Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Brüdergemeine'
Schwestern, blaue die Ehefrauen und weiße die Witwen. Karten- und Würfelspiel, Ball und Tanz gestatten sie nicht, wie überhaupt kein
öffentliches Vergnügen, das die Geschlechter zusammenbringt. Wer gegen die Gemeineordnung und Sittlichkeit fehlt, wird erst durch
Ermahnungen der Ältesten zurechtgewiesen, und wo diese nicht fruchten, durch Ausschließung vom Abendmahl bestraft, oder endlich
veranlaßt, aus der Gemeine zu treten. Eins der wirksamsten Mittel, jede Unsittlichkeit abzuhalten, ist die anhaltende und angemessene
Beschäftigung, die man allen Gliedern der Gemeine zu geben weiß. Ihre Arbeitsamkeit und Geschicklichkeit, die Ausbreitung und
Lebhaftigkeit ihres Handels sind rühmlich bekannt. Die Unitäts-Ältestenkonferenz verwaltet einen die ganze Gesellschaft mit ihren
allgemeinen Bedürfnissen umfassenden Haushalt, der durch die Einkünfte aus den Unitätsgütern und den hie und da auf allgemeine
Rechnung betriebenen Gewerben, durch jährliche Beiträge der Mitglieder und durch Vermächtnisse unterhalten wird.
B. sind an folgenden Orten auf dem europ. Kontinent: in Herrnhut, Kleinwelka (seit 1751), Niesky (1742), Neusalz a. d. Oder (1744),
Gnadenberg (1743), Gnadenfrei (1743), Gnadenfeld (1782), Neudietendorf (1764), Gnadau (1767), Ebersdorf (1746), Königsfeld in Baden
(1807), Neuwied (1750), Berlin und Rixdorf, Breslau, Guben, Hausdorf in Schlesien, Norden in Ostfriesland, Christiansfeld in Schleswig;
Pottenstein, Böhmisch-Rothwasser, Tschenkowitz und Dauba in Böhmen; Montmirail, Peseux, Chaux-de-Fonds und Locle in der franz.
Schweiz; Zeist bei Utrecht und Haarlem. Auch die Gemeine zu Bethel in Südaustralien ist der deutschen Provinz angeschlossen, desgleichen
in Rußland, wo sie 1764 Vorrechte erhielten, bis vor kurzem der Gemeinort Sarepta (s. d.) im Gouvernement Saratow.
Diese Gemeine ist jedoch 1892 aus dem allgemeinen Verband der Unität ausgeschieden, um sich der luth. Kirche anzuschließen. Außerdem
giebt es Brüdersocietäten oder Gemeinverbindungen in den Landeskirchen ohne kirchliche Trennung von diesen: in Bremen, Potsdam,
Cottbus, Danzig, Königsberg, Basel, Straßburg, Kopenhagen, Stockholm und andern Orten, besonders zahlreich in Livland und Esthland.
Auch in England fanden sie Eingang, wo sie zu Fulneck in der Grafschaft Yorck, zu Fairfield in Lancaster und zu Ockbrook in Derby ihre
Hauptniederlassungen gründeten und bereits 1749 durch eine Parlamentsakte als eine alte bischöfl. Kirche anerkannt wurden. In Irland ist
ihre Hauptkolonie Gracehill in der Grafschaft Antrim. Im ganzen zählt man in Großbritannien 39 Gemeinen mit 5300 Mitgliedern. Ebenso
haben sie Niederlassungen in Nordamerika, wo die ersten Gemeinen zu Bethlehem, Nazareth und Litiz in Pennsylvanien und zu Salem in
Nordcarolina gegründet wurden, und jetzt 68 Gemeinen bestehen mit 18400 Mitgliedern. Die Gesamtzahl der Gemeinemitglieder beträgt
33000, in Europa allein 14000; davon entfallen auf die deutsche Provinz 8800. Ihre Kolonien außer Europa entstanden durch Missionen. Der
Grundsatz, diese nur in Verbindung mit der Kolonisation zu betreiben, die eingeborenen Mitglieder der Kolonie durch nützliche Arbeit zu
beschäftigen und ihnen zugleich eine allgemeine Bildung zu geben, hat viel zur Förderung ihres Missionswesens beigetragen. Übrigens
werden nur diejenigen zur Taufe zugelassen, die durch ↔ veränderte Lebensweise und gute Aufführung Beweise ihres
Glaubens geben. Die erste Mission, nach St. Thomas, ward von Zinzendorf 1732 unter Begünstigung der dän. Regierung veranstaltet. Die
wichtigsten Missionen befinden sich auf den drei dän. Inseln in Westindien: Ste. Croix, St. Thomas und St. Jean, ferner auf Jamaika
(seit 1754), St. Christopher, Antigua (seit 1756), Barbados (seit 1765), Tabago (seit 1812), in Surinam (seit 1735), in Demerara, unter den
Indianern in Canada und in den Vereinigten Staaten, auf der Mosquitoküste (seit 1848), in Grönland (seit 1733), Labrador (seit 1771), Alaska
(seit 1885), auf dem Vorgebirge der Guten Hoffnung unter den Hottentotten, Kaffern und Tambuckis (seit 1736), in Australien (seit 1849) und
im Westen vom Himalaja (seit 1853), im ganzen in 19 Provinzen, dazu neuerdings in Deutsch-Ostafrika und auf der Nordspitze des austral.
