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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

617 ^[Seitenzahl nicht im Original]

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. ^[Titel nicht im Original]

Deutschland.

Vorbemerkung. Es dürfte vielleicht am Platze sein, auf einige in der Entwicklung der deutschen Kunst überhaupt, am deutlichsten aber in der Baukunst zu Tage tretende Erscheinungen aufmerksam zu machen. Wir finden die frischeste jugendliche Kraft und Ursprünglichkeit im "romanischen" Zeitalter; da zeigt der deutsche Geist sich fruchtbar und schöpferisch, von regster Einbildungskraft und Erfindungsgabe. Dies dauert auch noch an während der ersten Zeit der Gotik, doch späterhin macht sich bereits ein Zug von grübelnder Tüftelei und die Neigung zum Kleinlichen geltend. Man legt mehr Gewicht auf die Ausgestaltung der Einzelheiten, als auf eine große Auffassung des Ganzen. Zu Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts entfaltet sich die künstlerische Thätigkeit nicht so sehr in großen Denkmalswerken als vielmehr in den Zweigen der Kleinkunst, in welchen sie ihre liebenswürdigsten und reifsten Schöpfungen liefert. Die Baukünstler entwickeln ihre Formgedanken an Altarwerken und Prunk-Geräten, die Maler arbeiten in Holzschnitten und Stichen. Das Schmuckwerk wird im Allgemeinen zur Hauptsache und auf dieses alle Kraft verwendet. Die deutsche Kunst ist dabei zwar volkstümlich geworden, entbehrt aber des Zuges nach dem Großen. Dies steht im engsten Zusammenhange mit den staatlichen Verhältnissen. Der Zerfall des Reiches brachte auch mit sich, daß alle Einheitlichkeit im öffentlichen und geistigen Leben allmählich verloren gehen mußte. Das deutsche Volk wurde in Theile zerrissen, die untereinander sich oft feindlicher gegenüberstanden als dem Fremden. In diesen kleinen Teilen mußte auch jene Beschränktheit der Weltanschauung, jene Engherzigkeit und kleinliche Auffassung aller Dinge, jene kurzsichtige Selbstsucht, welche für das Allgemeine keine Opfer bringen will, kurz jenes Wesen sich entwickeln, das man mit dem Worte "kleinstädtisch" treffend bezeichnen kann. Die religiöse Bewegung zu Beginn des 16. Jahrhunderts rüttelte zwar die Geister etwas auf und es schien anfänglich, als ob dadurch wieder engere Beziehungen zwischen den verschiedenen auseinander strebenden

^[Abb.: Fig. 606. Inneres der Hofkirche St. Michael.

München.]