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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Byzantinisches Reich

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Byzantinisches Reich'

der nur dem Namen nach regierte. Nach dessen Tode 1011 regierte ihr Adoptivsohn Michael V. (s. d.) wenige Monate. Der letzte Gatte der alternden Zoe wurde dann 1042 Konstantin IX. Russen, Petschenegen und Araber verheerten indes das Reich; in Asien traten die seldschuk. Türken als gefährliche Feinde auf; in Unteritalien ward durch die Normannen die byzant. Herrschaft auf Bari eingeschränkt. Nach Konstantins Tode 11. Jan. 1055 ward Theodora (s. d.), der Zoe Schwester, zur Kaiserin gewählt. Michael VI., seit 1056 ihr Nachfolger, wurde schon 1057 durch einen Aufstand der Aristokratie entsetzt und Isaak I. Komnenos (s. d.) auf den Thron erhoben. Dieser, mit dem die Reihe der komnenischen Kaiser beginnt, ging 1059 freiwillig ins Kloster. Sein von ihm ernannter Nachfolger aus anderm Geschlecht, Konstantin X. Dukas, focht glücklich gegen die Uzen. Eudokia, dessen gelehrte Gemahlin, seit 1067 als Witwe Vormünderin seiner Söhne Michael, Andronikos und Konstantin, heiratete Romanos IV. Diogenes und gab diesem dadurch 1. Jan. 1068 die Krone. Nachdem derselbe anfangs glücklich gegen die Seldschuken gefochten hatte, geriet er in deren Gefangenschaft 1071; er kaufte sich los, wurde aber als Gegner des inzwischen auf den Thron gekommenen Michael VII. in Kleinasien besiegt und darauf geblendet. Seinen Nachfolger Michael VII., Konstantins X. Sohn, entthronte 1078 Nikephoros III. und diesen zu Anfang des April 1081 Alexios I. Komnenos (s. d.; 1081–1118), Isaaks I. Neffe, unter dem die Kreuzzüge begannen. Alexios zeigte polit. Gewandtheit sowie Tapferkeit in seinen Kriegen mit den Normannen und den Seldschuken; ebenso erscheint er auch in seinem Verhältnis zu den Kreuzfahrern. Die nördl. Grenzen sicherte er durch Siege über die Petschenegen und Kumanen. Sein Sohn Johannes II. (1118–43) und dessen Sohn Manuel I. (1143–80) waren tüchtige Fürsten und in ihren Kriegen, namentlich an der Nordgrenze und mit den Seldschuken, meist vom Glück begünstigt. Manuels Sohn, Alexios II., ward schon 1183 durch seinen Vormund Andronikos I. (s. d.) gestürzt und dann ermordet, dieser selbst aber, der letzte der komnenischen Kaiser, in einem Aufruhr, den seine Grausamkeiten erregt hatten, 1185 umgebracht, worauf Isaak II. Angelos (s. d.; 1185–95) auf den Thron kam. Dieser ward nach einer unruhigen Regierung von seinem Bruder Alexios III. 1195 geblendet und gestürzt. Die Kreuzfahrer des vierten Kreuzzugs und die Venetianer setzten ihn aber mit Gewalt 1203 wieder ein, zugleich mit seinem Sohne Alexios IV., der, durch seine Schwester Irene ein Schwager des deutschen Königs Philipp, bei ihnen Hilfe gesucht hatte. Aber die Konstantinopolitaner fügten sich nicht, sondern riefen im Jan. 1204 Alexios V. Dukas Murtzuphlos zum Kaiser aus, der Alexios IV. ermorden ließ, während zugleich Isaak II. vor Kummer starb.

