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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ausfuhrbegünstigungen; Ausfuhrhandel; Ausfuhrprämien; Ausfuhrtarife

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Ausfuhrbegünstigungen - Ausfuhrtarife

mende Übelstände gerügt werden. Statist. Angaben über die A. s. Handel.

Ausfuhrbegünstigungen, s. Exportbonifikation

Ausfuhrhandel, s. Ausfuhr und Handel.

Ausfuhrprämien (frz. primes d'exportation; engl. bounties), staatliche Unterstützungen, die gewissen Gewerbezweigen zum Zwecke der Förderung ihrer Ausfuhr gewährt werden. Sie entstanden zur Zeit des herrschenden Merkantilsystems (s. d.), als es sich in erster Linie darum handelte, Industriezweige, die im Inlande noch gar nicht, oder doch nicht in genügendem Umfange betrieben wurden, ins Leben zu rufen, zur Blüte zu bringen oder exportfähig zumachen. Die Ausfuhrprämie kann in verschiedener Form gewährt werden. Am klarsten erscheint sie, wenn sie ohne weitere Bedingung lediglich auf Grund der Ausfuhr einer gewissen Ware bewilligt wird. Derart waren die in England bereits um 1688 eingeführten A. für Weizen, Gerste, Malz und Hafergrütze. Sie wurden indes nur gezahlt, wenn der Preis des Getreides unter eine bestimmte Grenze gefallen war, und nach mehrfachen Abänderungen und Suspensionen 1806 ganz aufgehoben. Als solche Prämie besteht gegenwärtig nur noch diejenige, die in Frankreich für die Ausfuhr der von franz. Fischern gelieferten Stockfische gegeben wird, gleichviel ob diese direkt aus Neufundland oder aus franz. Specialentrepots ausgeführt werden. In Deutschland wurde 1887 eine unmittelbare Getreideausfuhrprämie in Vorschlag gebracht, und es wurde im Reichstage auch darüber verhandelt, jedoch ohne Erfolg. Das Gesetz vom 14. April 1894, betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweises (s. d.) beim Getreideexport, gewährt keine Prämien, sondern hat die Einfuhrscheine geschaffen, in der Absicht, auf diesem Wege den Getreidehandel zu erleichtern und die Landwirtschaft, namentlich die des Ostens und Nordens, zu fördern. Größtenteils erscheinen die A. heute in der Form der Rückerstattung eines die Ausfuhrware belastenden Steuer- oder Zollbetrags. Handelt es sich nur darum, daß die thatsächliche Belastung zurückgezahlt wird, so spricht man von Zoll- oder Ausfuhrvergütung, Exportbonifikation (s. d.), drawback. Erst wenn die gewährte Vergütung die wirkliche Belastung übersteigt, zeigen sich in mehr oder weniger versteckter Gestalt die Prämien.

Solche A. sind nach dem Vorgange Frankreichs, das zuerst für den Kolonialzucker, seit 1826 auch für den Rübenzucker erhebliche Prämien bewilligte, heute in vielen Staaten üblich, namentlich auf dem Gebiete der Zuckerindustrie. Sie werden teils offen, teils indirekt gewährt. Ersteres geschieht auf Grund der Fabrikatsteuer, indem ein bestimmter Satz für jede zur Ausfuhr gelangte Gewichtseinheit bezahlt wird. Derart gewährt Österreich-Ungarn für 100 kg Zucker eine offene Prämie von 1,50 Fl. bei mindestens 88 Proz. Polarisation, von 1,60 Fl. bei mindestens 93 Proz. und von 2,30 Fl. bei Raffinade mit mehr als 99,5 Proz. Zuckergehalt. In Deutschland sind die seit 1861 üblich gewesenen und wiederholt geänderten Steuerrückvergütungen bei der Ausfuhr 1892 beseitigt worden. Dafür wird vom 1. Aug. 1892 bis 31. Juli 1895 eine feste Prämie («Ausfuhrzuschuß») von 1,25 M. pro 100 kg Rohzucker von 90 bis 98 Proz. Zuckergehalt, von 2 M. für Kandis, Brot- und Krystallzucker von mindestens 99,5 Proz. Zuckergehalt, von 1,65 M. für allen übrigen satten Zucker bewilligt. Vom 1. Aug. 1895 bis 31. Juli 1897 sollen diese Sätze auf 1 M., 1,75 M. und 1,40 M. vermindert werden und später ganz fortfallen. Die Höhe der wirklich gezahlten deutschen A. berechnete sich pro Metercentner Rohzucker:

^[Liste]

1883/84 auf 3,72 M.

