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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bürgerschulen; Bürgerstand; Bürgersteig; Bürgervermögen; Bürgerwehr; Burgfreiheit; Burgfriede; Burggraf

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Bürgerschulen - Burggraf

Ortsbürgerrecht ist der Inbegriff der einem Gemeindegliede zustehenden Rechte. Dieselben bestehen in der Regel, abgesehen von dem nach den Principien der Freizügigkeit und Gewerbefreiheit jetzt selbstverständlichen Rechte, in der Gemeinde bleibend zu wohnen, Grundstücke zu besitzen, Gewerbe zu treiben, aus der besondern Berechtigung, an den Bürgernutzungen, Stiftungen und etwa vorhandenen Privilegien teilzunehmen, im Falle der Not aus Gemeindemitteln Unterstützung zu empfangen, aktiv an den Wahlen für die städtische Vertretung teilzunehmen und zu den Stadtämtern wählbar zu sein. Das Ortsbürgerrecht wird oft nur durch ausdrückliche Verleihung und gegen Entrichtung einer Gebühr erworben, wobei man die Befähigung und die Verpflichtung dazu sowie den Anspruch darauf unterscheiden kann. An manchen Orten werden den Bürgern zum Zeugnis ihrer Aufnahme in das Gemeindebürgerrecht Bürgerbriefe ausgestellt. Die deutschen Gesetzgebungen über das Gemeindebürgerrecht sind auch heute noch sehr verschieden, doch gelangt das nach der Französischen Revolution allmählich auch in Deutschland angenommene System der reinen Einwohnergemeinde zu immer allgemeinerer Anerkennung und beherrscht insbesondere auch die preuß. Städteordnungen. In einigen Gegenden unterscheidet man allerdings auch heute noch streng zwischen Einwohnergemeinde und Bürgergemeinde. Der erstern gehören alle Einwohner der Gemeinde an, der Bürgergemeinde nur diejenigen Personen, welche die Mitgliedschaft erworben haben. Die Bürgergemeinden besitzen meist keine polit. Vorrechte, aber mehr oder weniger beträchtliches Eigentum, welches sie verwalten und an dessen Nutzungen ihre Glieder teilnehmen. (S. Bürger.) - Römisches B., s. Civitas und Römisches Recht.

Bürgerschulen sind städtische Schulanstalten für Kinder aus dem Bürgerstande, die eine für die Bedürfnisse der letztern berechnete allgemeine Bildung gewähren sollen. Im 18. Jahrh. zuerst wurden solche B. von vielen Pädagogen, besonders von den Pietisten, mit A. H. Francke an der Spitze, im Gegensatze zu den damaligen Lateinschulen gefordert.Man hatte und hat dabei vorzugsweise den bemittelten Bürgerstand im Auge, für den man Anstalten haben will, die über das Ziel der gewöhnlichen Volksschule hinausgehen. Hat eine Bürgerschule noch Jahreskurse, die über die allgemeine Schulpflichtigkeit hinausgehen, so bezeichnet man sie als eine höhere Bürgerschule. In manchen Städten nennt man alle Volksschulen B. und unterscheidet niedere, mittlere und höhere; in andern, z. B. Leipzig, werden nur diejenigen, in denen höheres Schulgeld bezahlt wird, die also von den Kindern des bemittelten Bürgerstandes besucht werden, B., die andern dagegen mit geringerm Schulgelde, obschon sie in der Hauptsache gleiche Organisation und gleiche Ziele haben, Bezirksschulen genannt, wogegen wieder anderwärts, wie z. B. in Dresden, die B. zugleich ein höheres Ziel und eine größere Stundenzahl als die Bezirksschulen haben. In Süddeutschland hat man allgemeine B. für die Kinder aller Stände. Verschiedene Gesetze der neuern Zeit, wie das sächsische, vermeiden den Namen Bürgerschule ganz und wenden dafür den Namen Volksschule an, die sie in niedere, mittlere und höhere gliedern. In Preußen sind durch die Unterrichtsordnung vom 6. Okt. 1859 und die Lehrpläne vom 31. März 1882 feste Bestimmungen auch für die höhern B. getroffen worden. Freilich ist die Grenze zwischen ihnen und den Realschulen, wie auch in Sachsen, sehr unbestimmt gelassen. Nach den Falkschen "Allgemeinen Bestimmungen" vom 15.Okt. 1872 werden die sämtlichen gehobenen Volksschulen, die bis dahin unter dem Namen Bürger-, Mittel-, Rektor-, höhere Knaben- oder Stadtschulen, in ihrer Einrichtung den socialen Verhältnissen angepaßt, in beträchtlicher Anzahl vorhanden waren, unter dem Namen Mittelschulen zusammengefaßt. In Österreich bestehen die B. seit 1869, und es ist ihnen die Aufgabe zugewiesen, "denjenigen, welche eine Mittelschule (worunter hier, anders wie in Preußen, die unmittelbar auf die Universität vorbereitenden Gymnasien und Realgymnasien verstanden werden) nicht besuchen, eine über das Lehrziel der allgemeinen Volksschule hinausgehende Bildung zu gewähren". Sie umfassen entweder die ganze Schulzeit und sind dann achtklassig, oder sind nur als dreiklassige selbständige Schulen auf die 5 vorhergehenden Volksschulklassen aufgesetzt. - Vgl. K. Mayer, Die deutsche Bürgerschule (1840); Schurig, Die deutsche Bürgerschule nach ihrem Wesen und Werden (Gotha 1872); Ostendorf, Volksschule, Bürgerschule und höhere Schule (Düsseld. 1872); Viereck, Die höhere Bürgerschule (Braunschw. 1891).

