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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei des 16. Jahrhunderts

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Die Malerei des 16. Jahrhunderts.

Correggio ist der "Maler des Lichtes" im vollsten Sinne des Wortes. Es liegt in seiner Art sicherlich eine gewisse Einseitigkeit, indem er das ganze Schwergewicht auf die Lichtwirkung legt; indem er aber diese Seite des Rein-Malerischen bis zur äußersten Grenze ausbildete, brachte er der Farbenkunst auch eine neue Offenbarung und sicherte sich damit eine maßgebende Stellung in der Kunstgeschichte. Er gehört zu jenen, die eigentlich ihrer Zeit voraus sind; darum fand er verhältnismäßig wenige unmittelbare Schüler und wurde auch von den Zeitgenossen nicht in verdientem Maße gewürdigt, wie dies später der Fall war. Selbst dann nahm man ihn weniger in jener Richtung zum Vorbild, in welcher seine eigentliche künstlerische Bedeutung begründet ist, als vielmehr in anderen Eigenheiten, die freilich sinnfälliger und packender hervortraten. Dazu gehört vor allem die Kühnheit in der Anordnung und in den Verkürzungen, in denen er bis dahin Unerreichtes leistete. In dieser Hinsicht wurde er der Lehrmeister für die Malerei der Barockzeit, während das volle Verständnis für sein Wesen als "Lichtmaler" erst der Neuzeit vorbehalten blieb. - Correggios persönliche Eigenart war ganz auf "sinnliche Schönheit" gestimmt; man kann sagen, daß er nur für diese eine tiefe Empfindung hatte. Auch in seinen Andachtsbildern findet man nichts von frommreligiöser Stimmung, vom Erhabenen oder Beschaulichen; seine Madonnen und Heiligen sind nur von Gefühlen bewegt, welche ihren Urgrund im Sinnlich-Menschlichen haben, das mit ursprünglich starker Kraft hervorbricht.

Das Seelische, welches er zum Ausdruck bringt, ist reines "Nerven-Leben", bis zur Verzückung und schwärmerischen Inbrunst gesteigert, unbeeinflußt von verstandesmäßigen Erkenntnissen und Vorstellungen. Dieses überkräftige innerliche Sinnen-Leben bedingte auch den Ueberschwang in den Bewegungen der Körper, wie er uns insbesonders in den Kuppelgemälden der Hauptkirche zu Parma entgegentritt. Hinsichtlich der Mannigfaltigkeit solcher Bewegungserscheinungen bekundet Correggio eine wahrhaft erstaunliche Erfindungsgabe, und bei aller Gewagtheit bleibt er doch immer innerhalb der Grenzen der Wahrheit. Ungemein sorgfältige Studien der Gesetze des Räumlich-Sehens (Perspektive) und wohl auch eine ungewöhnliche Begabung für dieses Sehen setzten ihn dann in den Stand, in den Decken- und Kuppelgemälden Darstellungen in gerader Untenansicht zu geben, welche die vielbewunderten Verkürzungen bedingte, die für alle späteren als Muster dienten.

Der Umstand, daß seine ersten bedeutenden Arbeiten eben solche Kuppelausmalungen - in der Kirche San Giovanni und in der Domkirche zu Parma - waren, erklärt es, daß er auch in Tafelgemälden die in dieser Hinsicht erreichte Kunstfertigkeit verwertete. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, wußte Correggio die Form mit völliger Sicherheit zu beherrschen, man gewinnt jedoch

^[Abb.: Fig. 537. Sodoma: Kopf der hl. Katharina.]

^[Abb.: Fig. 538. Correggio: Kopf der Io.

Wien. Kaiserl. Gemäldesammlung.]