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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dänemark

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Dänemark (Finanzen, Geschichte).

sich der Wert der Einfuhr auf 250,7 Mill., derjenige der Ausfuhr auf 187,8 Mill. Kr. In ausländischer Schiffahrt liefen ein und aus 48,386 Schiffe mit einer Warenmenge von 2,2 Mill. Registertonnen, in inländischer Schiffahrt 43,611 Schiffe mit 0,8 Mill. Registertonnen. Anfang 1888 zählte die Handelsflotte 2877 Segelschiffe von 127,127 Registertonnen und 281 Dampfschiffe von 89,915 Registertonnen.

Die Einnahmen des dänischen Staats betrugen im Zeitraum 1882/83-1886/87 durchschnittlich jährlich 52,8 Mill. Kr., die Ausgaben 44,2 Mill.; im J. 1887/88: 54,3 Mill., resp. 59,9 Mill. Kr., von diesen letzten waren 26 Mill. Militärausgaben. Im Finanzjahr 1888/89 beliefen sich die Einnahmen auf 55,9 Mill., die Ausgaben auf 60,2 Mill. Kr., darunter außerordentliche 12,5 Mill. Kr. (für die Befestigung Kopenhagens, die Flotte etc.). Die Forderungen für militärische Zwecke bilden eine der wesentlichsten Ursachen des jetzigen abnormen Zustandes im Staatsleben (seit l885 ist kein vom Reichstag bewilligtes Budget erschienen); namentlich ist das Folkething gegen die Befestigung Kopenhagens, die Regierung hat indessen verschiedene Fortifikationen vorgenommen, welche die Stadt vor einem plötzlichen Überfall schützen sollen. Neuerdings hat man in Kopenhagen mit Neubauten für die polytechnische Lehranstalt, ein neues Kunstmuseum etc. begonnen. Ferner werden die Freilager vergrößert und die Einrichtung eines Freihafens eifrig diskutiert. In der letzten Reichstagssession wurden die Mittel zu mehreren neuen Eisenbahnlinien in Jütland und Seeland bewilligt. Die Staatsschuld Dänemarks, welche im März 1887 zu 3½ Proz. konvertiert wurde, beträgt 31. März 1888: 193 Mill. Kr.

(Geschichte.) Die Lage in D. blieb seit 1885 im wesentlichen unverändert dieselbe: das Folkething weigerte sich, die Befestigung von Kopenhagen zu genehmigen, das Ministerium Estrup behauptete, gestützt auf den König und das Landsthing, seinen Posten. Nun schärfte sich der Gegensatz mehr und mehr zu einem Kampf um die Herrschaft im Staat, um die Frage, ob in D. die Verfassung eine konstitutionelle oder eine parlamentarische Regierung vorschreibe.

