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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vendémiaire; Vendetta; Vendidâd; Véndita; Vendôme

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Vendémiaire - Vendôme.

und der Bretagne, im ganzen ungefähr 20,000 qkm, begriff und sich durch Bodenbeschaffenheit und Lebensart der Bewohner wesentlich vom übrigen Frankreich unterschied, brachte der großen Bewegung der Revolution von 1789 von Anfang an nur geringe Sympathien entgegen: die städtische Bevölkerung war wenig zahlreich, die Bauern waren meist Pachter, daher von den Mißständen der frühern Zeit nicht bedrückt, durch die neuen Gesetze wenig erleichtert, Adel und Geistlichkeit mächtig und einflußreich und durch den Verlust ihrer Vorrechte und die Gesetze über die Kirche tief verletzt, welche letztern auch die Bauern besonders aufreizten. Schon 1791 kam es zu vereinzelten Empörungen. Der Sturz des Königtums und die Hinrichtung Ludwigs XVI. steigerten die Erbitterung, und als 10. März 1793 eine große Rekrutenaushebung stattfinden sollte, wurde an verschiedenen Orten die Fahne der Insurrektion erhoben. Zu St.-Florent wählten die Aufständischen einen Fuhrmann, Cathelineau, in Niederpoitou (Marais) den vormaligen Schiffsleutnant Charette zu ihrem Führer. Bald waren in allen Gegenden Insurgenten-Kolonnen vereinigt, welche die vereinzelten republikanischen Korps glücklich bekämpften. Die mangelnde Kriegsübung ersetzten die Insurgentenführer durch ihre genaue Kenntnis des Landes. Als der Adel sich dem Aufstand anschloß, erlangten die Bauern in ihm, besonders in dem heldenmütigen Henri de Larochejacquelein, tüchtige Führer. Larochejacquelein erfocht 25. Mai 1793 einen glänzenden Sieg bei Fontenay le Comte und eroberte 10. Juni Saumur. Indessen blieb die versprochene Unterstützung von seiten Englands aus, und um sich mehr Hilfsquellen zu eröffnen, unternahm die Armee der Vendéer, zu deren Befehlshaber Cathelineau erwählt wurde, 29. Juni 1793 einen Angriff auf Nantes, der aber unglücklich ausfiel und fast die Auflösung des Insurgentenheers zur Folge hatte; nach Cathelineaus Tod (11. Juli) trat der Baron d'Elbée an dessen Spitze. Unterdessen beschloß der Konvent, zwei große Armeen bei La Rochelle unter Rossignol und bei Brest unter Canclaux zusammenzuziehen und so die Küste zu umschlingen. Auch schickte er die berühmte Garnison von Mainz unter tüchtigen Führern, wie Kléber und Marceau, in die Vendée. Gleichzeitig dekretierte er, daß die Wälder und Weiler der Vendée durch Feuer zerstört, die Mobilien, das Vieh, die Weiber und Kinder ergriffen und ins Innere von Frankreich abgeführt, die Güter der Insurgenten konfisziert und in den benachbarten Provinzen die Landmilizen aufgeboten werden sollten. Gleichwohl behaupteten die Insurgenten, zum Teil infolge des Zwiespalts und der Unfähigkeit der republikanischen Führer und Volksrepräsentanten, das Übergewicht und siegten bei Chantonay und Torfou (5. und 19. Sept.), unterlagen aber bei Cholet (17. Okt.), wo d'Elbée fiel. Um dem durch die Maßregeln des Konvents bewirkten Mangel an Lebensmitteln abzuhelfen, in der Bretagne den Aufstand zu entzünden und dem erwarteten britischen Hilfskorps entgegenzukommen, setzte das Hauptheer der Vendéer, 30,000 Mann stark, auf das nördliche Ufer der Loire über und verband sich mit den Chouans (s. d.), sah sich aber in seinen Erwartungen völlig getäuscht, da weder die Engländer erschienen, noch die Bevölkerung sich ihm in größerer Zahl anschloß. Auf dem Rückzug siegten die Vendéer zwar bei Dol (21. Nov.), verloren aber in den Gefechten bei Le Mans (12. Dez.) 15,000 Mann; ein andrer Heerhaufe ward bei Savenay 23. Dez. 1793 vernichtet, nur ein kleiner Teil unter Larochejacquelein und dem Förster Stofflet entkam nach der Heimat. Die Konventstruppen drangen nun in die Vendée selbst ein, wo sich Charette noch behauptete, und suchten durch einen grausamen Vernichtungskrieg (die Gefangenen wurden sämtlich niedergemetzelt) das Land zu veröden; doch hätten die »höllischen Kolonnen« des Obergenerals Turreau schwerlich den Widerstand besiegt, wäre ihnen nicht, zumal seit Larochejacqueleins Tod (4. März 1794), die Uneinigkeit unter den Royalisten selbst zu Hilfe gekommen. Im Mai ward Turreau abgerufen, seine Nachfolger, namentlich Hoche, schlugen ein milderes System ein, und 2. Dez. 1794 bot eine Proklamation den Vendéern Frieden und Verzeihung an. Am 15. Febr. 1795 schloß hierauf Charette zu La Jaunaye einen Vertrag ab, dem am 20. Mai Stofflet und mehrere andre Führer beitraten, und nach dem die Vendéer die Republik anerkennen und dafür Amnestie, Entschädigung, Befreiung vom Kriegsdienst und kirchliche Freiheit erhalten sollten. Als im Juni 1795 eine britische Flotte das französische Emigrantenheer bei Quiberon ans Land setzte, erklärte Charette in einem Manifest der Republik aufs neue den Krieg. Die Uneinigkeit der Insurgentenführer, der Untergang der Emigrantenexpedition auf Quiberon und die Maßregeln Hoches ließen jedoch die Schilderhebung nicht aufkommen. Charette und Stofflet wurden im Frühjahr 1796 gefangen genommen und erschossen. Eine völlige Unterwerfung der Vendée kam aber erst im Januar und Februar 1800 zu stande, nachdem mehr als 150,000 Menschen umgekommen waren. Während der Hundert Tage 1815 griffen die Vendéer abermals zu den Waffen, wurden aber vom General Lamarque unter Sapinaud und Suzannet geschlagen. Nach der Julirevolution erhob sich ein Teil des Adels der Vendée zu gunsten der alten Dynastie, und im April 1832 begab sich die Herzogin von Berri in das Land, um der beabsichtigten Insurrektion Nachdruck zu geben. In der That brach an verschiedenen Punkten der Aufruhr aus, die Wachsamkeit der Regierung und die Gefangennahme der Herzogin dämpften ihn jedoch bald. Vgl. Beauchamp, Histoire de la guerre de la Vendée et des Chouans (Par. 1807, 4 Bde.); »La guerre des Vendéens et des Chouans contre la république française« (das. 1828-29, 6 Bde.); Bonnemère, Les guerres de la Vendée (das. 1884); Crétineau-Joly, Histoire de la Vendée militaire (5. Aufl., das. 1865, 4 Bde.).

