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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

Herren auf. Die besondere Stellung Norddeutschlands wurde bereits besprochen.

Daß der gotische Stil in Deutschland zu seiner vollsten Blüte gelangte, ist wohl zu erklären. Drei Eigenschaften kennzeichnen den germanischen Kunstgeist: die stete Bereitwilligkeit, jeden neuen Gedanken aufzunehmen und in seinem Sinne zu verarbeiten, sodann die Folgerichtigkeit und Gründlichkeit, mit der dies erfolgt. Aus den von der antik-altchristlichen Richtung übernommenen Grundzügen hatte er den romanischen Stil ausgebildet, in gleicher Weise geschah dies mit den Baufügungsgedanken der Gotik. Eigentlich waren ja diese ziemlich einfach, in letzter Linie betrafen sie die günstigere Verteilung des Druckes lastender Teile und die Gewinnung höherer Innenräume.

(Im gewissen Sinne kann man den Spitzbogen als ein Gegenstück zu der Giebelfügung betrachten. Bei dieser wird die Ueberspannung eines Zwischenraumes anstatt durch einen geraden Balken durch zwei schief gestellte und gegen einander gestemmte vollzogen, dadurch die Wirkung der eigenen Schwere vermindert, die tragende Kraft durch die stützende erhöht, der Druck der Deckenlast besser auf die Stützpunkte geleitet. Durch das Gegeneinanderstemmen zweier Bogenstücke erzielte man die gleiche Wirkung.)

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Baumeister. Die Thatsache, daß in diesem Zeitraum die persönliche Eigenart der Meister maßgebend hervortritt, rechtfertigt es wohl, wenn ich wenigstens einiger der bedeutendsten noch in Kürze gedenke. Die Nachrichten sind allerdings sehr spärlich, so daß wir von den meisten wenig mehr als die Zeit ihrer Thätigkeit wissen.

Mit der Geschichte des Straßburger Münsters verknüpft sich der Name Erwin von Steinbach, der 1277 den Bau der Schauseite und der Türme begann und bis zu seinem Tode (1318) die Bauleitung behielt. Sein Sohn Johannes setzte den Bau fort (bis 1339), den hundert Jahre später Hans Hültz aus Köln beendete.

Als erster Baumeister am Kölner Dom wird Gerhard von Rile genannt, dessen Thätigkeit in die Zeit von 1254-1295 fällt. Von ihm rührt vielleicht der Gesamtplan dieses herrlichen Bauwerkes her, sicher der Plan zum Chor. Von seinen Nachfolgern sind zu nennen Meister Arnold (thätig 1295-1301), dessen Sohn Johannes (gest. 1330)

^[Abb.: Fig. 300. Hauptportal und Fensterrose des Münsters zu Straßburg.]