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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Äoline - Äolos.

nis geschlossen, zu welchem eine Zeitlang auch das mächtige Smyrna gehörte, welches später dem Ionischen Bund beitrat. Bis auf Krösos' Zeit waren die Ä. frei, unter diesem mußten sie Lydiens, darauf Persiens Oberhoheit anerkennen. Die Perserkriege gaben ihnen ihre Freiheit zurück, aber der Friede des Antalkidas (387 v. Chr.) brachte sie von neuem unter persische Herrschaft. Nach Alexanders d. Gr. Tod kamen sie unter syrische Gewalt. Die Römer gestatteten ihnen nach dem Sturz der syrischen Macht eine scheinbare Unabhängigkeit, bis Sulla Äolien, weil es mit Mithridates verbündet gewesen, zur römischen Provinz Asien schlug. Der äolische Dialekt hat kein fest begrenztes Sprachgebiet und keinen scharf ausgeprägten Charakter. Er bezeichnet mehr eine ältere Periode der griechischen Sprachentwickelung, die gemeinschaftliche Grundlage aller mundartlichen Verschiedenheiten; in den grammatischen Formen hat er vielfach das Ursprüngliche erhalten und in den Vokalen große Ähnlichkeit mit den italischen Dialekten. Erklärlich ist nach obigem, daß die äolische Litteratur keinen Reichtum bietet. Am meisten treten noch die Lesbier hervor. Unter ihnen pflegten Sappho, Alkäos und die selten genannte Erinna die leidenschaftlich bewegte melische Poesie. Nur metrisch bezeichnen die Ä. eine Epoche (vgl. Sapphischer Vers, Alkäischer Vers).

Äoline, Äolodion, Äolodikon, Klaväoline, Namen für ältere, unserm heutigen Harmonium ähnliche Tasteninstrumente (frei schwingende Zungen ohne Aufsätze). Das älteste derartige Instrument konstruierte Eschenbach, Türmer an der Michaeliskirche zu Hamburg (um 1800). Als Namen für Orgelstimmen bezeichnen sie Register ähnlicher Konstruktion, die daher einen sehr zarten Klang haben und besonders für Echowerke zur Anwendung kommen.

Äolipile (Aeoli pila, Äolusball), ein von Heron von Alexandria in seiner Schrift "Pneumatica" oder "Spiritualia" um 120 v. Chr. beschriebener Apparat, der älteste, durch welchen mittels der Kraft des Dampfes eine kontinuierliche und noch dazu eine direkt rotierende Bewegung erzielt wird. Diese Ä. (Fig. 1) war eine hohle Metallkugel, die sich zwischen zwei Zapfen drehen konnte und eine oder mehrere diametral auslaufende Röhren hatte. Die Röhren waren an ihren Enden verschlossen, aber nahe denselben mit einer Seitenöffnung versehen, deren Achse horizontal gerichtet war, und deren Ebene mit der Umdrehungsachse des Apparats zusammenfiel. Wurde diese Kugel, teilweise mit Wasser gefüllt, über ein Feuer gebracht, so bewirkte die Reaktion des mit Heftigkeit aus den Seitenöffnungen horizontal ausströmenden Dampfes, daß sie mehr oder minder geschwind, je nach der Spannung und Quantität des Dampfes, sich drehte. Die horizontale Drehung kann durch einige Zahnräder sehr leicht in die vertikale umgesetzt und auf ein paar Räder übertragen werden, auf welchen das Gerüst der verschiedenen Teile ruht. Man erhält dadurch eine höchst einfach konstruierte Lokomotive, die sich mit ziemlicher Geschwindigkeit bewegt. Im Prinzip stimmt die Ä. mit den Reaktionswasserrädern (s. Turbine) überein; sie eignet sich jedoch nicht für die praktische Anwendung, da sie zu schwerfällig werden würde, wenn sie einigermaßen beträchtliche Quantitäten Wasser enthalten sollte. Überdies läßt sich die Dampfkraft nur zum geringsten Teil ausbeuten, wenn sie durch Reaktion wirkt. Ein Körper nimmt die lebendige Kraft einer ausströmenden Flüssigkeit nur dann vollständig durch Reaktion auf, wenn er sich in entgegengesetzter Richtung mit gleicher Geschwindigkeit bewegt, so daß also dadurch die wirkliche Geschwindigkeit der Flüssigkeit gleich Null wird. Nun ist aber die Geschwindigkeit, mit welcher der Dampf aus einem Kessel in die freie Luft entströmt, eine ganz ausnehmend große, und kein Bewegungsmechanismus würde auch nur annähernd dieselbe erreichen können. Daher kommt es, daß der aus der Reaktionsröhre der Ä. strömende Dampf noch den größten Teil seiner lebendigen Kraft besitzt; an eine durch Expansionswirkung gewonnene Mehrleistung des Dampfes läßt sich dabei gar nicht denken.

Ä. heißt auch eine Gebläse- oder Lötrohrlampe, bei welcher ausströmender Spiritusdampf eine lange und heiße Flamme gibt. Dieser Apparat (Fig. 2) besteht aus einer gewöhnlichen Spirituslampe mit massivem Docht, über welcher auf einem einfachen Gestell ein metallenes Gefäß angebracht ist. Ein Metallrohr geht von der obern Wandung dieses sonst allseitig geschlossenen Gefäßes aus und biegt sich so nach der Flamme hin, daß es dieselbe in horizontaler Richtung trifft. Füllt man nun etwas Spiritus in das Gefäß und zündet die Lampe an, so wird der erzeugte Spiritusdampf alsbald mit großer Heftigkeit ausströmen und einen großen horizontalen Flammenkegel geben, in welchem Glas schnell erweicht und Schmelzungen, Glühungen etc. leicht ausgeführt werden können.

^[Abb.: Fig. 1. Herons Äolipile.]

^[Abb.: Fig. 2. Äolipile-Gebläselampe.]

Äolische Inseln, s. v. w. Liparische Inseln.

Äolischer Vers, antiker Vers mit choriambischem Rhythmus, wie ihn die äolischen Lyriker besonders liebten; z. B. der choriambische Dimeter mit Anakrusis und überzähliger mittelzeitiger Silbe am Schluß. ^ =|-vv-|-vv-|= ^ (z. B. Ostelliferi conditor orbis). Hierher gehören auch der Glykoneus und Pherekrateus (s. d.).

Äolische Tonleiter, s. Kirchentöne und Griechische Musik.

Äolklavier, s. Anemochord.

Äolodion (Äolodikon, griech.), s. Äoline.

Äolos, mythischer Stammvater des griech. Stammes der Äolier, Sohn des Hellen, Enkel des Deukalion, Bruder des Doros und Xuthos, Gemahl der Enarete, mit der er sieben Söhne, die Gründer äolischer Städte in Thessalien (s. Äolier), und fünf Töchter zeugte. Der Name des A. selbst ist durch Verwirrung in den Genealogien zu einem ziemlich unbestimmten geworden und vielfach in Mythen verflochten. Nach Diodor sandte Ä. II., Urenkel von Ä. I., seine gefallene Tochter Arne (nach andern Melanippe) nach Metapont; Streit und Totschlag ließen die hier gebornen Zwillinge nicht bleiben. A. III.