1884/85 " 4,15 "

1885/86 " 4,88 "

1886/87 " 4,55 "

1887/88 " 4,98 "

1888/89 " 2,22 "

1889/90 " 2,39 "

1890/91 " 2,28 "

1891/92 " 2,27 "

1892/93 " 1,25 "

Indirekte A. ergeben sich auf Grund der Rübengewichts-, Saft- und Typensystemsbesteuerung aus einer zu niedrigen gesetzlichen Ausbeuteannahme der Rohprodukte (Rüben- und Rübensäfte) und Halbfabrikate (Rohzucker). So geschieht es in Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Rußland. Die in Frankreich gezahlte Prämie berechnete sich durchschnittlich pro 100 kg Rohzucker:

^[Liste]

1884/85 auf 6,30 M.

1885/86 " 10,19 "

1886/87 " 11,65 "

1887/88 " 9,58 "

1888/89 " 7,43 "

1889/90 " 8,20 "

1890/91 " 4,50 "

Die Verschiedenartigkeit der Prämiensätze hat von jeher zu außerordentlich häufigen Veränderungen in der Gesetzgebung Veranlassung geboten. Um die unsichern Zustünde im internationalen Zuckerhandel zu beseitigen und rationelle Grundsätze der Besteuerung in die Gesetzgebung einzuführen, traten wiederholt wichtige Produktions- und Konsumtionsländer zu Konferenzen zusammen, so 1862 und 1864 in Paris, 1871-75 in London, ohne indes das erstrebte Ziel, die Beseitigung der A., zu erreichen. Auch die Londoner Zuckerkonvention vom 30. Aug. 1887 führte nicht zu dem gewünschten Resultat.

Eine dritte Form der A. entsteht im Anschluß an den Veredelungsverkehr (s. d.). Sie zeigen sich hier namentlich dann, wenn nicht an der Identität des eingeführten Rohstoffes festgehalten wird, sondern irgend ein anderer in verarbeiteter Form ausgeführt werden darf. Die Prämie wird hier nicht unmittelbar vom Staate gezahlt, sondern erscheint in Form eines Zollausfalls bei der Einfuhr der rohen Stoffe. Derartige A. haben oft Unzufriedenheit erregt und zu Repressalien der Nachbarstaaten Veranlassung geboten. (S. Acquit-à-caution.)

Im allgemeinen hat sich in neuerer Zeit die Überzeugung Bahn gebrochen, daß die A. zur Hebung des gesamten wirtschaftlichen Lebens kein geeignetes Mittel sind. Allerdings sind z. B. die Zuckerindustrie und die Landwirtschaft durch sie in hohem Maße kapitalkräftig und entwicklungsfähig gemacht worden, auch die Verbilligung der Zuckerpreise innerhalb der letzten Jahrzehnte dürfte vorzugsweise auf sie zurückzuführen sein; aber man kann doch nicht in Abrede stellen, daß andere Staatsinteressen dadurch nachteilig berührt werden.

Vgl. Leris, Die französischen A. (Bonn 1870), sowie desselben Abhandlungen: A. und Identitätsnachweis (im «Handwörterbuche der Staatswissenschaften»); von Kaufmann, Die Zuckerindustrie in ihrer wirtschaftlichen und steuerfiskalischen Bedeutung für die Staaten Europas (Berl. 1878); Herbertz, im Wochenblatt «Die deutsche Zuckerindustrie», Jahrg. 1887-39 (Berlin); Paasche, Zuckerindustrie und Zuckerhandel der Welt (Jena 1891), und desselben Abhandlung: Zuckerindustrie und Zuckersteuer im «Handwörterbuch der Staatswissenschaft» (Bd. 6, Jena 1894).

Ausfuhrtarife, s. Eisenbahntarife.