung zum Schmuckhaften und befruchtete die Erfindungsgabe. Die Hauptsache blieb aber immer die starke schöpferische Kraft des jugendlichen Volksgeistes, in dem eine lebhafte Einbildungskraft noch das Verstandesmäßige überwog, und das dem germanischen Volkstume eigene ursprüngliche Gefühl für Maß und Einklang, welche die Grundlage der Schönheit sind.

Die Orden. An dieser Stelle mag noch eines besonderen Umstandes gedacht werden, welcher nicht nur in diesem Zeitraum, sondern auch im folgenden für die Kunstentwicklung bedeutsam war, insofern ja die Kunst hauptsächlich im Dienste der Religion oder Kirche schuf, das ist der Einfluß der Orden. Diese Körperschaften, von denen jede im einheitlichen Geiste eine besondere Richtung vertrat, verbreiteten sich über die verschiedenen christlichen Länder und brachten daher gewisse Anschauungen in weiten Gebieten zur Geltung. Die Orden waren auch vielfach der Weltgeistlichkeit überlegen in doppelter Hinsicht: erstens besaßen sie reiche Mittel, da man den Klöstern mit Vorliebe große Schenkungen zuwandte, und zweitens gehörten ihnen die hervorragend begabten Geister an. Die Weltgeistlichkeit mußte sich dem seelsorglichen Beruf hingeben, in den Klöstern aber konnte man sich auch der Wissenschaft und Kunst widmen. Namentlich im romanischen Zeitalter, in welchem auch die ausübenden Künstler vorwiegend Geistliche waren, mußte der Einfluß der Orden maßgebend sein. Die Ordenskirchen spielen daher sowohl in baulicher Hinsicht, wie mit ihrem malerischen und bildnerischen Schmuck eine Hauptrolle.

Das Mönchswesen. Benediktiner. Das Mönchswesen der altchristlichen Zeit, wie es namentlich im Morgenlande sich entwickelte, beruhte auf der völligen Abkehr von allem Weltlichen, auf der "Abtötung des Fleisches", und konnte daher keinen Einfluß auf die Kulturverhältnisse üben. Für die geistige Bildung bedeutsam wurde das Mönchtum erst, als der heilige Benedikt von Nursia (480-543) das Kloster Monte Cassino (529) und damit den Benediktinerorden begründete, der sich auch der Wissenschaft und dem Unterricht widmete. Der Orden verbreitete sich rasch über das ganze christliche Abendland und blieb lange Zeit der alleinherrschende. Der große Reichtum, den er erwarb, brachte einen Verfall der Zucht mit sich, und dies veranlaßte Bestrebungen zur Neubildung des Ordenswesens.

Cluniacenser. Das Kloster Clugny in Frankreich, in welchem Abt Berno (+ 621) die strenge Regel des heiligen Benedikt wieder einführte, wurde der Ausgangspunkt für die Erneuerung; es entstand der Orden der Cluniacenser, der nun die führende Rolle übernahm und im 12. Jahrhundert über 2000 Klöster umfaßte. Da der Orden eine der mächtigsten Stützen

^[Abb.: Fig. 253. Der Dom von Cefalù.]