Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei des 16. Jahrhunderts

588

Die Malerei des 16. Jahrhunderts.

werksmäßige, da er denselben Vorwurf stets mehrfach wiederholte. Vom Jahre 1520 ab brachte er überhaupt nichts Neues mehr, und was danach entstand, ist Werkstattarbeit, in welcher nur mehr die Handfertigkeit, aber kein künstlerischer Geist waltete. Als das beste Bild nach dem obenerwähnten ist die "Maria" in der Pfarrkirche zu Innsbruck zu nennen (1517), in welchem er noch alle genannten Vorzüge entwickelt (Fig. 576). Für seine Auffassung und Eigenart sehr bezeichnend ist ferner das Gemälde: "Die Ehebrecherin vor Christus" (Fig. 578). Das Antlitz des Heilandes ist edel und anmutsvoll, dagegen zeigen die Köpfe der Männer links die für Cranach bezeichnende viereckige Bildung, das Weib die Engbrüstigkeit und das Mißverhältnis zwischen Ober- und Unterkörper, welches allerdings sehr wirklichkeitstreu ist, aber auch vermuten läßt, daß er ein schlecht gebautes Modell allzu getreu nachbildete. - Seine kirchlichen Werke sind im Allgemeinen wertvoller; auch spricht sich in diesen eine wirkliche innere Teilnahme aus, wie ja auch Cranach an der religiösen Bewegung seiner Zeit stark beteiligt war und zu den eifrigsten Freunden Luthers zählte. Zahlreicher sind freilich die Bilder, welche weltliche Stoffe behandeln, bei denen es mehr auf Sinnenreiz ankam.

Offenbar hatte der Künstler selbst keine rechte Freude an diesen Aufträgen, da ihm die rechte Gabe fehlte, das Sinnliche künstlerisch zu verklären und über das Gemeine hinauszuheben. Eine umfangreiche Thätigkeit entfaltete er auch in der Bildnismalerei, die aber auch unter der Massenerzeugung stark litt. Einzelne Bildnisse beweisen zwar sein tüchtiges Können, im Allgemeinen aber stehen sie weit unter jenen Dürers und Holbeins. Er gab ihnen weder die Vertiefung und den Ausdruck innerlicher Wahrheit wie Dürer, auch vernachlässigte er die Zeichnung, noch besaß er die Farbenkunst Holbeins, um seine Köpfe in malerischer Freiheit zu behandeln. Man muß eigentlich sagen, daß Cranachs Bedeutung mehr in dem erkennbaren Besitz einer wirklich großen Begabung, als in der Bethätigung derselben liegt; er gehört auch zu jenen, welchen der große Ruf verderblich wurde.

Schule Cranachs. Eine ziemlich zahlreiche Schule - darunter auch sein Sohn Lucas der Jüngere - setzte seine "beliebt" gewordene Kunstweise fort und lieferte verschiedene "Hofmaler". In dieser Gruppe ist bemerkenswert der sogenannte "Pseudo-Grünewald" (der falsche Grünewald, wahrscheinlich mit dem Maler Simon von Aschaffenburg identisch), weil dessen unleugbar tüchtige Arbeiten früher teils dem Mathias Grünewald, teils Cranach selbst zugeschrieben wurden, mit dessen Werken sie in der That viele Uebereinstimmung zeigen, doch unterscheiden sie sich durch eine mehr weichlichere, anmutigere Behandlung der Form.

Mathias Grünewald. Der "echte" Grünewald (geb. zu Aschaffenburg vor 1480, + 1525) ist unter den Meistern zweiten Ranges vielleicht der bedeutendste, jedenfalls eine merkwürdige Persönlichkeit von besonderer Eigenart, die ihre eigenen Wege ging. In der Form hart, den Ausdruck der Kraft bis zur rohen und häßlichen Derbheit übertreibend, ist er meisterhaft in der Behandlung des Lichtes, und schon Sandrart hat ihn deshalb den "deutschen Correggio" genannt. Von diesem unterscheidet er sich freilich durch die vor-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 583. Quentin Massys: Pietà.

München. Pinakothek.]