Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Camerarius; Camera stellata; Cameriere; Camerino

756

Camerarius - Camerino.

Von einem äußern Gegenstand (der aber beträchtlich weiter entfernt zu denken ist als der in der Figur gezeichnete Pfeil d e) würde die Linse ein umgekehrtes verkleinertes Bild zunächst auf der Hinterwand des Kastens entwerfen. Durch einen unter einem Winkel von 45° zur Achse der Linse geneigten ebenen Spiegel kann man aber die Strahlen entweder nach oben auf eine in die Decke des Kastens eingesetzte matte Glastafel a b, welche durch den aufgehobenen Deckel b c vor fremdem Licht geschützt wird, oder nach unten auf ein mit weißem Papier überzogenes Brett lenken, wo nun das Bild in aufrechter Stellung erscheint und bei letzterer Einrichtung mit einem Bleistift nachgezeichnet werden kann. Diese ältern Formen der C. gewähren durch die Bewegtheit ihrer niedlichen Bilder belustigende Unterhaltung und erschienen früher nicht selten auf Jahrmärkten etc. In vervollkommter Form bildet die C. heutzutage das wichtigste Werkzeug des Photographen, dessen Kunst darin besteht, ihre vergänglichen Bilder dauernd festzuhalten (vgl. Photographie). Die pantoskopische C. (Panoramenapparat) ist ein von Mortens in Paris angegebener photographischer Apparat, welcher sich während der Aufnahme dreht und ein ganzes Panorama auf eine einzige Platte aufnimmt.

^[Abb.: Camera obscura.]

Camerarius (lat., "Kämmerer"), Aufseher des Schatzes der fränkischen Könige, erster Palastbeamter; in Schottland ehedem ein umherreisender Gerichts- und Polizeivisitator. In Klöstern wird der Zeugmeister C. genannt.

Camerarius 1) Joachim, eigentlich Liebhard, gewöhnlich aber Kammermeister (latin. C.) genannt (nach dem in der Familie erblichen Amt eines bischöflichen Kämmerers), berühmter Humanist und hervorragender Beförderer der Reformation, geb. 12. April 1500 zu Bamberg, bezog 1513 die Universität Leipzig, 1518 die zu Erfurt, wurde 1521 Magister und begab sich in demselben Jahr nach Wittenberg, wo er mit Melanchthon enge Freundschaft schloß. Nach längerm Aufenthalt in seiner Vaterstadt sowie größern Reisen nach Basel zu Erasmus (1524) und nach Preußen (1525) wurde er 1526 als Direktor und Lehrer des Griechischen an der "hohen Schule" zu Nürnberg angestellt und 1530 vom dortigen Senat zum Abgeordneten beim Reichstag in Augsburg ernannt, wo er großen Anteil an der Abfassung der Augsburgischen Konfession hatte. 1535 vom Herzog Ulrich von Württemberg an die Universität zu Tübingen berufen, begründete er dort die klassischen Studien und führte darauf 1541 im Auftrag der Herzöge Heinrich und Moritz von Sachsen auch die Reorganisation der Universität Leipzig glänzend durch. Im J. 1555 ging er nochmals als Deputierter zum Reichstag nach Augsburg und begleitete Melanchthon zum Religionsgespräch in Nürnberg sowie auch 1556 auf den Reichstag zu Regensburg. Maximilian II. berief 1568 C. nach Wien, um ihn über kirchliche Angelegenheiten zu Rate zu ziehen. Kaiserlich beschenkt, kehrte er nach Leipzig zurück, wo er 17. April 1574 starb. C. machte sich um Beförderung der klassischen Studien verdient als ausgezeichneter Universitätslehrer sowie als gelehrter Herausgeber griechischer und lateinischer Klassiker. Von seinen zahlreichen Schriften sind am bekanntesten seine Biographien des Eobanus Hessus (Leipz. 1553), des Fürsten Georg von Anhalt (das. 1555) und Melanchthons (das. 1566; neue Ausg. von Strobel, Halle 1777). Auch gab er eine Sammlung von Briefen Melanchthons (Leipz. 1569) heraus. Noch jetzt wertvoll sind seine "Commentarii linguae graecae et latinae" (Bas. 1551). Nach seinem Tod erschienen seine "Epistolae familiares" (Frankf. 1583-1595, 3 Bde.). - Von seinen fünf Söhnen ist besonders Joachim, geb. 5. Nov. 1534 zu Nürnberg, als Arzt und Botaniker berühmt geworden. Seit 1564 praktischer Arzt in seiner Vaterstadt, veranlaßte er den dortigen Magistrat 1592 zur Stiftung einer medizinischen Lehranstalt, deren Dekan er bis zu seinem Tod 11. Okt. 1598 blieb. Er lieferte eine Ausgabe von Matthiolus' "De plantis epitome utilissima, novis iconibus et descriptionibus aucta" (Frankf. 1586; deutsch von Handsch u. d. T.: "Kräuterbuch", das. 1586). Von seinen übrigen Werken nennen wir: "Opuscula quaedam de re rustica" (Nürnb. 1577, 1596); "Hortus medicus et philosophicus" (Frankf. 1588, 1654); "Symbolorum et emblematum centuriae tres" (Nürnb. 1590-97) etc.

2) Rudolf Jakob, Mediziner und Botaniker, geb. 12. Febr. 1665 zu Tübingen, studierte Philosophie und Medizin, bereiste 1685-87 einen großen Teil Europas, wurde 1687 Professor der Medizin und Direktor des botanischen Gartens in Tübingen und starb 11. Sept. 1721 daselbst. C. erkannte, nachdem allerdings früher schon ähnliche Ansichten geäußert worden waren, doch zuerst bestimmter die beiderlei Befruchtungsorgane in den Blüten der Pflanzen als die Geschlechtsorgane derselben, stellte mehrere hierauf bezügliche Experimente an und legte damit den Grund zur Sexualtheorie in der "Epistola de sexu plantarum" (Tübing. 1694, neue Ausg. 1749), welche er an den Professor Valentin in Gießen richtete. Seine Schriften gab Mikan unter dem Titel: "R. J. ^[Rudolf Jakob] Camerarii opuscula botanici argumenti" (Prag 1797) heraus.

Camera stellata (lat.), s. Sternkammer.

Cameriere (ital.), Kammerdiener, Kellner.

Camerino, Kreishauptstadt in der ital. Provinz Macerata, liegt 347 m hoch auf einem Ausläufer der Apenninen, hat eine 1727 gegründete "freie" Universität (mit zwei Fakultäten und kaum 100 Hörern), ein Lyceum und ein Gymnasium, verschiedene ausgezeichnete Gebäude (Dom an der Stelle eines Jupitertempels, davor Erzstatue Sixtus' V., Kirche San Venanzio, erzbischöflicher und Herzogspalast) und (1881) 4342 Einw., welche namentlich Seidenindustrie und Gerberei betreiben. C. ist Sitz eines Erzbischofs. - Die Stadt ist das alte Camerinum und war ein wichtiger Platz in Umbrien an der picenischen Grenze. Das Bistum soll schon im 3. Jahrh. entstanden sein und wurde 1787 in ein Erzbistum verwandelt. Im Mittelalter war C. eine Mark des Herzogtums Spoleto. In der Mitte des 13. Jahrh. kam es an die Varani, von denen Johann Maria 1515 vom Papst Leo X. den Herzogstitel erhielt, dann an die Herzöge von Urbino, von denen es 1539 durch Papst Paul III. Farnese eingezogen wurde.

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]