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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Seegras; Seide

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Seegras - Seide

Arsenik vor; Arsenik aber gibt sich dadurch zu erkennen, daß der Rückstand nicht blau bleibt, sondern eine schmutzig gelbgrüne Farbe annimmt. Übergießt man etwas S. mit Salzsäure, so löst sich dasselbe mit gelber Farbe; bringt man in diese, in einer verschlossenen Flasche befindliche Lösung ein Stückchen blankes Kupferblech, so bedeckt sich dieses infolge der Gegenwart von Arsen nach einiger Zeit mit einer schwarzen Kruste. - Zollfrei. Vgl. Anilinfarben.

Seegras (Wasserriemen, frz. goëmoh oder zostére; engl. sea weed; holl. zeegras), die im Handel vorkommenden getrockneten Blätter von Zostera marina, einer zu den Najadeen gehörigen Wasserpflanze, die längs den Küsten der Nord- und Ostsee und andrer nördlicher Gewässer auf seichten sandigen Stellen unter Wasser in großer Menge gesellig wächst und ganze Wasserwiesen bildet. Es hat am Boden kriechende Stengel und zahlreiche 14-18 cm lange grasartig schmale Blätter, im Leben glänzendgrün, getrocknet graubraun und durcheinandergewirrt.

Es bildet im letztern Zustande bekanntlich ein Polstermaterial für Stühle, Sofas und Matratzen, mit Roßhaar natürlich nicht zu vergleichen, aber auch bedeutend wohlfeiler. Zudem hat es den Vorteil, daß sein Seegeruch kein Ungeziefer aufkommen läßt. Außerdem wird es häufig als Material für Emballage gebraucht. Die Seegrasernten bilden in mehreren Küstengegenden einen guten Erwerbs- und Ausfuhrartikel. Man findet dasselbe nach Stürmen oft in großen Massen ans Land geworfen. Die Zubereitung desselben besteht darin, daß man den darunter vorkommenden Blasentang aussondert, das Gras mehrmals wäscht und an der Luft trocknet. Kopenhagen, Hamburg, Lübeck, Stettin liefern es in Ballen von 100-150 Kilo. - Zollfrei.

Seide (frz. soie; engl. silk), der edelste und schönste Webstoff, das Produkt der Seidenraupe, mit welchem diese sich bei der Verpuppung umspinnt. Das Tier und seine Futterpflanze, der Maulbeerbaum, stammen aus Asien und haben sich seit alten Zeiten behufs Seidengewinnung über das südliche und einen Teil des mittlern Europa verbreitet. Außer dem allbekannten Maulbeerspinner (Bombyx Mori) sind in neurer Zeit noch einige andre verwandte Spinnkünstler bekannt geworden, ohne daß einer davon jenem an Wert gleichkäme.

In China soll nach dortigen Chroniken die Kunst des Abhaspelns der S. schon 2700 Jahre v. Chr. bekannt gewesen und von einer Kaiserin erfunden worden sein. In Rom wurden seidene Stoffe, die zu Lande aus China kamen, zuerst unter den römischen Kaisern bekannt; sie waren anfangs natürlich sehr teuer und wurden im eigentlichen Sinne mit Gold aufgewogen. Die chinesischen Seidenstoffe waren aber damals schon durch ganz Asien Handelsartikel und auch der Seidenbau hatte sich schon weiter westwärts, nach Nordindien und Thibet verbreitet. Anfänglich war das Tragen von Seide den Männern in Rom verboten; bald aber trugen alle Reichen Seidenkleider und mit der Zeit wurden die Stoffe dieser Art durch massenhafte Zufuhr so wohlfeil, daß sie zur Zeit des Ammianus Marcellinus (370) von Jedermann, selbst in den untersten Klassen, getragen wurden.

Bis ins 6. Jahrhundert war Europa mit diesem Artikel auf Asien angewiesen; um das Jahr 550 aber kamen die ersten Raupeneier nebst Maulbeerpflanzen nach Konstantinopel, wie die Fabel lautet durch zwei persische Mönche, welche die Eier in hohlen Reisestöcken aus China herausgepascht hätten. Thatsächlich ist die Übersiedelung und die Ausbreitung der Seidenzucht zunächst in Griechenland, besonders im Peloponnes und auf einigen Inseln. In Theben, Korinth und Argos erstanden geschickte Seidenweber und die Versorgung des Abendlandes mit Seidenstoffen ging nun von Griechenland aus. Den Handel damit betrieben die venetianischen Kaufleute.

So blieb der Stand der Dinge bis ins 12. Jahrhundert; im Jahre 1147 ließ Roger, König von Sizilien, in seinem Streite mit dem griechischen Kaiser einen Zerstörungszug nach Griechenland ausführen, der auch die Städte der Seidenfabrikation, Korinth, Theben, Athen, betraf. Zahlreiche Einwohner wurden nach Palermo mitgenommen, durch welche die Seidenzucht und Seidenindustrie nach Sizilien kam. Von dieser Insel verbreiteten dieselben sich weiter über Italien; Venedig, Mailand, Florenz, Lucca u. a. wurden bald durch ihre Seidenzucht und ihre schönen Seidengewebe berühmt. Von Italien wurden Seidenweber 1480 nach Tours, 1520 nach Lyon versetzt, und um letztere Zeit auch die ersten Anfänge der Seidenzucht in Südfrankreich gemacht. Mit den Arabern kamen Zucht und Industrie nach Spanien. -

Der Seidenschmetterling mißt zwischen den ausgebreiteten Flügeln etwa 40-50 mm, erscheint schmutzig weiß, mit einigen lederfarbenen Linien und hat auf jedem Vorderflügel einen undeutlichen halbmondförmigen Fleck. Das Weibchen legt wenigstens 2-300, häufig über 500 bläuliche Eier, technisch Grains genannt. Diese lassen sich im Kühlen, bei einer Temperatur unter 18° C., lange aufbewahren und weit versenden, während sie in einer etwas höheren Temperatur auskriechen. Fünfzig Gramm Grains, das Produkt von 300-360 Schmetterlingen, ergeben 40-60000 kleine schwärzliche Räupchen, die binnen 4-5 Wochen herangewachsen sind, sich währenddem viermal häuten und einen immer stärkern Appetit entwickeln. Über die Details der mühsamen Aufzucht ist hier hinwegzugehen.

Die ausgewachsenen Raupen sind fingerlang, schmutzig weiß und glatt mit einzelnen dunklern Fleckchen und haben auf dem vorletzten Hinterleibsringe ein Horn. Wenn die Zeit der Verpuppung naht, werden die Raupen unruhig; man gibt ihnen nun Gelegenheit, zwischen aufgestelltem Reisig (Spinnhütten) sich einen Platz zum Einspinnen zu suchen. Viele spinnen sich gleich in den Maulbeerzweigen ein, auf welchen sie liegen und fressen. Im Körper der Raupe befinden sich zwei lange Schläuche, gefüllt mit einem gummiartigen Saft. Die ausgewachsene Raupe treibt denselben aus zwei unter dem Munde befindlichen feinen Öffnungen hervor und vereinigt die so entstandenen feinen Fäden sogleich zu einem. Der die Fäden bildende Saft erhärtet an der Luft sehr rasch. Mit dem Faden bildet die