Abessinien, auch Abyssinien, vor dem 17. Jahrh.
Abassia, Abissinia (von arab. Habesch), wird in Europa als geogr. Name für
das Ländergebiet gebraucht, welches südöstlich von Nubien, zwischen dem Roten Meere, dem Strombetten des Bahr el-Asrak (Blauen Nils) und dem
Flusse Hawasch (im SO.), nach dem Innern zu sich erstreckt und im allgemeinen den Teil von Ostafrika umfaßt, der zwischen 16 und 6° nördl. Br. und
36 und 43° östl. L. (von Greenwich) liegt, somit etwa mit den Grenzen des alten äthiop. Reichs (s. Äthiopien) zusammenfällt.
Hauptkörper dieses Ländergebietes ist das Abessinische Reich.
(S. Karte: Ägypten.)
Bodengestaltung. A. bildet den nördl. Teil der mächtigen Hochplatte, die ganz Ostafrika zwischen dem Nilbecken
und den Küsten des Roten Meers und des Golfs von Aden erfüllt und im S. mit der Vulkanreihe des Kilima-Ndscharo und Kenia beginnt. Die Ausdehnung
A.s beträgt 508000, nach anderer Berechnung 444188 qkm, und zwar kommen auf das Abessinische Hochland nördlich vom Abai 178336 qkm, auf Schoa
(innerhalb des Hochlandes) 74668 qkm und auf das südabessin. Hochland bis Kaffa 191184 qkm. Das gewaltige Hochplateau steigt von W. her allmählich,
teilweise in ausgedehnten Terrassen auf, stürzt nach O. hin mit hohem Steilrande plötzlich zu den niedrigen Hügellandschaften der Samhara und der
Adalländer ab und wird in seinem Innern durch zahlreiche, ungewöhnlich tief (bis zu 1200 m und mehr) eingefurchte und gewundene Stromthäler in eine
große Anzahl Hochflächen inselartig zergliedert. Dieselben sind häufig grasreich, bisweilen völlig baumlos und erheben sich von N. nach S. und von W.
nach O. ansteigend zu durchschnittlich 2000 m Höhe. Das Hochland beginnt im N. mit den Hochlandschaften der Habab, Mensa, Bogo, Marea und Baraka
(an 1250 m über der Thalsohle des Anseba). Daran schließen sich im nördl. Tigre Plateaus von ungefähr 1900 m Höhe, sowie weiter südlich, jenseit des
Mareb, das eigentliche Plateau von Tigre, auf dem Adua (1960 m) und das alte Arum (2100 m) liegen. Die durchschnittliche Höhe von 1900 m setzt sich
fort in den Hochlandschaften von Temben und Enderta und dem westl. Ambara. Den eigentlichen Kern der ganzen Gebirgsregion bildet jedoch das
Becken des Tanasees mit den Plateaulandschaften von Lasta und Simen (Semien), 2000–3000 m hoch, die Hochebene Wogera, bis 2500 m hoch, und
weiter südlich die Hochlandschaften Godscham und Schoa, bis 2650 m hoch, während die Hochlandschaften im S. des Abai, wie Enarea, Kaffa und
Gurage nur 2200 m Höhe erreichen. In allen diesen Hochebenen erheben sich unzählige einzelne Felsmassen mit kahlen, senkrechten Wänden, in der
Form von Pyramiden, Pfeilern und Tafelbergen, «Amba» genannt, oft kaum zugänglich, bisweilen auf der Oberfläche ↔ ziemlich
ausgedehnt, wohl bewässert und mit reicher Vegetation bedeckt. Außerdem türmen sich über den Hochflächen Berggipfel in Form runder, domartiger
Massen, geneigter oder umgestürzter Kegel, sowie Basalte in Gestalt von ungeheuern Orgeln. Mehrfach gruppieren sich diese meist trachytischen und
basaltischen Massen zu ansehnlichen, wie es scheint, isolierten Gebirgen, deren Gipfel über die Schneegrenze sich erheben. Durchaus alpinen Charakter
trägt das ausgedehnte Simengebirge auf dem gleichnamigen Plateau, in dem sich der Boabit oder Babit 4485 m, Selke 4250 m, Abba-Jared 4563 m und
der Ras Daschan bis 4620 m, höchster Gipfel in A., erheben. Über dieses Gebirge führen aus Tigre nach Ambara die Pässe von Selke in 3768 m und der
von Sawana in 2890 m Höhe, während auf dem sich südwestlich anlehnenden Hochlande von Wogera die Straße von Adua nach Gondar über den 2600 m
hohen Lamalmonpaß führt. Im S. der im Mittel 2100 m hohen centralen Plateaulandschaft, in deren Mitte der Tanasee (1755 m) liegt, befinden sich
gleichfalls hohe Gebirgsstöcke; so auf dem Plateau von Godscham das Tschokgebirge (4150 m), im südl. Amhara der Gunaberg (4280 m) und auf dem
Plateau von Schoa der Kolloberg (4300 m). Den Osten des abessin. Hochlandes, dessen Plateaus bis 3240 m Höhe erreichen, krönt eine von N. nach S.
gestreckte, nur durch wenige Pässe durchbrochene Randkette mit 2600–4100 m hohen Gipfeln. Dieselbe fällt jäh nach der Sambara, der Taltaldepression
und weiter südlich nach der weiten, waldreichen Thalsenkung des Hawasch ab, die von jeher eine natürliche Grenze gegen die Adalländer gebildet hat.
Infolge des terrassenförmigen Aufbaues des abessin. Hochlandes im W. und der tiefen Durchbruchsthäler aller nach W. fließenden abessin. Ströme ist
von W. her ein leichteres Eindringen in das Land ermöglicht. – A. verdankt sein eigentümliches Gepräge einer großartigen vulkanischen Thätigkeit der
spätern Tertiärzeit, nur die Plateaus in Tigre bestehen vorherrschend aus Sandsteinschiefern und darübergelagerten kalkigen Bildungen. In Schoa
herrschen trachytische Gesteine vor, durchbrochen und überdeckt von Basalten. Letztere nehmen auch an der Bildung im nördl. und westl. Amhara
wesentlichen Anteil, besonders an dem Plateau von Wogera und dem Simengebirge, das ganz aus basaltischen Gesteinen besteht. Diese vulkanischen
Bildungen zeigen keine Spur von Kraterbildung und Lavaströmen; dagegen finden sich in den Gebieten rings um dieselben, namentlich an den Küsten
des Roten Meers, Vulkankegel und Lavaströme. Gegenwärtig ist die einst großartige vulkanische Thätigkeit erloschen bis auf die Thermen im Innern und
seltene Ausbrüche an den Küsten des Roten Meers (Vulkan von Edd). – Das centrale Plateau des Landes umzieht im N. und NW., bis 15° nördl. Br.,
wahrscheinlich aber auch im SW. und S., eine sumpfige, ungesunde, mit den dichtesten Urwaldungen bedeckte und von Elefanten, Raubtieren und
Reptilien erfüllte, aber ebendeshalb nur schwach besiedelte Zone, genannt Qolla (d. i. heißes Land), die, sechs bis sieben Tagereisen breit, sich zu den
wasserreichen Landschaften Walkait und Waldubba herabsenkt. Ganz verschieden davon sind in ihrer Natur die im NO. und O. vorliegenden
Landschaften. An den Fuß des östl. Randgebirges lehnen sich im S. die heißen, einförmigen, wasser- und pflanzenarmen Ebenen der
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 36.