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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

regt, im übrigen aber mehr dadurch, daß er als leidenschaftlicher Gegner Le Bruns und der Akademie die höfische Kunstrichtung bekämpfte, von der er freilich nur insofern abwich, daß er etwas mehr den Vorbildern des italienischen Cinquecento sich anschloß.

Champaigne. In einen wirklichen Gegensatz zu der zierlich-geschmeidigen und hochtrabenden Art Le Sueurs und Le Bruns trat nur der aus Brüssel stammende Philipp der Champaigne (1602-74), der breit und kräftig malte, was seinen religiösen Bildern einen Zug strenger Einfachheit verleiht. Sein bestes leistete er jedoch in Ebenbildnissen.

Die Akademiker. Bei dem riesigen Einflusse Le Bruns ist es begreiflich, daß die zur Akademie gehörigen Künstler der von ihm eingeschlagenen Richtung folgten und die "klassische" Formensprache immer mehr in "barockem" Sinne ausbildeten, die hochtrabend, überschwänglich, bisweilen auch schwülstig wurde. War noch für Poussin die "reine Antike" vorbildlich gewesen, so wurde sie jetzt in ähnlicher Weise aufgefaßt, wie Corneille und Racine in ihren Bühnenstücken die Römer und Griechen gaben. Wie hier in der antiken Gewandung Menschen steckten, die im Geiste der Zeit dachten und sprachen, so war auch in der Malerei das "Klassische" nur eine Aeußerlichkeit und zwar bühnenmäßig aufgeputzt. Sonst schmiegte sie sich den jeweiligen Strömungen in der höfischen Gesellschaft an; selbst in den Bildnissen läßt sich dies bemerken. So sind beispielsweise jene des Hyacinthe Rigaud (1659-1743) von einer lüsternen Sinnlichkeit, welche die Verderbtheit der vornehmen Kreise getreulich wiederspiegelt. Da die Großmalerei in erster Linie für Schmuckzwecke, zur Ausstattung der Paläste, arbeitete, so paßte sie sich auch in der Behandlung der Farbe dieser Aufgabe an; man malte in leichten, hellen Tönen, legte das Hauptgewicht auf den Augenreiz, nicht auf Stimmung.

Boucher. Den Geist und Geschmack des 18. Jahrhunderts sehen wir am schärfsten ausgeprägt in den Gemälden des François Boucher (1703-70), der zu seiner Zeit die gleiche tonangebende Rolle spielte, wie Le Brun unter Ludwig XIV. Er ist unstreitig eine der glänzendsten Erscheinungen in der französischen Kunst; mit einer bewundernswerten Sicherheit und Großzügigkeit in der Zeichnung verbindet er eine reizende Feinheit in der Farbe, die ungemein anmutet und das stark Sinnliche in seinen Darstellungen erträglicher macht. Es ist übrigens anzuerkennen, daß Boucher, der auf lüsternen Sinnenreiz ausgehenden Geschmacksrichtung seiner Zeit mit einer gewissen maßvollen Zurückhaltung huldigte, so daß er nie gemein wird; mit vollendeter Kunstfertigkeit bringt er das Verfängliche in jener gefälligen Weise vor, welche das Anstößige mildert (Fig. 695).

Watteau. An Feinheit in der Darstellung des Sinnlichen und vor allem an dichterischer Empfindung wird er jedoch überragt von dem älteren Antoine Watteau (1684 bis 1721), der die damals so beliebt gewordenen ländlichen Feste mit unübertroffener Meisterschaft schilderte. Es war freilich auch nur Schauspielerei, wenn die höfische Gesellschaft sich in die Gewandung von Schäfern und Schäferinnen steckte und in dieser Verkleidung sich "natürlich" fühlte. Schon Le Moine hatte diese "Ländlichkeit" zum Vorwurf seiner Bilder gemacht, auch Boucher hatte sie zu behandeln versucht; aber nur Watteau

^[Abb.: Fig. 699. Lebrun: Selbstbildniß.

Paris. Louvre.]