Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

657

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Arztes Claude Perrault, der freilich Bruder des Intendanten der königlichen Bauten war. - Perrault hatte jedoch von Bernini gelernt und dessen Anordnung und Gedanken vielfach aufgenommen, aber in französischem Geiste umgebildet. Bernini hatte zwar persönlich eine Abweisung erfahren, aber sachlich doch auch einen Sieg errungen. An künstlerischer Bedeutung steht Perraults Werk dem Entwurfe des Italieners nicht nach; es ist nicht wissenschaftlich ausgeklügelt, sondern aus künstlerischem Empfinden und Erfinden hervorgegangen, wenn es auch den "Regeln" Rechnung trägt. Perrault behielt die Risalite bei, wie er auch die mächtig hohe korinthische Säulenordnung aufnahm. Das Erdgeschoß bildete er aber ganz einfach, massig und ungegliedert, nur als Unterbau, um die ganze Aufmerksamkeit auf das Hauptgeschoß zu lenken. Statt der zwei gleichwertigen Obergeschosse Berninis legte er nur ein einziges Hauptgeschoß an, dem das darüberliegende Halbgeschoß gänzlich untergeordnet erscheint; das Gurtgesimse zwischen beiden ist mehr eine verbindende als trennende Linie. Da die 17,4 m hohe Säulenordnung stark hervortritt, das Hauptgesimse in ebenmäßigem Verhältnisse dazu gehalten ist, den Mittelbau ein Giebel krönt, erzielte Perrault ebenfalls den Eindruck geschlossener Einheitlichkeit des Aufbaues und ebenmäßiger Gliederung. Die Schauseite wirkt fast wie ein antiker Tempel; auf dem massigen Unterbau ruht die Säulenordnung, welche den Blick auf sich zieht, nur daß die Mauerfläche durch die Fenster belebt wird, deren maßvolle schmuckhafte Ausgestaltung nicht vordringlich hervortritt (Fig. 634). - An und für sich war diese Schauseite eine meisterhafte Schöpfung; sie hatte nur den Fehler, daß sie mit den übrigen Bauteilen nicht im Einklang

^[Abb.: Fig. 638. Invalidendom.

Paris.]