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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

Maximilians Denkmal. (Fig. 492.) Einen lehrreichen Ueberblick über den Stand der deutschen Bildnereikunst - zugleich auch bezeichnend für die Wendung zur weltlichen Richtung - gewährt das prachtvolle Denkmal Kaiser Maximilians in der Hofkirche zu Innsbruck: ein riesiger Marmorsarg, mit Flachbildwerken aus Alabaster und ehernen Figuren auf dem Deckel, umgeben von 28 Erzstandbildern. Eine ganze Reihe von Künstlern war an diesem Prachtwerke beteiligt - auch Peter Vischer, wie bereits erwähnt wurde - den Hauptanteil daran haben Gilg Sesslschreiber und Steffen Godl, von denen der erstere sich durch große Anmut in der Bildung der Gestalten auszeichnet.

Die meisten (20 von 24) Flachbildwerke stammen von einem Niederländer, Alexander Colins aus Mecheln. Sie sind fein und zierlich gearbeitet, die Vorgänge werden ungemein lebendig geschildert, die Köpfe sind naturwahr behandelt mit scharfer Kennzeichnung der Eigenart. Im ganzen herrscht jedoch die malerische Auffassung vor, welche von der echt bildnerischen eines Peter Vischer schon weit entfernt ist.

Niederländische Bildnerei. In den Niederlanden war die Bildnerei durch die Malerei ganz in den Hintergrund gedrängt worden und man findet daher weder bedeutende Meister, noch zahlreiche Denkmale. Bemerkenswert sind hauptsächlich das Grabmal der Maria von Burgund (Gemahlin Kaiser Maximilians) in Brügge und ein Prachtkamin im dortigen Justizpalast, mit schönem Zierwerk und trefflich ausgeführten Standbildern des Kaisers Karl V. und seiner Vorfahren. Im ganzen zeigt die niederländische Bildnerei dieselben Eigenschaften wie die gleichzeitige Malerei.

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Die Renaissance in England. Am zähesten hielt an der gotischen Bauweise England fest, wo jene, weil im heimischen Geiste ausgebildet, volkstümlich geworden war, ja eigentlich noch heute ist. Von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu Ende des 16. war übrigens in England die eigene Kunst ziemlich herabgekommen. Die in dieser Zeit entstandenen Bauten, in dem herkömmlichen, etwas schwerfälligen und trockenen spätgotischen Stile ausgeführt, stehen den älteren entschieden nach; es zeigt sich kein Fortschritt, vielmehr nur eine größere Willkürlichkeit in der Formbehandlung. In den anderen Kunstzweigen waren Fremde tonangebend, welche man ins Land rief, um den Bedarf des Hofes und Hochadels an Kunstwerken zu decken. So kam Holbein nach England und in der Bildnerei war der Florentiner Pietro Torrigiano, ein Mitschüler Michelangelos (zwischen 1509-19) thätig, welcher die Renaissanceformen nach England brachte. Sein Hauptwerk ist das Grabmal Heinrichs VII. und dessen Gemahlin in Westminster, das großartige Auffassung und Lebenswahrheit mit edler und feiner Durchbildung der Formen aufweist. Der neue Stil fand jedoch keinen sonderlichen Anklang und erst nach 1600 begegnen wir einer stärkeren Beachtung desselben, jedoch bereits in der "barocken" Ausbildung. Darüber wird bei dem nächsten Zeitraum zu sprechen sein.