Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

707

Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

ganzen Wesen fern, für düstere Stimmungen fand er aber den wirkungsvollsten Ausdruck. Seine Art war eine so persönliche, daß sie nicht wohl nachgeahmt werden konnte. Es fanden sich zwar einige Nachfolger, die aber nur die Aeußerlichkeiten, den romantischen Aufputz der Landschaft, nicht aber deren geheimnisvolle Wesenheit in ihren Bildern nach Salvator Rosas Vorbild geben.

Die Schmuckmaler. Die genannten drei Führer und Hauptmeister der italienischen Naturalisten vermochten sich einen dauernden Ruhm zu gewinnen, ihre Werke erscheinen uns auch heute noch von Bedeutung und Wert. Seiner Zeit vielleicht größer, aber auch vergänglicher war das Ansehen der dritten Richtung: der Zier-Malkunst. Diese hatte sich allmählich herausgebildet im Anschlusse an die Baukunst, welche für den Schmuck der Innenräume auch der Dienste der Malerei bedurfte. Entwickelt finden wir sie bei dem Florentiner Pietro Berretini da Cortona (1596-1669), der im Palazzo Pitti die umfangreichen Deckengemälde schuf, die zwar vortrefflich zu der ganzen Ausstattung stimmen, aber eines höheren künstlerischen Gehaltes entbehren. Mit anerkennenswerter Gewandtheit in der Formbehandlung und geschickt berechneter Farbenwirkung wurde die Aufgabe des "Schmückens" gelöst, und von diesem Standpunkte aus betrachtet verdienten Cortona und viele seiner Nachfolger die Wertschätzung ihrer Auftraggeber.

Tiepolo. Der Hauptvertreter der Richtung ist der Venetianer Giambattista Tiepolo (1696-1770), der in dieser Art eine vollendete Meisterschaft entfaltete. Er ist der eigentliche Barockmaler Italiens, und hier zweifellos die bedeutendste künstlerische Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts. Das Erbteil Venedigs, die von Tizian begründete Farbenkunst, wurde von Tiepolo nochmals in vollem Glanze der Welt vor Augen geführt. Er ist kein Nachahmer irgend welcher Schule, sondern eine völlig selbständige, eigenartige Erscheinung; den Kunstgeist, welcher im Bauwesen des Barock sich kundgiebt, hat er in seinen Gemälden, wie kein anderer vor ihm, zum Ausdruck gebracht. Geistreich und immer ursprünglich in der Anordnung, kühn und schwungvoll in der Formgebung, meisterlich in der lichtvollen Behandlung der Farbe, - das sind die Vorzüge, welche ihn auszeichnen. Man kann allerdings viel zu tadeln finden, wenn man den "klassischen" Maßstab anlegen will, ihm Willkür und Unnatürlichkeit vorwerfen. Er verfährt eben im barocken Geiste rücksichtslos mit den Formen, weil er nur die "Wirkung" auf das Auge berücksichtigt, den höchsten Sinnenreiz erzielen will. Dies versteht er gründlich, und zu diesem Endzwecke bringt er auch alles in vollsten Einklang, Farbe und Form entsprechen stets vollkommen dem Vorwurf des Bildes. Wenn er lebhaft bewegte Linienführung anwendet, im Beiwerk einen üppigen Reichtum entfaltet, gewagte Verkürzungen und starke Gegensätze bietet, so liegt dies eben in dem Geiste des Barocken. Der mächtigste Reiz liegt, wie erwähnt, in der Farbe, also dem rein Malerischen; es ist nicht die leuchtende Glut Tizians, auch nicht das Helldunkel Corregios, sondern das klare, freie Licht, durchsichtig und schillernd, welches den Farbenzauber Tiepolo's ausmacht.

Mit erstaunlicher Fertigkeit und Fruchtbarkeit begabt, hat Tiepolo eine ungemein große Zahl von Werken geschaffen, ohne daß man nur einem derselben Flüchtigkeit oder Unsicherheit vorwerfen könnte, wirkungsvoll

^[Abb.: 678. Allori: Judith.

Florenz. Galerie Pitti.]