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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Abrahamiten; Abrahamīten; Abrahams Schoß; Abrahamsstrauch; Abrakadabra; Abram; Abrantes; Abrasion; Abraum; Abraumsalze

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Abrahamiten - Abraumsalze

1666 Priester und Dr. theol., dann Prediger in Maria Stern bei dem als Wallfahrtsort berühmten Tara unweit Augsburg, kam 1668 wieder nach Wien und wurde von Leopold Ⅰ. 1677 zum Hofprediger ernannt, nachdem er 1682‒89 als Sonntagsprediger im Kloster zu Münzengraben in Graz gewirkt hatte, kehrte er nach Wien zurück, wo er durch seine burleske Kanzelberedsamkeit der Lieblingsprediger war. Sein Orden wählte ihn 1680 zum Prior, 1690 zum Provinzial. Er starb allverehrt 1. Dez. 1709 zu Wien. Eine treffliche Nachbildung seiner Redeweise giebt die Kapuzinerpredigt in Schillers «Wallensteins Lager». A.s umfänglichstes und bedeutendstes Werk ist «Judas der Ertz-Schelm, für ehrliche Leuth, oder eigentlicher Entwurff und Lebens-Beschreibung dess ischariotischen Bösewicht» (4 Tle., Salzb. 1686‒95; neu gedr. Lindau 1873; Auswahl von Bobertag, «Deutsche Nationallitteratur», Bd. 40, Stuttg. 1883). In diesem Werke sind an der apokryphen Lebensbeschreibung des Judas satir. Zeitpredigten und belehrend erbauliche Betrachtungen aufgereiht (vgl. Mareta, Über Judas der Erzschelm von A., Wien 1875). Von A.s übrigen Schriften sind hervorzuheben: «Merks Wien, das ist des wütenden Todes (der Wiener Pest von 1679) umständige Beschreibung» (Wien 1680; bearbeitet von Ebner in «Reclams Universalbibliothek», Nr. 1949‒50), «Auf, auf ihr Christen, das ist eine bewegliche Anfrischung der christl. Waffen wider den türk. Blutegel» (Wien 1683; Neudruck ebd. 1883), «Gack Gack Gack Gack a Ga» einer wunderseltzamen Hennen in dem Herzogthum Bayrn, das ist eine ausführliche und umständige Beschreibung der berühmten Wallfahrt Maria Stern in Tara» (Münch. 1685 u. ö.), «Sterben und Erben», «Etwas für Alle», «Heilsames Gemisch-Gemasch», «Hui und Pfui der Welt», «Ganz neu ausgehecktes Narrennest», «Geistlicher Kramerladen», «Wolangefüllter Weinkeller, in welchem manche durstige Seel sich mit einem geistigen Gesegn-Gott erquicken kann» (Würzb. 1710 u. ö.). A. ist litterargeschichtlich als Ausläufer der volkstümlich moralisierenden Satire zu betrachten, die schließlich dem Bunde des gelehrt-humanistischen und des französierenden Schrifttums erlag. Er war trotz mönchischem Anstrich und röm.-kath. Gläubigkeit von klerikaler Einseitigkeit fast ganz frei. Die Sprache beherrscht er in seinen mit scharfer Beobachtungsgabe und viel Witz verfaßten Schriften vorzüglich. Mit Hilfe des Burlesken und Grotesken, das häufig ins Geschmacklose ausartet, sucht er sittlichen und religiösen Einfluß zu üben. A.s «Sämtliche Werke» erschienen zu Passau und Lindau 1836‒74 (21 Bde.); Auswahlen zu Heilbronn («A. Das Gediegenste aus seinen Werken», 7 Bde., 1840‒44) und zu Wien («Auserlesene Werke», 2 Bde., 1846). – Vgl. Karajan, A. a S. C. (Wien 1867); Scherer, Vorträge und Aufsätze (Berl. 1874).

