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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ausmachen; Ausmerzen; Ausmusterung; Ausnahmegerichte; Ausnahmegesetze

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Ausmachen - Ausnahmegesetze

Energie (oder Spannkraft) veranlaßt wird, sich in mechan. Arbeit umzusetzen. Eine A. ist z. B. die durch einen kleinen Funken bewirkte Explosion des Pulvers. Die große, hierbei geleistete mechan. Arbeit entsteht nicht aus der kleinen Energie des Funkens, sondern aus der des Pulvers, dessen Gleichgewicht durch den Funken gestört wurde. Ebenso ist es eine A., wenn ein auf einer stumpfen Spitze stehender schwerer Bleiblock durch einen geringen Anstoß stürzt, wenn ein Muskel auf einen geringen Reiz hin eine große mechan. Arbeit verrichtet u. s. w. Der Name A. wurde von I. R. Mayer (s. Mechanische Wärmetheorie) eingeführt. In der Physiologie bezeichnet man das Nervensystem als einen Auslösungsapparat, weil durch die Erregung feinster Nervenfasern beträchtliche Kraftmengen in den Arbeitsorganen unsers Körpers (Muskeln, Drüsen) freigemacht werden können. So bewirkt z. B. das Eindringen eines Fremdkörpers in die Stimmritze die heftigsten konvulsivischen Hustenstöße: die Erregung der sensiblen Nerven der Kehlkopfschleimhaut ruft in den Ganglienzellen der nervösen Centralorgane sofort eine Reihe von Veränderungen hervor, welche ihrerseits wieder durch die Reizung zahlreicher centrifugaler Nervenfasern die in den Respirationsmuskeln aufgespeicherten Spannkräfte plötzlich frei machen und so die explosiven Hustenstöße veranlassen.

Ausmachen, in der Jägersprache das Aufsuchen von angeschweißtem oder gesundem Wild durch Abspüren (s. d.). - Ein Land, eine Küste, ein Seezeichen ausmachen bedeutet, es so deutlich erkennen, daß danach die Stellung des Schiffs wenigstens ungefähr bestimmt werden kann.

Ausmerzen oder ausmärzen, bei den Haustieren, besonders aber bei Schafen, das in der Regel im März geschehende Entfernen der überschüssigen oder in ihren Nutzungseigenschaften nicht mehr befriedigenden Tiere. Derartiges Vieh wird dann Brackvieh oder Merzvieh (s. d.) genannt. Im weitern Sinne bezeichnet man mit A. überhaupt die Wegschaffung untauglicher Dinge oder Bestandteile.

Ausmusterung, die Befreiung Militärpflichtiger vom Militärdienst. Sie erfolgt, wenn diese wegen Gebrechen zum Dienst mit der Waffe oder zu einem ihrem bürgerlichen Beruf entsprechenden Dienst ohne Waffe dauernd untauglich befunden werden. Die ausgemusterte Mannschaft ist nicht landsturmpflichtig.

Ausnahmegerichte, zuweilen Bezeichnung für die Behörden, an welche das Verfahren und die Entscheidung für gewisse den ordentlichen Gerichten entzogene Rechtsstreitigkeiten ein für allemal durch Gesetz verwiesen sind. Sie werden auch Sondergerichte genannt. Für Deutschland gehören dahin die Militärgerichte in Strafsachen, die Konsulargerichte (Gesetz vom 10. Juli 1879), die Prisengerichte (Gesetz vom 3. Mai 1884), die Gerichte in den deutschen Schutzgebieten (Gesetz vom 15. März 1889, Verordnungen vom 2. Juli und 13. Juli desselben Jahres und vom 10. Aug. 1890), das Kaiserl. Patentamt, soweit es über Vernichtung von Patenten entscheidet (Gesetz vom 7. April 1891), die durch das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 und das Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889, Verordnung vom 1. Dez. 1890, eingeführten Schiedsgerichte und das Reichsversicherungsamt, die Gewerbegerichte (Gesetz vom 29. Juli 1890), die reichsgesetzlich zugelassenen Sondergerichte in den einzelnen Ländern: namentlich die landes- und hausgesetzlichen Sondergerichte für die Landesherren, die Mitglieder der landesherrlichen Familien und die Mitglieder der fürstl. Familie Hohenzollern, die Rheinschisfahrts- und Elbzollgerichte, die Auseinandersetzungsbehörden, die Gemeindegerichte zur Erledigung von Bagatellsachen.

Gewöhnlich versteht man unter A. (Kommissionen, Specialgerichten) die durch Specialverordnung besonders für Kriminalfälle berufenen außerordentlichen Gerichte, z. B. die in der deutschen Geschichte besonders bekannten Mainzer und Frankfurter Centraluntersuchungskommissionen. Wegen der mit diesen außerordentlichen Maßnahmen verbundenen Gefahren für Recht und Sicherheit der Unterthanen verkündeten eine Anzahl deutscher Landesverfassungen den Satz: «Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden», die Frankfurter Grundrechte mit dein Zusatz: «A. sollen nie stattfinden»; in Übereinstimmung hiermit das Deutsche Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877: «A. sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standrecht (s. d.) werden hiervon nicht berührt. »

Ausnahmegesetze, zunächst solche in dem allgemein anerkannten Rechte enthaltene Bestimmungen, die eine Ausnahme von sonst gültigen Regeln, ein jus singulare, vorbehalten, z. B. daß Minderjährige, in Widerspruch mit dem Satze, daß abgeschlossene Verträge zu halten sind, gegen eingegangene Verpflichtungen oder Veräußerungen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (s. d.)erlangen. Man versteht unter A. aber auch Verfügungen der höchsten Exekutivgewalt, durch welche aus dem Anlasse eines wirtlichen oder vorgeblichen Notstandes verfassungsmäßige Rechte suspendiert werden. Hierauf kam schon im alten Rom die Ernennung eines Diktators hinaus, ingleichen der Erlaß eines Senatus consultum extraordinarium, durch das den Konsuln eine ganz diskretionäre Gewalt eingeräumt wurde. Aus den neuern Zeiten sind als Ausnahmemaßregeln zunächst die zahlreichen Beispiele einer offenen oder verdeckten Kabinettsjustiz anzuführen, durch welche Angeschuldigte den gewöhnlichen Gerichten entzogen und entweder ohne alles Urteil auf bloße Lettres de cachet (s. d.) eingesperrt oder vor ein Ausnahmegericht von eifrigen Anhängern der bestehenden Gewalt gestellt und summarisch abgeurteilt wurden. Solche Ausnahmegerichte waren unter den Stuarts die Sternkammer (s. d.), in Frankreich die Chambres ardentes (s. d.), unter Napoleon I. die verhaßten Prevotalgerichte (s. d.) zur Unterdrückung des Schleichhandels und aller Emeuten. In England begründet die Suspension der Habeas-Corpus-Akte ebenso ein Ausnahmerecht. Andere Ausnahmeverfügungen betreffen entweder einzelne Körperschaften oder Parteien, wie z. B. das Gesetz des Deutschen Reichs betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, vom 4. Juli 1872, das Reichsgesetz vom 4. Mai 1874, betreffend die unbefugte Ausübung von Kirchenämtern (s. Ausweisung), und das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom 21. Okt. 1878: oder sie erfassen den gesamtem öffentlichen Zustand, so die Einstellung gewährleisteter Freiheiten, wie z. B. gewisser Grundrechte der Deutschen Bundesakte durch die Karlsbader Beschlüsse (s. d.) von 1819, ferner die Verkündigung des Martialgesetzes (s. d.) mit der Wirkung des Be- ^[folgende Seite]