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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Abbau; Abbau (Bergbau); Abbau (Hofstelle); Abbaumen; Abbazia; Abbé; Abbé***; Ausbau

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Abbau – Abbé

Abbau organischer Verbindungen, die allmähliche systematische Zersetzung einer kompliziertern organischen Verbindung in immer einfachere. Der A. lehrt zusammen mit dem umgekehrten Verfahren, dem synthetischen Aufbau, die Struktur (s. d.) der Verbindungen kennen und gehört deshalb zu den wichtigsten Hilfsmitteln der wissenschaftlichen Chemie. Der A. des Weingeistes, C2H5·OH, z.B. kann in folgender Weise stattfinden: Durch Oxydation desselben ersetzt man zwei Atome Wasserstoff des Radikals durch ein Sauerstoffatom und erhält Essigsäure, C2H3O·OH, deren Ammoniumsalz, C2H3O·O·NH4, bei der Behandlung mit Ätzkalilösung und Brom in Methylamin, CH3·NH2, und kohlensaures Salz gespalten wird. Damit ist wahrscheinlich gemacht, daß in dem Radikal der Essigsäure die Methylgruppe vorhanden ist: CH3·CO·OH, und daß sie auch im Äthylalkohol, CH3·CH2·OH, vorkommt. Der sichere Nachweis aber für diese Konstitution des letztern ergiebt sich aus seiner Synthese auf folgendem Wege:

Methylalkohol wird durch Jodwasserstoff in Methyljodür:
CH3·OH+HJ=CH3J+H2O,
dieses durch Kochen mit einer alkoholischen Lösung von Cyankalium in Methylcyanür verwandelt:
CH3J+KCN=KJ+CH3·CN,
das beim Kochen mit Kalilauge essigsaures Kalium neben Ammoniak,
CH3·CN+KOH+H2O=CH3·CO·OK+NH3,
bei der Behandlung mit nascierendem Wasserstoff aber Äthylamin liefert,
CH3·CN+4H=CH3·CH2·NH2;
letzteres aber wird bei Behandlung mit salpetriger Säure zu Äthylalkohol:
CH3·CH2·NH2+NO·OH=H2O+N2+CH3·CH2·OH.

Abbau oder Verbau, im Bergbau die Art und Weise, wie Erze, Kohlen, Salz u.s.w. aus ihren Lagerstätten gewonnen werden (s. Bergbau).

Abbau und Ausbau, die Verlegung der Hofstelle eines Bauern aus dem Dorfe auf die Feldmark, eine Maßnahme, die man vielfach mit der Gemeinheitsteilung (s. d.) und mit der wirtschaftlichen Zusammenlegung (s. d.) der Grundstücke verknüpft hat. Einzelne Besitzer werden in diesem Falle gegen Schadloshaltuug veranlaßt, ihre bisherige Hofstätte aufzugeben und auf dem ihnen zugewiesenen geschlossenen Besitztum neue Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu errichten. Solcher Ausbau ist in der That das durchgreifendste und oft das einzige Mittel, um den Beteiligten eine wirtschaftlich zweckmäßige Lage ihrer Grundstücke zu verschaffen. Der abgebaute Besitzer erfreut sich aller Vorteile des Hofsystems (s. d.). Die Nachteile, die mit dem Ausbau verbunden sein können: Erschwerung des Schul- und Kirchenbesuchs, der Polizeiverwaltung, der Bekämpfung von Feuersbrünsten, fallen gegenüber den Vorzügen selten stark ins Gewicht.