Darauf rückten 1204 die «Lateiner» (Venetianer, Lombarden, Niederländer und Franzosen) wieder vor Konstantinopel, eroberten 13. April die Stadt und nahmen diese wie die europ. Länder des Reichs in ihren eigenen Besitz. Das Ganze ward in vier Teile geteilt, den einen (das südl. Thrazien und die diesem gegenüber liegenden Küstenlandschaften Kleinasiens vom Sangarius bis Lesbos) mit der Hauptstadt erhielt Graf Balduin von Flandern, der zum Kaiser erhoben ward (Lateinisches Kaisertum «Romanien» 1204–61), und von dem die andern Teile den ↔ übrigen Teilnehmern des Zugs zu Lehn gegeben wurden. So erlangten die Venetianer Küstenstriche am Adriatischen Meere, ein Stück von Morea und viele Inseln des Ägäischen Meers (später auch Euböa) und namentlich Kreta, das ihnen Bonifacius, Markgraf von Montferrat, verkaufte, dem als König von Thessalonich Macedonien nebst Thessalien und Südgriechenland gegeben ward. Außerdem wurden viele Herzogtümer, Grafschaften u. s. w. zu Athen, Salona, in Morea, auf den Inseln und andern Orten für franz. und ital. Ritter gestiftet. Aber auch einzelne griech. Dynasten behaupteten sich unabhängig auf dem Festlande. In dem westl. Teile Kleinasiens erhielt sich Theodorus Laskaris (s. d.), der von den Griechen zum Kaiser gewählt worden war und Nicäa zum Sitz der Herrschaft erhob. Im Nordosten Kleinasiens, von Sinope bis zum Phasis, machte sich zu Trapezunt ein Enkel des Andronikos, Alexios Komnenos, zum unumschränkten Herrn. Allmählich bildeten sich aber auch griechischerseits das Despotat von Epirus (s. d.) und das Thessalonikische Kaiserreich (s. d.). Indessen konnten in Konstantinopel weder Balduin noch seine Nachfolger den schwankenden Thron behaupten; der nationale Hochmut und die kath. Unduldsamkeit der Franken machten ein gutes Verhältnis zu der unterworfenen Bevölkerung unmöglich. Balduin selbst fiel 1205 in die Gefangenschaft der Bulgaren; ihm folgte Heinrich von Angre, sein Bruder, der weise und tapfer bis 1216 regierte; dann Peter, Graf von Auxerre und Courtenay, dessen Schwager, der 1217 von Theodorus Angelos, dem griech. Despoten von Epirus, gefangen wurde; endlich, nachdem das Reich vier Jahre thatsächlich ohne Kaiser gewesen und in gänzliche Zerrüttung geraten war, Peters jüngerer Sohn Robert (1221–28). Unter diesem und seinem Nachfolger, Balduin II. (1228–61), Roberts jüngerm Bruder, der 1231–37 unter der Vormundschaft des Titularkönigs von Jerusalem, Johann von Brienne stand, ward ein großer Teil des Reichs von Johannes III. Dukas Vatatzes (s. d.) eingenommen, der 1246 auch Thessalonich dem Epiroten Theodorus entriß. Dem Johannes III. Vatatzes folgte in Nicäa sein Sohn Theodorus II. (1255–58), dessen minderjähriger Sprößling Johannes IV. aber durch Michael VIII. Paläologos (s. d.) verdrängt ward. Dieser, der Stifter der letzten byzant. Dynastie (der Paläologen), eroberte endlich mit Hilfe der Genuesen, die dafür erhebliche Privilegien erhielten, Konstantinopel 25. Juli 1261 und machte so dem Lateinischen Kaisertum ein Ende, obwohl sich einige von Lateinern gestiftete Herrschaften in Griechenland und auf den Inseln noch bis zum Untergang des B. R. und darüber hinaus erhielten. Balduin starb 1273 in Italien. Michael suchte die Macht des Reichs neu zu erheben, erregte aber durch seine versuchte Annäherung (1274) an die lat. Kirche, von der die griechische 1054 sich definitiv getrennt hatte, die heftigste Erbitterung des Klerus und des Volks. Sein Sohn Andronikos II. (s. d.), der ihm 1282 folgte, brach daher diese Beziehungen sogleich wieder ab. Innere Unruhen und äußere Kriege, besonders wider die Osmanen, gegen die er catalon. Mietstruppen in Sold nahm, die dann aber selbst zu einem Kriege gegen ihn in Thrazien (1304–9) getrieben wurden, zerrütteten das schwache Reich. Nach dem Tode seines Sohnes Michael IX. 1320, den er zum Mitregenten angenommen hatte, nötigte ihn An-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 815.