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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Heinrich

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Heinrich (deutsche Kaiser: H. I., H. II.).

fast völliger Selbständigkeit; Lothringen, welches sich in letzter Zeit König Karl dem Einfältigen von Frankreich unterworfen, brachte er durch Waffengewalt 925 an Deutschland zurück und verband sich den lothringischen Herzog Giselbert durch dessen Vermählung mit seiner Tochter Gerberga. So war der Bestand des Deutschen Reichs hergestellt und die königliche Gewalt über die Herzöge der fünf Stämme (Franken, Sachsen, Lothringer, Schwaben, Bayern) neu befestigt. Es galt nun, auch gegen die Einfälle der Nachbarvölker, namentlich der Ungarn und Slawen, das Reich zu sichern. 924 wurde H. gezwungen, mit den Ungarn eine neunjährige Waffenruhe zu vereinbaren und ihnen dafür einen jährlichen Tribut zu zahlen. H. benutzte diese Waffenruhe zur Wiederherstellung der Wehrkraft des deutschen Volkes und zur Sicherung des Reichs durch Anlegung fester Burgen und Befestigung offener Städte. Er erließ das Gesetz, daß der neunte Mann aus den Heerbannpflichtigen in die Burg ziehen sollte, wo zugleich auch für Wohnung für die andern acht sowie für Raum zu Einbringung der Ernte in Kriegszeiten gesorgt war. Zugleich verlegte er die Gauversammlungen, die Gerichte und Festlichkeiten in die Städte. Zur Hebung der Wehrkraft verordnete er, daß dem allgemeinen Aufgebot jeder freie Mann Folge zu leisten habe; sein Hauptaugenmerk aber wandte er auf die Bildung einer kriegsgeübten Reiterei, und diese wurde dadurch fortan der eigentliche Kern des Heerbannes. H. wandte sich mit seiner jungen Kriegsmacht zuerst gegen die Slawen und zwar zunächst gegen die Heveller, deren Hauptstadt Brennabor (Brandenburg) er im Winter 927-928 nahm. Dann unterwarf er die Daleminzier, in deren Gebiet er Meißen gründete, die Wilzen, Lusitzen und Redarier und bewog den Böhmenherzog zur Anerkennung seiner Lehnshoheit. Einen Aufstand der Wenden unterdrückte 929 der Sieg bei Lenzen. Als nun 933 die ungarischen Gesandten erschienen, um den Tribut einzufordern, beschloß H. mit Zustimmung des sächsischen Volkes, die weitere Zahlung zu verweigern. Voll Grimm brachen die Ungarn in zwei großen Heeren durch Franken in Thüringen ein. Beide Heere wurden aber von den Sachsen geschlagen, das größere von H. selbst, das andre bei Riade (Rietheburg) an der Unstrut 15. März so vollständig, daß das Land 22 Jahre lang von diesen Gästen verschont blieb. Im J. 934 führte er einen siegreichen Krieg gegen die Dänen, stellte die Mark Schleswig wieder her und befestigte den deutschen Einfluß im dänischen Reich. Vor seinem Tod ließ er noch seinem Sohn die Nachfolge im Reich zusichern. Er starb 2. Juli 936 in Memleben und wurde in der Schloßkirche zu Quedlinburg beigesetzt. H. ist der eigentliche Begründer des Deutschen Reichs, ein Herrscher voll Kraft und Einsicht, voll Besonnenheit und Klugheit. H. vermählte sich 906 mit Hatheburg, der Tochter eines sächsischen Grafen Erwin, von der er sich nachher trennen mußte, weil sie bereits den Schleier genommen hatte; von ihr hatte er einen Sohn, Thankmar. Die zweite Gemahlin, Mathildis (gest. 968), gebar ihm drei Söhne, Otto (I.), Heinrich (s. Heinrich 10) und Bruno, und zwei Töchter, Gerberga und Hadwig, die später den Herzog Hugo von Francien heiratete. Vgl. Waitz, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter König H. I. (3. Aufl., Leipz. 1885).