Bürgerstand, s. Bürger.

Bürgersteig, s. Trottoir.

Bürgervermögen, zum Unterschied vom Kämmereivermögen einer Gemeinde, welches letztere zu Gemeindezwecken genutzt und von dem Gemeindevorstand verwaltet wird, ist das gemeinsame Vermögen, welches von den Bürgern zusammen für ihre Privatzwecke genutzt wird, s. Allmende.

Bürgerwehr, s. Volksbewaffnung.

Burgfreiheit, s. Burg (S. 753 a).

Burgfriede bezeichnete im Mittelalter öffentliche Freiheit und Sicherheit in einer Stadt oder Burg. Dann wurde auch der um eine Stadt gelegene Grund und Boden, auf dem bei Verlust der rechten Hand der Friede nicht gebrochen werden durfte, und in allgemeinerer Bedeutung überhaupt Weichbild, unmittelbares Gebiet einer Stadt- oder Landgemeinde unter dem Namen B. Verstanden. Endlich wurden die auf Erhaltung des Friedens im Gebiete einer Stadt oder Burg, auf innere Polizei an einem fürstl. Hofe u. s. w. bezüglichen Statuten als B. bezeichnet. (S. auch Ganerbe.)

Burggraf, ein in seinen Befugnissen nach Ort und Zeit mannigfach wechselndes Amt im Lehnsstaate des Mittelalters, dem Ursprünge nach wenig verschieden von dem des Grafen überhaupt, nur daß der Amtsbezirk des B. kleiner zu sein pflegte; es haftete an einem befestigten oder sonst bedeutenden Orte, mit dem zuweilen wohl auch dessen Umkreis verbunden war. In der Regel stand der B. unter einem geistlichen Fürsten, der in der Stadt die gräfl. Rechte erworben hatte und sie durch jenen verwalten ließ. Doch finden sich auch königliche B., so gleich das erste Mal, wo das Amt historisch überliefert ist, um 990 in Regensburg. Inhaber waren oft vornehme Geschlechter, doch erhoben sich auch Ministerialen zu der Würde, z. B. in Trier, Straßburg, Augsburg, zählten dann aber nicht zu den Reichsfürsten. Ihre Pflicht war die Sorge für die Verteidigung und Sicherheit der Stadt, daher nahmen sie die Stellung eines Burgvogts, d. h. Stadtkommandanten ein, und oft war ihnen auch die Aufsicht über das Bauwesen, Gewerbe, Zoll, Maß und Gewicht übertragen. Wie die andern Ämter des Lehnsstaates