Die ersten bekannten Abbauten kamen im 16. Jahrh. im Hochstift Kempten vor. Sie wurden dort Vereinödungen genannt und beruhten zunächst auf freiwilligen Vereinbarungen aller Beteiligten. Gesetzlich 1791, und zwar unter Zulassung eines Zwanges geregelt, haben im 19. Jahrh. noch zahlreiche weitere Ausbauten im Algäu stattgefunden. Auch die eingreifende preuß. Gemeinheitsteilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821 läßt den Ausbau als Zwangsmaßregel unter der Voraussetzung zu, daß der vierte Teil der Beteiligten ihn verlangt und der Betroffene nicht bereit ist, die ihm anzuweisenden ↔ Ländereien anzunehmen. In größerer Ausdehnung hat man Abbauten namentlich in den Provinzen Posen und Westpreußen vorgenommen. Man hat dort vielfach nicht nur einzelne Höfe, sondern ganze Dörfer auf ihre neuen Plananlagen ausgebaut. Übrigens fehlen die Bestimmungen über zwangsweisen Abbau in dem preuß. Zusammenlegungsgesetz für das Gebiet des rhein. Rechts. Außerhalb Deutschlands sind Abbauten in Dänemark und in umfassendstem Maße in Schweden, bei Gelegenheit der Gemeinheitsteilungen seit Ende des 18. Jahrh., vorgenommen worden. – Vgl. Ditz, Geschichte der Vereinödung im Hochstift Kempten (Kempten 1865); Klebs, Die Landeskulturgesetzgebung in Posen (Berl. 1856); Schlitte, Die Zusammenlegung der Grundstücke (Lpz. 1886); Knapp, Die Bauernbefreiung (ebd. 1887).

Abbaumen, in der Jägersprache Bezeichnung des Herunterkletterns der Raubtiere und des Wegfliegens größern Federwilds von Bäumen.

Abbazīa, Kurort in der österr. Bezirkshauptmannschaft und dem Gerichtsbezirk Volosca, zur Gemeinde Volosca gehörig, am Quarnero und an der Linie St. Peter-Fiume (Bahnhof Mattuglie-A. 5 km entfernt) der Österr. Südbahn, hat (1890) 1192 kroat. E. Mit Fiume besteht Dampferverbindung. Die geschützte Lage am Abhang des Monte-Maggiore (1396 m) und an der See, schöne Gartenanlagen, haben es zu einem rasch emporblühenden Sommer- und Winterkurort gemacht. Die alte Abtei (daher der Name A.) San Giacomo della Priluca ist zu einer Villa umgebaut und 1888 ein Kurhaus für Offiziere errichtet. - Vgl. P. von Radics, Abbazia (Wien 1884): Szemere, Der See- und klimatische Winterkurort A. (Stuttg. 1885); Schweiger-Lerchenfeld, Abbazia (Wien 1883); Glax und Schwarz, Winterkurort und Seebad A. (ebd. 1891).

Abbé (frz.), Geistlicher ohne bestimmtes Amt, ursprünglich mit Abt (s. d.) gleichbedeutend. Seitdem infolge einer Vereinbarung zwischen Leo X. und Franz I. (1516) den Königen von Frankreich das Recht zustand, für 225 Abteien Abbés commendataires, d.h. Äbte, denen die Einkünfte, aber nicht die Verrichtungen der betreffenden Ämter übertragen werden (s. Kommende), zu ernennen, widmeten sich viele junge Männer, zum Teil jüngere Söhne aus Adelsgeschlechtern, dem geistlichen Stande, um solche einträgliche, arbeitslose Stellen zu erlangen. Man nannte nun auch diese amtlosen Geistlichen A., und schon im 16. Jahrh. wurde der Titel für alle jungen Geistlichen gebräuchlich, gleichviel ob sie die Weihen schon erhalten hatten oder nicht. Da von ihnen nur wenige wirklich eine Abtei erlangen konnten, suchten viele ihren Unterhalt als Schriftsteller, Lehrer an höhern Schulen, und namentlich als Hauslehrer und Gewissensräte in vornehmen Familien. Wegen ihrer oft bedenklichen Wirksamkeit in solchen Vertrauensstellungen spielen die A. im ältern franz. Lustspiel eine nicht sehr erbauliche Rolle. Ihre Tracht bestand in einem kurzen schwarzen oder dunkelvioletten Gewande mit kleinem Kragen, das Haar war in eine runde Locke geformt. Erst mit der Revolution verschwanden die A. aus der Gesellschaft. Jetzt wird der Titel als höfliche Anrede an junge Geistliche gebraucht. (S. auch Abate.)

Abbé*** (Abbé trois étoiles, spr. abbeh trŏas etŏal), Pseudonym, unter welchem die von 1863 ab erschienenen und viel gelesenen antiklerikalen Romane «Le Maudit», «La Religieuse», «Le Moine», «Le Jésuite» u.s.w. erschienen sind. Sie wurden von den

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 19.