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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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solcher horizontal geteilter Fenster erfreuen, wie selten die oberen Teile benutzt werden. Meist sind sie für fast alle Bewohner zu schwer, oft nur mit gefährlichen Kletter- und Turnübungen erreichbar und zu handhaben; da läßt man sie eben unbenutzt. Und auch wenn fie gebraucht werden, kehrt doch mancher von den früher genannten Uebelstä'uden einigermaßen wieder, namentlich der, daß die Lüftung nicht gut nach Belieben abgestuft werden kann. Schließlich macht sich noch eine Hauptsache sowohl für die untere als ganz besonders für die obere Lüftung unliebsam bemerkbar. Es muß nämlich jedes geöffnete Fenster irgendwie festgemacht, gegen das Zuschlagen durch den Wind geschützt werden; meist hat man dazu Häkchen, zu deren Handhabung man jedoch sehr oft zu faul ist, zumal wenn sie hoch oben sind; da steht man dann vor der Wahl, entweder die Fenster zu öffnen und die Straßenpassanten sowie die eigene Börse durch die Scherben und die Kosten eines zerbrochenen Fensters gefährdet zu sehen, oder aber auf die Lüftung ganz zu verzichten. Solche Nebelstände scheinen zu unbedeutend und eine zu spezielle bautechnische Angelegenheit zu sein, als daß ihnen hier eine so nachdrückliche Auseinandersetzung zu teil werden sollte.
(Schwtz folgt.)
Weibliche Handarbeiten.
Handarbeiten waren seit altersgrauer Vorzeit ein höchst wichtiger Faktor der weiblichen Erziehung. Spinnen, Weben und Flik-ken zählten zu den notwendigen Fertigkeiten einer deutschen Frau, selbst jener, die berufen war, dereinst eine Krone zu tragen. Den Germaninnen der Vorzeit ist weder Küche noch Nähstube ein unbekannter Raum gewesen.
In den ersten Erziehungsanstalten, den Frauenklöstern, wurde deshalb auch neben dem Schreiben und Bibellesen dem Studium der Handarbeiten eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wie das Schwert als Zeichen der Manneswürde galt, blieb das Sinnbild der Frau durch Jahrhunderte die Spindel, und zwar solch bedeutsames Sinnbild, daß die Verwandtschaftsgrade den Namen davon ableiteten, hießen doch die Verwandten väterlicherseits Schwertmagen! jene mütterlicherseits: Spindelmagen! Die Wolle der Schafe lieferte das erste Material für die Kleidung, erst später gelangte von Italien und Griechenland aus der Flachsbau nach Deutschland. Man kannte deshalb zuerst die Wollspinnerei. Dann eroberte sich das Linnen die größere Gunst der Vorfahren. Der Flachs ward der Obhut der höchsten Göttin anvertraut. Wie alle Riesinnen, Nornen und
Schwanenjungfrauen des Spinnens tundig gedacht sind, wurde auch in Liedern und Sagen die Mutter Karls des Großen, Berta, als eine der fleißigsten Spinnerinnen gefeiert. Eine silberne Spindel prangte auf dem Grabhügel der Tochter Otto I., der Herzogin Mutgart von Lothringen. Das alte schöne Zeichen der tüchtigen deutschen Hausfrau ward ihr zum Denkmal gesetzt. Während die höheren Stände spannen, wurde durch Mägde und bäuerliche Hausfrauen der Flachs durch Klopfen, Schwingen und Bürsten zum Gebrauch zubereitet. Ebenso blieb bis Mitte des 13. Jahrh, das Weben eine weibliche Hausarbeit, wie es sich jetzt nur noch ganz vereinzelt in Bauerndörfern der süddeutschen Alpen erhielt.
An den Fürstenhöfen des Mittelalters wurden solche Arbeiten im großen betrieben. Außer den zahlreichen Mägden traten auch die Töchter der hörigen in Frondienste und halfen in dem sogenannten Frauenhause. Dadurch erklärt es sich auch nur, daß es möglich war, zu großen Turnieren oft fo schnell die nötigen Gewänder herzustellen. Das Zuschneiden erforderte, der damaligen Tracht zufolge, nur geringe Geschicklichkeit. Trotzdem nennen alte Chroniken als besonders geübt in dieser Kunst: Die Schwester des Bischofs Burkhard von Worms; die Gemahlin des Grafen Balderich von Geldern; die Witwe Heinrich III., Agnes von Poitiers; und die Töchter von Rudolf von Habsburg.
Schon damals wurde viel Wert auf eine sauber genähte Naht gelegt. Als dann die Mode "Benähen der Nähte mit Borten" erforderte, wurde das Sticken folcher Borten eine neue Kunstfertigkeit für Frauenhände. Wahrscheinlich datiert aus jenen fernen Tagen die in Skandinavien dichterische Bezeichnung für junge Mädchen: Borda skögue! Allmählich wurden ganz bestickte Kleider mooern. Besonders liebte man es, die Meßgewänder der hohen Geistlichkeit mit seidenen und goldenen Fäden, Perlen oder bunten Edelsteinen zu verzieren. Ein Gedicht von Wernher (dem Gärtner) beschreibt eine Haube, die  gegen die Gegengabe von einem Rind, sowie Eier und Käse  eine entsprungene Nonne für den Meiersfohn helmbrecht gestickt habe. Der Mittelstreifen fei mit Vögeln bestickt gewesen, während die rechte Hälfte die Belagerung und Zerstörung Trojas, fowie Aeneas Flucht gezeigt habe. Links waren die Taten Karls des Großen und seiner Helden Roland, Tur-chin und Oliver zu sehen, während zwischen den Ohren die Rabenfchtacht und tanzende Genien vereint waren. Jedenfalls gibt es heutzutage wohl niemand mehr, der sich zu folcher Riesenarbeit hergäbe, der alte und ncue Geschichte mit Vögeln und Tänzen auf einer Haube zu vereinen.