Abrahamīten, syrische Sekte im 9. Jahrh., genannt nach Abraham aus Antiochia, die die Gottheit Christi leugnete; auch eine Sekte (böhmische Deisten), die 1782 in der Pardubitzer Herrschaft in Böhmen hervortrat, als das Toleranzedikt Josephs Ⅱ. allen Religionsparteien Duldung verhieß. Sie bekannten den «göttlichen Glauben» Abrahams vor Einführung der Beschneidung. Aus dem Alten Testament nahmen sie die Zehn Gebote an, aus dem Neuen das Vaterunser, verwarfen die Lehre von der Dreieinigkeit und der Menschwerdung des Sohnes Gottes, ebenso Taufe und Beschneidung. Da sie keiner der anerkannten Religionsgemeinschaften angehören wollten, ließ sie der Kaiser 1783 aus ihrer Heimat fortführen und in die Grenzbataillone Ungarns, Siebenbürgens und Slawoniens einreihen. – Vgl. P. A. Winkopp, Geschichte der Böhmischen Deïsten (Lpz. 1785); Dohm, Denkwürdigkeiten meiner Zeit (2 Bde., Lemgo 1815).

Abrahams Schoß, s. Limbus.

Abrahamsstrauch, s. Keuschbaum.

Abrakadabra, ein magisches Wort, mit dem man das Fieber zu vertreiben wähnte. Zuerst empfiehlt es Qu. Serenus Samonicus (um 200 n. Chr.) in einem Lehrgedichte. Um die vermeinten Wirkungen hervorzubringen, schrieb man das Wort im gleichseitigen Dreieck und zwar in elf um je einen Buchstaben abnehmenden Zeilen, und hing ein so beschriebenes Täfelchen um. A. hängt wohl mit Abraxas (s. d.) zusammen. Jetzt wird A. nur im Scherz gebraucht, wie Hokuspokus (s. d.).

Abram, s. Abraham.

Abrantes, sehr alte, ummauerte und durch ein Kastell verteidigte Stadt im Distrikt Santarem der portug. Provinz Estremadura, 135 km nordöstlich von Lissabon, auf einer Anhöhe rechts des hier schiffbar werdenden Tejo und am Ausgange eines Passes über die Serra da Estrella, an der Privatbahnlinie Lissabon-Entrocamiento-Badajoz, hat (1878) 6363 E., Post, Telegraph. Unter den drei Kirchen ist die des heil. Vincentius nebst dem daranstoßenden Kloster eine der größten und prächtigsten Portugals. Die bei A. beginnende Tejoschiffahrt vermittelt einen lebhaften Handel nach Lissabon mit Getreide, Öl, Wein und Früchten, unter denen Pfirsiche und Wassermelonen Ruf haben. Von dem strategisch wichtigen Orte aus unternahm 1807 der franz. General Junot (s. d.) den erfolgreichen Zug gegen Lissabon, wofür er von Napoleon zum Herzog von A. erhoben wurde.

Abrasion (lat.), nach F. von Richthofen die Erscheinung, daß bei allmählichem Sinken eines Kontinents die langsam weiter landeinwärts vordringende Brandung das Festland zu einer mehr oder weniger ebenen Fläche gleichsam abhobelt, indem zugleich das hierbei zertrümmerte Gesteinsmaterial auf dem neugebildeten Boden des vordringenden Meers zur Ablagerung gelangt. Die A. steht in bestimmtem Gegensatz zur Erosion (s. d.), welch letztere das Relief der Erdoberfläche formenreicher gestaltet, während die erstere dasselbe zunächst unterseeisch ausebnet, es aber nach einer negativen Niveauverschiebung als Flachland in die Erscheinung treten läßt.

Abraum, in der Forstwirtschaft das beim Holzschlagen sich ergebende Reisholz bis zu 7 cm Stärke, das in Wellen gebunden oder haufenweise zusammengelegt verkauft wird. Im Hochwalde wird der A. bei Nadelholz auf 5‒10, bei Laubholz auf 12‒15 Proz. des Einschlags oder der gesamten Massenerzeugung berechnet. – Im Bergwesen bezeichnet A. das die nutzbaren Mineralien überdeckende taube Gebirge beim Tagebau.

Abraumsalze, die bittern und zum Teil zerfließlichen, sehr leicht löslichen Salze, aus denen die über 40 m dicke obere Decke des mächtigen Steinsalzlagers im Magdeburg-Halberstädter Becken besteht. Die hauptsächlichsten sind die technisch höchst wichtigen Carnallit (s. d.), Sylvin (s. d.) und Kainit (s. d.). Nachdem die übrigen schwerer löslichen Salze des zur Dyaszeit dort vorhandenen Meeresbeckens zum Absatz gekommen waren, schieden sich als oberste Ablagerung die bis dahin noch in Lösung befindlich gebliebenen A. als letzte Rückstände der Mutterlauge