Vendémiaire (franz., spr. wangdemĭähr), Weinlesemonat, der erste Monat im franz. Revolutionskalender, vom 22. Sept. bis 21. Okt. Am 13. 5. des Jahrs IV (5. Okt. 1795) Aufstand der Pariser Sektionen gegen den Konvent.

Vendetta (ital.), Rache; V. gentilizia, oft bloß V., Blutrache (s. d.).

Vendidâd, Teil des Zendavesta (s. d.).

Véndita (ital.), s. Venta.

Vendôme (spr. wangdohm), Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Loir-et-Cher, am Loir, Knotenpunkt der Eisenbahnen Paris-V.-Tours und Blois-Pont de Braye, hat Ruinen des alten Herzogsschlosses, eine Kirche mit Turm aus dem 12. Jahrh., einen Gerichtshof, ein Lyceum, eine öffentliche Bibliothek, Spargelbau, Fabrikation von Handschuhen, Papier etc. und (1886) 7038 Einw. Die Umgegend bildete ehemals das Herzogtum Vendômois. Bei V. fanden 15. Dez. 1870 und 6. Jan. 1871 Gefechte zwischen Deutschen und Franzosen statt. Vgl. Pétigny, Histoire archéologique du Vendômois (2. Aufl., Vendôme 1882).