Dies letztere anzuerkennen und das Ministerium Estrup zu entlassen, weil die Mehrheit des Folkethings es forderte, dazu wollte sich König Christian IX. unter keinen Umständen verstehen, während die Linke des Folkethings den dahin gehenden Bescheid des Königs und den Erlaß des provisorischen Finanzgesetzes (1. April 1885) als Vergewaltigung und Verfassungsbruch bezeichnete. Nach der Wiedereröffnung des Reichstags (5. Okt.) beschloß das Folkething sofort 12. Okt. mit 79 gegen 17 Stimmen, das vorläufige Finanzgesetz vom 1. April nicht anzuerkennen und deshalb schlechtweg abzulehnen, worauf die Minister sämtlich den Sitzungssaal verließen; der Abgeordnete Pingel nannte sie deswegen 16. Okt. "Diebe und Einbrecher", ohne daß der Präsident Berg den Redner zur Ordnung gerufen hätte. Am 21. Okt. feuerte ein junger Mensch, Namens Rasmussen, in Kopenhagen zwei Schüsse auf den Ministerpräsidenten Estrup ab, ohne jedoch zu treffen. Die Regierung sah in diesem Attentat einen Antrieb, ihre Macht zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit zu verstärken. Nachdem sie den Reichstag auf zwei Monate vertagt hatte, erließ sie 27. Okt. ein vorläufiges Gendarmeriegesetz, durch welches die Zahl der Gendarmen auf dem Land erheblich vermehrt und die Gendarmerie militärisch organisiert wurde, und 2. Nov. eine zeitweilige Ergänzung des Strafgesetzbuchs behufs vernünftiger Beschränkung der Rede- und Preßfreiheit; die Riffelvereine, welche sich zu Schützenvereinen mit politischer Farbe herausgebildet hatten, waren schon im Mai verboten worden. Um dem Budgetstreit ein Ende zu machen, schlug Estrup dem im Dezember wieder zusammentretenden Reichstag die Annahme eines Zusatzes zur Verfassung vor, wonach, wenn Lands- und Folkething sich über das Budget nicht haben einigen können, jedes Haus zehn Mitglieder wählen und diese als gemeinschaftlicher Ausschuß die streitigen Punkte beraten und in geheimer Abstimmung entscheiden sollen, so daß der von der Mehrheit gefällte Ausspruch sofort Gesetzeskraft erhält. Indes das Folkething war zur Versöhnung nicht geneigt, lehnte den Estrupschen Vorschlag ein für allemal ab und unterließ es sogar, den König zu Neujahr 1886 zu beglückwünschen. Die Regierung ihrerseits erhob gegen Abgeordnete wegen Gesetzesverletzung Anklage: ein Schullehrer, Ravn, wurde wegen Beleidigung des Königs zu 3 Monaten, Berg selbst wegen Widersetzlichkeit gegen die Polizei zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt und mußte die Strafe sofort verbüßen. Als das Folkething Anfang 1886 wiederum alle Vorlagen der Regierung, das vorläufige Riffelgesetz, ein Gesetz zur Abstellung der Arbeitslosigkeit u. a., endlich auch das Finanzgesetz von 1885/86 und die Budgetvorlage für 1886/87, verwarf, ermächtigte eine königliche Resolution das Ministerium zur Bestreitung der laufenden Ausgaben. Als die Mehrheit des Folkethings dagegen als einen Verfassungsbruch protestierte, wurde der Reichstag 8. Febr. 1886 geschlossen und darauf zum 1. April wieder ein vorläufiges Finanzgesetz verkündigt. Während des Sommers erließ die Regierung ein vorläufiges Preßgesetz (13. Aug.), welches die Verantwortlichkeit der Redaktion einer Zeitung verschärfte.

Da infolge des Verfassungskonflikts nicht nur die ganze Gesetzgebung stockte, sondern auch die materielle und geistige Entwickelung des Landes geschädigt wurde, so war ein Teil der Linken unter Führung des Grafen Holstein-Ledreborg zu einer Verständigung mit der Regierung geneigt, falls dieselbe das verfassungsmäßige Recht der Kammer achte und auf die provisorischen Finanzgesetze verzichte; man war bereit, die sogen. Verwelkungspolitik, d. h. die sofortige Ablehnung aller Regierungsvorlagen, fallen zu lassen und in eine sachliche Beratung derselben einzutreten. Berg wollte freilich von einer Verständigung nichts wissen. Indes die Regierung wollte von ihrem vom Folkething hauptsächlich bekämpften Plan der Land- und Seebefestigung Kopenhagens, welche inzwischen, unterstützt durch freiwillige Beiträge, schon begonnen worden, nicht ablassen und legte im Oktober 1886 dem Landsthing eine Gesetzvorlage hierüber vor; das Landsthing war bereit, 54 Mill. hierfür zu bewilligen. Die Mehrheit des Folkethings lehnte jedoch alle in das Budget für die Landesverteidigung eingestellten Summen ab, und da die Sitzungsperiode desselben abgelaufen war, so wurde es 8. Jan. 1887 aufgelöst, noch ehe das Budget für 1887/88 erledigt war. Bei den Neuwahlen (28. Jan. 1887) gewann die Rechte in Kopenhagen drei Sitze; die Provinzen wählten aber Mitglieder der Opposition, so daß die bisherige Mehrheit des Folkethings unverändert blieb. Dieselbe wählte nach dem Rücktritt Bergs Högsbro zum Präsidenten, strich aber wieder die 5 Mill. für die Landesverteidigung im Budget, welche das Landsthing herstellte, so daß wiederum kein verfassungsmäßiges Finanzgesetz bis zum 1. April zu stande kam und ein provisorisches erlassen werden mußte. Als