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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

allgemeine Vorstellungen erwecken und wenigstens im Rohen eine Zeitbestimmung für die Reihenfolge der Entwicklungsstufen geben.

Rückkehr zu den Quellen. "Renaissance" ist ebenso wenig eine vollkommen deutliche und zutreffende Bezeichnung, wie "gotisch", sondern nur ein handliches Schlagwort, für welches im Deutschen kein gleich kurzes besteht. Es bedeutet "Wiedergeburt" und damit soll die Auffassung ausgedrückt werden, daß "die Antike in Kunst und Schrifttum wieder zum Leben erweckt wurde". Damit ist aber nur die eine Seite der neuen Richtung gekennzeichnet, in Wahrheit besteht sie in der "Wiederaufnahme des Quellenstudiums", d. h. man kehrt zur Beobachtung und Betrachtung einerseits der wirklichen Natur, andererseits der ursprünglichen Werke der Antike zurück.

Kenntnisse des Mittelalters von der Antike. Eine unmittelbare Kenntnis von letzteren war thatsächlich in äußerst geringem Maße, man könnte beinahe sagen: gar nicht vorhanden gewesen; dies gilt sowohl von jenen der bildenden Künste wie vom Schrifttum. Erst im 14. Jahrhundert begann man die Schöpfungen der "klassischen" Bildhauerei zu suchen und zu finden; die wichtigsten Stücke unserer Sammlungen stammen meist aus den Ausgrabungen des 16. Jahrhunderts und der Folgezeit. Das griechische Schrifttum kannte man noch im 13. Jahrhundert fast nur aus den Uebersetzungen und Auszügen lateinischer Schriftsteller, da nur äußerst Wenige der griechischen Sprache mächtig waren. Bezeichnend ist ja, daß selbst die Philosophie des Aristoteles, auf welcher die Scholastik fußte, aus lateinischen und arabischen Quellen geschöpft wurde. Nicht viel besser stand es hinsichtlich des römischen Schrifttums der klassischen Zeit, auch von diesem wußten die meisten nur das, was spätere Schriftsteller in ihre Werke aufgenommen hatten.

Im frühen Mittelalter herrschte eben der "Autoritätsglaube", die Ansichten, welche eine Persönlichkeit von Ansehen und Ruf aufstellte, wurden ohne viel Prüfung aufgenommen. Damals wurde aber jeder, der etwas schrieb, zu einer solchen "Autorität". Da nun einer dem andern nachschrieb, meist jedoch nur dem nächststehenden, unmittelbaren Vorgänger folgte, ohne nach dessen Quellen zu forschen, so ergab sich jene Art Ueberlieferung, welche das zeitlich Zurückliegende, Ursprüngliche, in einer entstellten und verderbten Form weiter verbreitete, da sie durch die Auffassung und Mißverständnisse der

^[Abb.: Fig. 400. Brunellesco: Capella Pazzi.

Florenz. Kloster von St. Croce.]

^[Abb.: Fig. 401. Brunellesco: Palazzo Quaratesi

(früher Pazzi). Florenz]