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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

der Aufnahme der Antike den Ausweg aus den Banden der "römischen Manier" suchte, und dies auch nicht auf heimischem Boden, sondern eben wieder in Italien geschah. Die beiden Führer dieser Bewegung, Simon Vouet (1590-1659) und Nicolas Poussin (1594 bis 1665), hatten ihre Studien in Italien gemacht, und namentlich letzterer hatte sich hier einen "klassischen Stil" angeeignet, der mit seiner glatten Formenrichtigkeit zwar würdevoll wirkt, aber auch ziemlich kalt laßt. Die Gestalten sind "erdacht" und nicht lebenswahr, Haltung und Bewegung sind berechnet, die Anordnung gekünstelt. Auch in den Landschaften, bei denen jedoch Poussin mehr nach Naturstudien arbeitete, findet sich diese nach strengen Regeln abgemessene Anordnung. Poussin besitzt zweifellos für die französische Kunst die Bedeutung eines "ersten Meisters", da er in die Geschichtsmalerei einen neuen und unstreitig auch höheren Zug brachte und der eigentliche Begründer der Landschaftsmalerei ist. Für die Allgemeinheit kommt ihm aber eine solche Rolle nicht zu, denn im Grunde hat er nur den Weg der Caraccis betreten, welche ja gleichfalls die Antike wieder neu beleben wollten.

Le Brun. Vouet, der an Begabung hinter Poussin zurückstand, hatte jedoch eine zahlreiche Schule, welche die tonangebenden Meister des 17. Jahrhunderts lieferte, von denen Charles Le Brun (1619-1690), wie bereits an früherer Stelle erwähnt wurde, geradezu der unumschränkte Kunstherrscher wurde, der auf allen Gebieten das entscheidende Wort sprach. Le Bruns Gemälde haben den ausgesprochenen Schmuckzweck, und mit Rücksicht auf diesen sind sie in der That wirkungsvoll gemacht. Von der strengen Regelrichtigkeit der Antike in der Formensprache weicht Le Brun bereits erheblich ab, die Hauptsache ist ihm das Prunkhafte in der Erscheinung, das Getragene in der Bewegung, kurz, die "barocke" Großartigkeit, die nur auf "Eindruck" ausgeht. Seine "Alexanderbilder" sind die am meisten geschätzten seiner Werke; daß sie das Auge fesseln, ist unleugbar, die Seele ergreifen sie freilich nicht.

Le Sueur. "Echt französisch", geistreich und geschmeidig ist die Art von Eustache Le Sueur (1616-55), der aber auch unbefangen ganze Figuren von Raphael entlehnte (wie z. B. in der Predigt des heiligen Paulus zu Ephesus). Seine mythologischen Gemälde stehen den religiösen weit nach, in welchen offenbar die große Zartheit in Farbe und Form als Ausdruck einer tieferen religiösen Empfindung gelten soll. Richtiger könnte man statt Empfindung vielleicht "Empfindsamkeit" sagen; es ist zwar eine innig-fromme Auffassung, aber doch jene eines leicht beweglichen, schwärmerischen Gemütes, und ein bischen schauspielerische Haltung ist auch dabei. Die Gemäldereihe, welche das Leben des heiligen Bruno behandelt, gehört zu den besten Arbeiten des Meisters; das Bild "Tod des Heiligen" ist insbesondere bemerkenswert dadurch, daß eine einzige Farbe, das einfache Weiß, vorherrscht und durch geschickte Beleuchtung doch alle Eintönigkeit vermieden wird, wie auch der beabsichtigte Eindruck wehmütiger Trauer erreicht erscheint.

Mignard. Der dritte Hauptschüler Vouets, Pierre Mignard, hatte bei seinen Zeitgenossen durch ein großartiges Kuppelgemälde in der Kirche Val de Grace Aufsehen er-^[folgende Seite]

^[Fig. 698. Greuze: Die Verlobung auf dem Lande.

Paris. Louvre.]