Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

287

Germanische Kunst.

herumgelegt wurde. Diese erhielten wieder Vielecksform und bildeten so gleichsam eine mehrfache Wiederholung des Chores.

In Deutschland war noch eine Art der Choranlage üblich, welche zu einer Chorgruppe führte, indem auch den Armen des Seitenschiffes ähnlich gebildete, jedoch kleinere Abschlüsse (Nebenchöre) gegeben wurden.

Abweichungen der verschiedensten Art kamen natürlich in allen Ländern vor, können aber hier, wo es sich um eine Schilderung des allgemeinen Bildes handelt, nicht berücksichtigt werden.

Besonderheiten des gotischen Stiles. Die Eigenart des gotischen Stiles liegt nun nicht in diesen Aenderungen, sondern in dem Zurückdrängen des Mauerwerkes als Stütze und in der Uebertragung der Aufgaben desselben auf ein Gerippe von Stützen und Bogen, in welchem das Wesen des neuen Stiles, das Emporstreben, mit aller Entschiedenheit ausgedrückt wurde.

Der Spitzbogen weist nach oben, entgegengesetzt dem Rundbogen, welcher als eine steigende und fallende Linie anzusehen ist. Dieses Emporweisen wird durch die Bildung der Stützen verstärkt, welche als eine Fortsetzung der Bogen nach unten, oder als deren Beginn anzusehen sind. Um dieses deutlicher zu machen, stelle man sich ein paar biegsame Ruten vor, deren untere Enden in der Erde stecken, während die oberen so gegeneinander geneigt sind, daß sie sich berühren. Jedem der Bogen und Gurten des Gewölbes würde solch eine Rute entsprechen und da nun von einem Punkte mehrere Bogen ihren Ausgangspunkt haben, muß sich hier ein Bündel bilden, welches einen in ihrer Mitte errichteten runden Pfeiler regelmäßig umkleiden würde.

Die Pfeiler. In der ausgebildeten Gotik gleichen die Pfeiler ganz diesem Bilde, doch gelangte man erst nach einigen Zwischenstufen dazu. Anfänglich ruhten die Bogen auf

^[Abb.: Fig. 284. Hotel Cluny zu Paris.]