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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Schlagworte auf dieser Seite: Skandinavische Küche

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suche und Betrachtungen erfordert; deshalb wird das Hochbild immer nur den Zweck haben, dem Auge einen Augenblick Erholung zu gewähren, welcher aber dann auch lieblich empfunden wird.

So ist die Frage bei einer weiten Wandfläche gelöst, ohne daß man in den Fehler des Zuviels, den wir am Eingang rügten, gefallen wäre. Eine so geschmückte Wand macht einen einheitlichen, dem Auge wohltuenden Eindruck. Nun noch einige Andeutungen über die Höhe, in der Bilder hängen sollen. Es ist für ein richtiges Erfassen des Bildes nicht gleichgütig, in welcher Höhe es sich dem Beschauer darbietet.

Den größten Genuß von einem Kunstwerk hat man ja, wenn man es genau von dem Standpunkte aus betrachtet, von dem der Zeichner das Objekt des Bildes erfaßt hat. Von diesem Ort aus ist erst das rechte Erfassen möglich, von da aus kann man erst in das Bild psychologisch hineinsehen und über die Bildfläche hinaus mit dem Zeichner in seelische Verbindung treten. Um diesen Standort zu finden, muß man aber denselben Augenpunkt haben, wie ihn der Künstler hatte, d. h. man muß sich genau dem Punkte auf dem Bildhorizont gegenüberstellen, in dem alle in die Tiefe des Bildes gerichteten Linien ihr Ende erreichen. Bei einem Bild in gerader Ansicht ist das nun nicht allzu schwer. Stellt das Bild aber ein Objekt in schräger Ansicht dar, so ist das Auffinden des Augenpunktes für jemand, der nicht Perspektive getrieben hat, ziemlich schwer, ja manchmal fast unmöglich.

Man verzichte deshalb auf diesen Weg und richte sich nach dem leichter zu findenden Horizont, der Linie, die quer über die ganze Bildfläche läuft, auf der alle graden, sowie schrägen Tieflinien ihr Ende erreichen. Bei einer Landschaft erkennt auch der Laie den Horizont des Bildes bald, sie hänge man nun so auf, daß eine aus dem Auge des Beschauers auf das Bild gehende wagerechte Linie den Horizont des Bildes trifft, dann hat das Auge denselben Horizont, den der Maler bei der Aufnahme hatte. Gewöhnlich hängen alle Landschaften zu hoch. Ist das Bild ein Porträt, so hängt man es am besten in gleicher Höhe mit dem Sehenden auf.

Mit diesen wenigen Andeutungen mag es für heut genug sein. Mögen sie dazu dienen, zur weiteren Betrachtung der Natur anzuregen, damit unsere Wohnräume, ihr nachgebildet, uns immer mehr das werden, was sie sein sollen: nämlich Stätten des körperlichen und geistigen Wohlbefindens.

Skandinavische Küche.

Wenn der Fremde nach Skandinavien kommt, so pflegt ihm zuerst das Sexor - diese jeder Mittags- und Abendmahlzeit vorhergehende Vorkost - ungeheuer zu imponieren. "Sexor" heißt so viel wie "Sechserlei", aber tatsächlich gibt es nicht nur sechs Platten, sondern fünfzehn bis zwanzig, ja noch mehr. Da steht ein Tellerchen mit rohem Schinken, ein Zweites mit Gänsebrust, ein drittes mit Rauchfleisch, ein viertes, fünftes und sechstes mit Schweine-, Kalbs- und Kückenbraten, ein siebentes mit mariniertem, ein achtes mit geräuchertem Aal, ein neuntes mit Lachs, ferner finden wir diverse Käse, Blechbüchsen mit Sardinen, Anchovis, Sylts, Häringen und Pains, kleine Glasassietten mit Salaten und ein halbes Dutzend Schüsselchen mit warmen Speisen, wie Erbsen mit Zunge, Fleischklößchen mit Tomatensauce, gekochten und gebackenen Fischen und verschiedentlichen Omelettes. Auch Flaschen mit Saucen und eine ganze Batterie von Schnäpsen fehlen nicht. Alles ist so reizend arrangiert, wie nur möglich und - zum mindesten auf den Luxusdampfern und in den feinen Restaurants - von bester Qualität. Wir lassen es uns denn auch vortrefflich schmecken und kosten von Allem - leider! Denn schon bei der dritten oder vierten Mahlzeit beginnt sich ein Ueberdruß an der Mannigfaltigkeit des Gebotenen einzustellen, der stetig wächst. Gerade vermöge seiner Reichhaltigkeit wird das Sexor bald so namenlos monoton. Eine Abwechslung ist nicht möglich, weil bei jeder Mahlzeit Alles auf dem Tisch steht, was es von eßbaren Dingen überhaupt gibt. Denn die Speisen, die ich vorhin aufzählte, genügen noch keineswegs für ein richtiges Sexor - es sind immer noch mehr da. Nun könnte man sich freilich dadurch helfen, daß man das Sexor überhaupt vorübergehen läßt, und sich nur an die folgenden großen Gänge hält, aber erstens tut man das nicht, weil man doch Alles bezahlen muß, gleichviel, ob man davon ißt oder nicht, zweitens würde man damit gegen die Landessitte verstoßen und mißliebig auffallen, und drittens dürften die Hauptspeisen auch nicht reichen, sofern einige der Gäste ihren Appetit allein mit ihrer Hilfe befriedigen wollten. Darauf ist doch nicht gerechnet. Der Bädecker erteilt den Rat, allemal beim Sexor nur von einer Speise oder höchstens von zwei zu genießen und bei dem nächsten eine andere zu wählen, und so immer weiter, und tatsächlich ist das wohl auch das Richtige. Die meisten Nordlandsreisenden gelangen schließlich dazu, diese erprobte Regel des guten alten Bädecker zu beherzigen, der Skandinavier dagegen ißt sich Tag für Tag zweimal durch ein Dutzend verschiedene Speisen durch, ohne seinen gesunden Appetit dabei einzubüßen. Oftmals läßt er sich außerdem noch Zwei Stunden nach dem Morgenkaffee "Frukosten" servieren, wobei er dann ebenfalls ein wohlassortiertes Sexor erhält. Der skandinavische Magen muß eben von beneidenswerter Aufnahmefähigkett und Dauerhaftigkeit sein.