Festlandes (Nord Queensland). Es wurden 1891 gezählt 115 Stationen, 155 Missionare, 1045 eingeborene Gehilfen, zu denen über 600
Frauen als Helferinnen kommen, 235 Schulen, etwa 84000 getaufte Heiden (im ganzen über 90000 in Pflege der Missionare). Die Gemeine
besitzt seit 1869 in Niesky eine Missionsschule zur Ausbildung der Missionare und giebt ein «Missionsblatt» (1892 der 56.Jahrg.) heraus, in
dem sie nur über ihre eigene Missionsarbeit berichtet.
Litteratur. Cranz, Alte und neue Brüderhistorie (Barby 1772); (Hegners) Fortsetzung von Cranz‘
Brüderhistorie (2 Bde., ebd. 1791–1804; Gnadau 1816); Schaaff, Die evangelische B. (Lpz. 1825); Geschichte der erneuten Brüderkirche
(von E. W. Cröger, 3 Tle., Gnadau 1852–54); Joh. Fr. Schröder, Der Graf Zinzendorf und Herrnhut (2. Aufl., Lpz. 1863); G. Burkhardt,
Zinzendorf und die B. (Gotha 1866); B. Becker, Zinzendorf im Verhältnis zu Philosophie und Kirchentum seiner Zeit (Lpz. 1866);
Synodal-Verlaß von 1888 u. 1889 (Gnadau 1890); Schneckenburger, Vorlesungen über die Lehrbegriffe der kleinern prot. Kirchenparteien
(Frankf. 1863); Nitschl, Geschichte des Pietismus, Bd. 3 (Bonn 1886); Burckhardt, Die B., Tl. 1 (Gnadau 1893). S. auch die Litteratur zu
Zinzendorf.
Brüderhäuser, Anstalten, in welchen junge evang. Männer zum Dienst in Krankenhäusern, Herbergen,
Rettungshäusern, Arbeiterkolonien, Stadtmissionen und zu andern Werken der Innern Mission herangebildet werden. Sie sind ein
Seitenstück zu den Diakonissenanstalten. Jeder Bruder oder Diakon (s. d.) hat eine Probezeit zu
bestehen, ehe er in den Verband aufgenommen wird, aus dem er jedoch jederzeit ausscheiden kann. Solche Anstalten bestehen bei
Hamburg im «Rauhen Hause» (s. d.) seit 1833, zu Berlin im Evangelischen Johannesstift, zu
Duisburg, auf dem Lindenhof bei Reinstedt, zu Puckenhof bei Erlangen, Züllchow bei Stettin, Karlshof bei Rastenburg (Ostpreußen),
Kraschnitz (Schlesien), Karlshöhe bei Ludwigsburg (Württemberg). Ferner sind zu nennen die Diakonenanstalt zu Obergorbitz bei Dresden,
das Stephansstift bei Hannover und die Bruderanstalt Nazareth bei Bielefeld. – Vgl. Schneider, Die Innere Mission in Deutschland
(Braunschw. 1888).