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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

die ältere Schule der Baukünstler hielt an der rein französischen Eigenart fest, der malerisch-kunstgewerbliche Kreis huldigte den aus der Fremde eindringenden Anschauungen und nahm auch willig ausländische Künstler auf.

Der Kampf entbrannte schon bei dem Ausbau des Louvre und dann bei jenem des Schlosses von Versailles, und, es mag gleich vorweg gesagt werden, er endete zwar mit dem Sieg der Jungen, aber doch ohne Niederlage des französischen Geistes. Das Ergebnis war wohl eine rückhaltlose Schwenkung zur Barockkunst, aber auch eine Ausbildung derselben in französisch-volklicher Eigenart.

Lebrun hatte, wenn auch nicht förmlich, so doch thatsächlich, die oberste Leitung auch der königlichen Bauten in Händen, und die Baumeister waren in den Hintergrund gedrängt. Auch im Schloß von Versailles machte er seinen Einfluß geltend, und diesem ist jene großartige Anlage von einer beinahe ermüdend wirkenden Flucht überreich ausgestatteter Prunkräume zuzuschreiben, in denen das Bauliche gänzlich hinter dem Schmuckwerk zurücktritt, das den barocken Ueberschwang und die Vermengung aller Kunstarten zeigt. Dennoch verleugnet sich auch in dieser verwirrend reichen Pracht die französische Verständigkeit nicht ganz; ein gewisses Maßhalten ist erkennbar, durch welches in die Vielgestaltigkeit etwas Klarheit gebracht wird. Noch mehr tritt dies hervor in der berühmten Apollogallerie des Louvre, welche ebenfalls unter Lebruns Leitung ausgestaltet wurde. In der Linienführung herrscht hier eine gewisse Gesetzmäßigkeit, auch die Gerade kommt zu ihrem Recht; die Einordnung der fein durchgebildeten Einzelheiten, Figuren, Malereien und baulichen Zierstücke, erfolgt nach einem wohldurchdachten Plane, der jedem Gliede den rechten Platz zuweist (Fig. 633).

Louvre. Lebrun hatte hier der heimischen Eigenart Zugeständnisse gemacht, die immer noch mächtig genug sich erwies, um sich selbst gegenüber Bernini zu behaupten, der bereits die "Baukunst der ganzen Welt" beherrschte. Bevor Ludwig XIV. sein ausschließliches Interesse dem Versailler Schlosse zugewendet hatte, hatte der Ausbau des Louvre im Vordergrund gestanden. Levaus Pläne befriedigten nicht mehr, seit Lebrun den Geschmack an der neuen Kunstweise erweckt hatte, und auf dessen Betreiben wurden die sämtlichen Entwürfe der heimischen Meister (Mansart, Lemercier, Cottart, Marot) nach Rom gesendet und Bernini vorgelegt, der sie natürlich verwarf. Er wurde nun selbst nach Paris berufen und hier mit geradezu "königlichen Ehren" aufgenommen (1655). Sein Vorschlag, ging dahin, den ganzen Louvre niederzureißen und einen neuen Bau "groß und majestätisch" aufzuführen, der des "größten Königs" würdig wäre. Der Entwurf, den er vorlegte, war selbstverständlich ganz italienisch gehalten. Es sollte ein "Palazzo" entstehen, nur auf äußere Wirkung, aber auf die stärkste, berechnet; auf die innere Raumverteilung unter dem Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und Benutzbarkeit war keine Rücksicht genommen.

Alles, die Gestaltung des Aeußeren wie des Inneren, stand in vollstem Gegensatze zu den bisherigen Anschauungen und Ueberlieferungen und mußte den schärfsten Widerspruch der französischen Schule hervorrufen. Der Entwurf Berninis war allerdings großartig, namentlich die Schauseite mit ihrer einheitlichen Geschlossenheit wäre von überwältigender Wirkung geworden. Der viereckige Bau hätte danach an den Ecken und in der Mitte jeder Seite (anstatt der Pavillons) Risalite (vorspringende Vorlagen) erhalten, das Untergeschoß sollte gequadert, die beiden Obergeschosse durch eine durchgehende korinthische Säulenordnung (teils Säulen, teils Wandpfeiler) gegliedert werden, welche das mächtige Gesimse und darüber eine mit Standbildern gekrönte Attika getragen hätte. Was man dem Plane vorwarf, war hauptsächlich, daß Bernini das "Klassische", die Gesetze der Antike, nicht genügend berücksichtige; künstlerische Auffassung ließ sich ihm nicht absprechen.

Perrault. Der "wissenschaftliche" Standpunkt der Franzosen gab jedoch mehr nur den Vorwand ab für Bekämpfung des fremden Eindringlings; in letzter Linie war es das stolze volkliche Selbstgefühl, welches sich gegen die Neuerungen empörte. Die Gegner Berninis behaupteten denn auch das Feld, und dieser wurde, ebenfalls mit allen Ehren, heimgeschickt. Zur Annahme gelangte nun der Entwurf eines "Nicht-Zünftigen", des