Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

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Bilder aus der Heldensage waren übrigens in jenen Tagen ein ungemein beliebtes Muster. Fremde Länder bewunderten die Kunstfertigkeit deutscher Frauen sehr, mehr noch ihre Geduld, dem Gatten solche gestickten Gewänder zu fertigen. Auch auf alten Teppichen findet man noch heute die Erinnerungen an Sagenftoffe und Helden der Vorzeit festgehalten. Diese geistige Bedeutung sucht man in unsern neuen Handarbeiten allerdings vergebens.
In einzelnen Museen erhielten sich jene Reste alter Stickereien, ohne jedoch den Wunsch zu erwecken, sie wieder neu zu beleben. Der Geschmack wandelte sich zu sehr im Zeitenlauf. Man kennt keine Waffenröcke mehr, die das kunstvoll ausgeführte Wappen des Besitzers tragen. Man liebt auch die Satteldecken jetzt unbestickt. Später wurden ganze Liederanfänge auf Teppiche und Dek-ken gestickt, dann wurde auch dies unmodern. Zuerst kannte man den einfachen Kreuzstich. Später wurde der Plattstich beliebt. Dann befestigte man Goldfäden mit Ueberfangsti-chen, und endlich entwickelte sich der Drellstich. Alles Stiche, die noch heute üblich sind.
Als im Laufe der Zeit die Stickerei dem "Musterhineinweben" wich, und im Gegensatz zu den Handstickereien der Gobelins  besonders die flandrisch-burgundischen  zur hohen Blüte gelangten, begannen allmählich einzelne, bis dahin nur von den Frauen ausgeführte Arbeiten in Männerhände überzugehen.
Die Iunftbücher des 14. und 15. Jahrhunderts erlauben nur, daß Frauen und Töchter die Männer im Handwerk "unterstützen" Die Tuchscherer und Hutmacher zu Köln schlössen auch diese Befugnis aus. Einzig das sogenannie "Goldspinnergewerk" blieb in weiblichen Händen. Betrieb eine Näherin ihr Gewerbe handwerksmäßig, d. h., hatte sie Hilfe dabei, so mußte sie der Zunft beitreten und Bürgerin werden. Mehr und mehr trachteten die Schneider darnach, die Näherinnen auf das Leinwandnähen zu beschränken und die Anfertigung der Kleider allein in ihre Hand zu bekommen. Endlich wurde denn auch, zu Ende des 17. Jahrhunderts dem männlichen Geschlecht allein der Zutritt zum Handwerk gestattet. Die Arbeit der Frau beschränkte sich auf das sogenannte Hand-gewerbe, d. h., sie durfte neben Spinnen, Weben und Flicken wohl die Kleidung für sich und ihre Familie anfertigen, aber die Schneiderei nie gegen Entgelt betreiben. Nach knapp hundert Jahren änderte sich diese Bestimmung dann wieder. Neben Schneidern ließen sich Schneiderinnen nieder, ohne daß man daran Anstoß nahm. ^
Die letzten Jahrzehnte mit ihren mannigfachen Erfindungen und Fabriken, schufen in
den "im Hause ausgeführten Handarbeiten" einen gewaltigen Wandel. Spinnmaschinen und Webeapparate entwanden die Spindel, das einstige Symbol der deutschen Hausfrau, ihrer Hand. Mit der Einrichtung der großen Flachsspinnereien war der Tätigkeit des weiblichen Geschlechtes auch auf diesem Gebiete ein Ziel gesetzt.  Ferner drohte die Maschinenstickerei den Sieg über die Handstickerei davon zu tragen, erwies sich aber doch im Grunde genommen nicht als dauerhaft.
So gibt es noch immer Arbeit für fleißige Frauenhände. Je mehr die Fabrikarbeit sich ausbildet, desto mehr Anforderungen werden neuerdings an die "Hand"arbeiten gestellt. Man wünscht sie künstlerisch ausgeführt, die Muster geschmackvoll und originell. Sie sollen nicht allein akkurat und sauber ausgeführt sein, sie sollen auch künstlerischen, femgebildeten Geschmack zeigen und in jeder Weise das Schönheitsgefühl befriedigen.
Die Mode wechselte. Die gediegene Einfachheit der schlichten Weißstickexei machte der Häkelei, den Point lace Spitzen, ja jogar dem oft nicht zu geschmackvollen Tülldurchzug Platz, aber immer wieder gelangen dann doch die gute Madeira-Stickerei und die Leinen-spitzen zu Ehren. Immer wieder wird es, trotz des Frauenstudiums, fleißige Frauenhände geben, die sich nicht für zu geistvoll dünken, um sich ihre Wäschegarnitur selbst herzustellen, die die eigene Handarbeit an Stelle der weniger dauerhaften Maschinenstickerei stellen.
So wird die Nadel noch für lange Zeit  allen Fabriken und aller Emanzipation zum Trotz  das Sinnbild der echten tätigen, deutschen Frau sein, wie es in längst entschwundenen Zeiten die Spindel war.
A. M. Witte.
Pas PipWerieschuhserum.
Die fast absolut sichere Wirkwmkeit des Behring'schen Serums zur Verhütung von Diphtherie gehört heute zu den gesicherten Tatsachen der Wissenschaft. Gar oft hat man wahrgenommen, daß der sofortigen Anwendung des Schutzserums beim Ausbruch eines Diphtheriefalles prompt das Erlöschen der Epidemie folgte, so daß manche Aerzte dieses Verfahren wichtiger halten als die Isolierung, die oft an und für sich undurchführbar ist. Sehr bedeutungsvoll ist ferner die Tatsache, daß, wenn auch von den geimpften Kindern einige an Diphtherie erkranken, die Erkrankung sehr mild verläuft und dieselben meist in einigen Tagen geheilt werden. Leider erstreckr sich allerdings die Schuhwirkung nur auf etwa 3 Wochen und sie muß daher in manchen Fällen wiederholt werden. Da die Schuhimpfungen durchaus unschädlich sind.