2) H. II., Urenkel des vorigen, Sohn Herzog Heinrichs II., des Zänkers, von Bayern, geb. 6. Mai 973, war der letzte Kaiser aus dem sächsischen Fürstenhaus. Er erbte nach seines Vaters Tod 995 das Herzogtum Bayern, begleitete 1001 Otto III. nach Rom, bemächtigte sich, als dieser in Italien starb, der Reichskleinodien und wurde auch trotz heftigen Widerspruchs mehrerer Fürsten, unter denen der Markgraf Eckhard von Meißen und der Herzog Hermann von Schwaben seine Nebenbuhler waren, vornehmlich auf Betreiben des Erzbischofs Willigis 7. Juni 1002 zu Mainz gewählt und gekrönt. Anfangs nur von einigen Stämmen anerkannt, zog H. durch das Reich und nahm nach und nach überall die Huldigung entgegen. Bald aber hatte er gegen seinen Bruder Bruno und drei mit ihm wegen nicht gehaltener Versprechungen unzufriedene Fürsten, den Herzog Boleslaw II. von Böhmen, den Markgrafen Ernst von Österreich und den Markgrafen Heinrich von Schweinfurt, einen schweren Kampf zu bestehen. Kaum waren 1004 diese Gegner besiegt, als H. nach Italien berufen ward, wo der Markgraf Arduin von Ivrea zum König erhoben worden war. H. siegte auch hier und ließ sich zu Pavia die Eiserne Krone aufsetzen; nach blutiger Unterdrückung eines Aufstandes in Pavia huldigten ihm die italienischen Städte. Nach Deutschland zurückgekehrt, vertrieb er den Herzog Boleslaw Chrobry von Polen aus Böhmen, gab dieses Land dem böhmischen Herzogssohn Jaromir zu Lehen, griff Boleslaw in Polen selbst an und zwang ihn im Frieden von Merseburg 1013 zur Anerkennung der deutschen Lehnshoheit, während Boleslaw das Lausitzer und Milzener Land behielt. Eine neue Erhebung der Partei Arduins rief ihn 1013 abermals nach Italien; er zwang auf diesem Feldzug seinen Gegner zur Niederlegung der italienischen Krone. In Rom ließ er sich nebst seiner Gemahlin Kunigunde 14. Febr. 1014 vom Papst Benedikt VIII. zum römischen Kaiser krönen. Nach Deutschland zurückgekehrt, führte er aufs neue Krieg gegen Boleslaw von Polen, wieder ohne erheblichen Erfolg; im Frieden von Bautzen, 30. Jan. 1018, mußte er dem oft bekämpften Gegner die Ostmarken des Reichs überlassen. In Deutschland hatte H. vielfach mit Erhebungen einzelner Fürsten zu ringen. Mit dem kinderlosen Herzog Rudolf III. von Burgund schloß er einen Vertrag, dem gemäß dieses Land, über welches die deutschen Könige schon früher die Lehnshoheit geübt hatten, nach Rudolfs Tod an das Deutsche Reich fallen sollte; ein Versuch, den Besitz schon früher anzutreten, schlug fehl. Einen dritten Kriegszug nach Italien unternahm er 1022, als Papst Benedikt VIII. ihn gegen die Griechen in Unteritalien zu Hilfe rief. H. vereinigte die Truppen der Normannen mit seinem Heer und focht glücklich gegen die Griechen, mußte aber wegen einer Seuche, die in seinem Heer ausbrach, nach Deutschland zurückkehren und starb 13. Juli 1024 in Grona bei Göttingen. H. war ein nicht ungeschickter Krieger, gewann aber als Politiker keine Erfolge. Er wollte die deutsche Kaisermacht im Sinn Ottos I. ausüben, begegnete aber vielfachem Widerspruch und verstand es nicht, denselben zu überwinden, weil er nicht nachhaltig seine Thätigkeit auf einen Punkt konzentrierte. Über die Kirche, deren Besitz er durch große Schenkungen vermehrte, regierte er dagegen mit Energie. Seine Lieblingsidee war die Gründung des Bistums Bamberg gewesen, die er auch endlich durchsetzte. Im 12. Jahrh. verehrte man ihn als einen besonders frommen Mann, erdichtete die Fabel, daß er mit seiner Frau in einer Josephsehe gelebt, und stellte ihn als einen Betbruder dar; Papst Eugen III. sprach ihn 1146 sogar heilig. Diese Tradition ist in neuerer Zeit sehr erschüttert worden. Einzelne neuere Schriftsteller, besonders Gfrörer und Giesebrecht, preisen in