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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

602 ^[Seitenzahl nicht im Original]

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. ^[Titel nicht im Original]

Italien.

Der Einfluß Roms. Für die ganze Umbildung der Kunstweise von Hochrenaissance zum Barock war Italien zunächst maßgebend, auf dessen Boden Ursachen und Anfänge derselben sich entwickelt hatten. Es ist begreiflich, daß dieses Land als Stätte einer seit Jahrhunderten fast ununterbrochenen Kunstpflege auch stets eine große Anzahl schaffender Künstler hervorbringen mußte, wie es andererseits, wegen der Fülle bedeutsamer Werke, die beste Gelegenheit zu Studien bot. Wo aber eine zahlreiche Künstlerschaft lebt und thätig wirkt, dort müssen auch die Bestrebungen nach Entwicklung und Neuerungen sich kräftig entfalten. Sodann fiel der Umstand schwer ins Gewicht, daß seit der inneren Erneuerung der katholischen Kirche das Papsttum in Rom wieder eine das geistige Leben der katholischen Länder beherrschende Machtstellung erlangt hatte, welche vielleicht noch stärker war als selbst jene im 12. und 13. Jahrhundert. Jetzt fand Rom in den weltlichen Fürsten keine Gegner mehr, sondern willige und eifrige Stützen, und besaß in dem Jesuitenorden einen unbedingt getreuen Vorkämpfer, der allüberall für die päpstliche Macht thätig war, und dieser sich zu fügen ebenso wohl die Geistlichkeit wie das Volk anzuhalten verstand. Der Einfluß Roms wurde nun weniger mit politischen als vielmehr mit geistigen Mitteln begründet und gesichert, eben dadurch aber griff er tiefer ein und fand weniger Widerstand. Die Kunst konnte davon um so weniger unberührt bleiben, als man in Rom die Bedeutung derselben für das geistige Leben wohl zu schätzen wußte und sie daher auch in den Dienst zu ziehen bestrebt war.

Kirchenbau. Die Kirchenbauten treten während dieses Zeitraumes in Italien wieder in den Vordergrund, und an diesen bildet im wesentlichen sich die Eigenart des Baustiles aus, die dann auch auf die weltlichen Prachtbauten übertragen wird. Die italienischen Barockkirchen werden ferner, eben durch die Vermittlung des Jesuitenordens, vorbildlich für jene der anderen Länder. Die regere Thätigkeit im Kirchenbau war einerseits schon durch das wirkliche Bedürfnis bedingt, da die Bevölkerung zugenommen hatte und viele der älteren Kirchen allmählich baufällig geworden waren, andererseits sollte sie ein Mittel sein, um auf das Volk zu wirken. Aus letzterem Grunde strebte man nach Pracht und Größe, damit eben ein starker Eindruck erzielt, der Bevölkerung recht eindringlich die Bedeutung der Kirche zum Bewußtsein gebracht werde. Es war ja auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß sich allgemein die Anschauungen und der "Geschmack" geändert hatten, sozusagen auch die Augen des Volkes "verwöhnt" waren und daher schlichte Einfachheit keine Wirkung mehr üben konnte. Auch die tieferen Grundlagen des religiösen Gefühles waren jetzt vielfach anders geartet; das Denken war schärfer, das Empfindungsleben verfeinert geworden, und es bedurfte daher auch anderer Mittel wie früher, um das religiöse Gefühl lebendig zu machen und zu erhalten. Als das wirksamste erschien hierzu, "Stimmung" zu erregen, das heißt die Seelen in einen Zustand zu versetzen, in welchem die kritische Verstandesthätigkeit in den Hintergrund tritt und nur Empfindung und Einbildungskraft walten. Darauf war nun auch die Kirchenbaukunst der Barockzeit berechnet, und die kirchlichen Kreise, in erster Linie die Jesuiten, verstanden es in der That auch meisterhaft, mit Zuhilfenahme aller anderen Künste, Bildnerei, Malerei und nicht zuletzt auch der Musik, "Stimmung" zu erzeugen. Diesem Zwecke wurde alles dienstbar gemacht, und da nur ein Gedanke in einer Gesamtentwicklung zum Ausdruck gebracht werden sollte, so ergab sich dadurch auch eine "Einheitlichkeit des Ganzen", da dieses eben auf einen Grundton gestimmt war. Um so leichter war dies zu erreichen, als jetzt im Allgemeinen die Kirche als eigentlicher "Bauherr" auftrat an Stelle der weltlichen Kreise. Früher waren Fürsten und - namentlich in der Zeit der Gotik - die städtische Bürgerschaft es gewesen, welche die Kirchenbauten nach ihrem Sinne ausführten und sie der Geistlichkeit zur Verfügung