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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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Der Hausschwamm und seine Lebensweise.

Vor kurzem nahm man an, daß der Merulius sich stets durch Ansteckung von einem Hause zum andern verbreitet und daß er in ein neues Gebäude und durch Benutzung alten, Mycelium enthaltenden Materiales oder durch Berührung neuen Holzes mit vom Pilze durchsetzten Holze, oder endlich durch die Arbeiter, die an ihren Kleidern oder Werkzeugen Spuren mitbrachten, eindringen könne. Botaniker, wie Robert Hartig und Göppert, behaupten, daß er eine Pflanze ohne Vaterland sei, in den Wäldern nicht mehr die zu seiner Entwicklung notwendigen Bedingungen vorfinde und wie viele unserer kultivierten Pflanzen nirgends mehr in wildem Zustande angetroffen werde. Man begehe infolgedessen einen schweren Irrtum, wenn man annehme, das Holz könne bereits im Walde infiziert sein. Seither hat man aber die Irrtümlichkeit dieser Ansicht erkannt. Man hat zu verschiedenen Malen den Pilz im Walde gefunden, namentlich im Grunewald bei Berlin und in der sächsischen Schweiz: allerdings findet er in den Wäldern Mittel- und West-Europas, welche einer regelmäßigen Bewirtschaftung unterworfen sind, nur ausnahmsweise für seine Existenz notwendigen Bedingungen. Wo aber der Zustand der Wälder sich dem Urzustände nähert, muß der Pilz reichlicher vorhanden sein.

In Rußland gibt es tatsächlich Wälder, deren Bäume zu Bauholz zu benutzen man sich wohl hütet, weil sie trotz aller Vorsichtsmaßregeln in ganz kurzer Zeit von Pilzen befallen sind.

Man hat den Pilz in Jagdhütten, die in 1700 Meter Höhe in den Alpen inmitten des Waldes und aus an Ort und Stelle zersägten und hergerichtetem Holze erbaut waren, beobachtet.

Im österreichischen Kriegsministerium hat man durch den Pilz gelegentlich der Barackenbauten in Galizien so viele Enttäuschungen erfahren, daß der Genieoberst Tilschkert bei dem von der "Assotiation internationale pour l'essai des materiaux", 1895 in Zürich abgehaltenen Kongreß die Frage auf das Studienprogramm setzte: "Wie kann man am Bauholze erkennen, ob es Infektionskeime (Sporen oder Mycelium) enthält oder nicht?"

Diese Frage kann man bis jetzt noch nicht in befriedigender Weise beantworten, denn es wäre ein außerordentlicher Zufall, wenn man einige wenige Sporen im Holze gleich mittels des Mikroskopes entdeckte. Wohl aber gibt es Mittel, um zu verhindern, daß eine Ansteckung stattfindet und Vorsichtsmaßregeln gegen das Keimen der Sporen, welche sich im Holze im Augenblick seiner Verwendung befinden oder die später an seine Oberfläche gelangen; auch kann man die Entwicklung des Myceliums hemmen.

Da der Merulius sehr nach Wasser begierig ist, das er aus dem Holze, den Mauern und selbst aus der Luft entlehnt und durch seine Schnüre von einem Ende des Gebäudes bis zum andern und ihn ^[richtig: in] umgekehrt die Austrocknung tötet, so verwende man nur gut trockene Hölzer, füge die Balken in gut trockene Mauern; man imprägniere die Enden der Balken mit einer stark antiseptischen und eindringenden Substanz, wie Karbolineum, und gebe dem Gebäude erst einen Anstrich, wenn es ganz trocken geworden; man verwende nur ganz trockenes, die Feuchtigkeit nicht anziehendes Füllmaterial, lüfte hinreichend die Keller, vornehmlich solche mit Heizvorrichtung, vermeide jede Berührung zwischen dem Holze und alkalischen Flüssigkeiten (Lauge, Urin, feuchte Asche etc.), und man wird gegen diesen Feind geschützt sein. Hat aber eine Invasion stattgefunden, so gibt es außer den aufgezählten Vorsichtsmaßregeln noch einiges zu tun: die befallenen Hölzer soweit zu behauen, bis Textur, Härte und Farbe normal erscheinen, alle Myceliumsspuren zu entfernen, die sich in der Umgebung befinden, wobei eine Untersuchung der Mauern nicht unterlassen werden darf und überall antiseptische Flüssigkeiten (Schwefelsäure, Sublimatlösung, Formol und als wirksamstes, direktes Gift Petroleum) anzuwenden sind; dann sollen die infizierten Stellen trocknen und lüften, das Ersatzholz ist mit Karbolineum zu imprägnieren. Erforderlichenfalls ist diese Behandlung zu wiederholen, bis der Pilz nicht mehr erscheint.

(Deutsche Forstzeitung.)

Eine bemerkenswerte Mahnung

enthält die "Berl. klinische Wochenschrift". Ein Arzt, Inhaber einer größeren Poliklinik, weist auf die im Publikum nicht hinreichend gewürdigte Möglichkeit hin, Hautkrankheiten durch Kleidungsstücke zu übertragen, und zwar geschieht dies verhältnismäßig häufig in solchen Fällen, wo die Betreffenden Wäsche, Unterzeug, Strümpfe usw. getragen, die einige Wochen oder Monate vorher neu dem Verkaufsgeschäft oder einem andern Aufbewahrungsort (Schrank, Kommode, Koffer) entnommen waren, ohne daß sie vor dem Anlegen diese Gegenstände noch einmal hatten waschen lassen. Die Leute identifizieren den Begriff der Reinheit mit dem der Neuheit. Da die Stücke von anderen Menschen noch nicht gebraucht waren, hält man sie für einwandsfrei, ohne zu bedenken, daß in der vielleicht langen Lagerzeit Krankheitskeime Zeit gefunden haben, sich einzunisten. Gewiß kommen noch andere Momente hinzu, um die Anfälligkeit im einzelnen Falle zu bedingen: Erhitzung und Schweißbildnng, z. B. bei Ruderern und Radfahrern, welche die bekannten Sporthemden