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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dar Fur

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Dar Fur.

Verwirrung. "Nirgends wohl", sagt Schweinfurth, "sieht man auf so beschränktem Raum, wie ihn die kleinen Kulturstrecken in der Umgebung der Dêm (Ansiedelungen) darbieten, eine derartige Anhäufung zusammengewürfelter Rassen." Die Bewohner des Landes sind echte Neger. Im O. trifft man auf die schon früher bekannten Bongo oder Dor; weiter westlich folgen Golo und Ssêre, oft untereinander gemischt. Die Ssêre, ursprünglich ein Sklavenstamm der Niam-Niam, scheinen erst in neuerer Zeit und zwar infolge der Entvölkerung des Landes durch den Sklavenhandel von S. her eingewandert zu sein. Äußerlich den Bongo ähnlich, unterscheiden sich doch Golo und Ssêre sprachlich von jenen und nähern sich in ihren Sitten und Gebräuchen den Niam-Niam. Am weitesten westlich, am Biri, wohnen die Kredsch, aus einer Unzahl kleiner Stämme bestehend. In kleinern Mengen sind Niam-Niam und im N. Baggara-Araber im Land angesiedelt. D. ist noch immer eine der wichtigsten Domänen des Sklavenhandels und infolgedessen stark entvölkert. Die ursprüngliche Bevölkerung, ausgezeichnet durch sanfte Gemütsart, beschäftigt sich vorzugsweise mit Ackerbau und ist durch die kaum zu erschwingende Zahl der von den verschiedenen im Land seßhaften ägyptischen Handelsgesellschaften benötigten Träger, durch Kornmangel und Knechtung durch die vielen aus Dar Fur und Kordofan stammenden Fremden in einen sehr traurigen Zustand versetzt worden. Von ihren verpalissadierten Niederlassungen (Seriben) aus durchstreifen die ansässigen Dschellaba (Sklaven- und Elfenbeinhändler) das Land weit und breit, alles verwüstend, Not und Unglück überall hinbringend. Da der Elfenbeinhandel stark im Abnehmen begriffen ist, so erscheinen die nach Kordofan, Dar Fur etc. ausgeführten Sklaven als das Hauptprodukt des Landes, welches nominell wenigstens von den Ägyptern in Besitz genommen ist. Die wichtigste Niederlassung ist die Seriba Siber im Kredschland. S. Karte "Congoländer". Vgl. Schweinfurth, Im Herzen von Afrika (neue Ausg., Leipz. 1878).

Dar Fur (Dar For, "Land der For"), bisher Provinz des ägypt. Sudân (s. Karte "Ägypten etc."), zwischen 10-14° nördl. Br. und 22-28° östl. L. v. Gr. gelegen, wird im O. von Kordofan, im S. von Dar Fertit, im W. von Wadai, im N. von der Libyschen Wüste begrenzt und bildet eine ungeheure Oase von 452,000 qkm (8200 QM.) Umfang, in welcher einzelne wüste Striche und Grassteppen mit Urwald abwechseln. Durch die Mitte zieht in der Richtung von NO. nach SW. eine Reihe von vulkanischen Gebirgsmassen mit erloschenen Kratern (Dschebel Medob, bis 1100 m, Dschebel Marrah, bis 1830 m hoch, mit zahlreichen andern Spitzen, dazwischen Dschebel Tagabo und Wanda). Es ist der am besten bewässerte und daher am dichtesten bewohnte Teil. Von hier kommen alle Gewässer; die im N. und NO. den Gebirgen entströmenden vereinigen sich zum Wadi el Melk, welcher bei Debbeh in den Nil mündet; im O. nimmt Wadi el Koh alles Wasser auf und verliert sich später in der weiten Ebene im S., im W. führen Wadi Barreh oder Turah und Wadi Azum in das Wadi Cadja und zum Bahr el Salamat, im S. zieht Wadi Gendy zum Bahr el Arab. In der Regenzeit bildet der südliche Teil des Landes einen großen See, in der Trockenzeit ist der fette Boden von Spalten zerrissen. Der östliche Teil (Gize) ist wie der westliche sandig, hier wird nur wenig Getreidebau getrieben; der nördliche ist gleichfalls wenig angebaut, aber im mittlern wird Ackerbau auf Weizen, Duchn, Durra, Sesam, Baumwolle u. a. emsig betrieben. Vielfach wird der starke einheimische Tabak gebaut, im S. gedeiht die Delebpalme und an der Ostgrenze noch der Affenbrotbaum. An Metallen (Gold, Kupfer, Antimon, Blei, Eisen) scheint das Land reich zu sein, doch werden nur Kupfer und Eisen gewonnen. Salz erhält man durch Auslaugung des Bodens. Überall sieht man ungeheure Herden, im N. ausschließlich von Kamelen, im S. von buckligen oder langhörnigen Rindern und Schafen. Ziegen gibt es überall, Pferde aber wenig; die letztern sind klein, aber sehr ausdauernd. Die Einwohner, deren Zahl Mason auf höchstens 1½ Mill. schätzt, bestehen zur Hälfte aus For, den Bewohnern des gebirgigen zentralen Teils, 500,000 Arabern, im übrigen aus Tukruri und Fulbe. Die For (s. Tafel "Afrikanische Völker", Fig. 11), ein Negervolk, sind der herrschende Stamm; sie sind sehr reinlich und fleißig, fanatische Mohammedaner von weit höherer Bildung als die Nubier, fertigen Baumwollzeuge, Zierate aus Kupfer- und Eisendraht, Glaswaren, Messer, Beile, Lanzen u. a. und bedürfen somit fast gar keiner fremden Waren. D. ist eins der Haupthandelszentren des Sudân und das große Entrepot zwischen Zentralafrika und Ägypten. Hier treffen die zahlreichen Karawanen zusammen, welche Elfenbein, Rhinozeroshörner, Straußfedern, Gummi, Natron, Alaun u. a. (früher namentlich Sklaven) aus Innerafrika bringen und, nachdem sie sich im nördlichen Teil des Landes vereinigt haben, oft 15,000 Kamele stark ihren Weg nach Ägypten nehmen. Die Hauptstadt Fascher el Tendelti ist, wie alle andern Orte, eine weitläufige Ansammlung von Lehmhütten, war bis zur Eroberung durch den Mahdi Sitz des ägyptischen Gouverneurs, durch eine Telegraphenlinie mit Chartum verbunden und hatte, wie die ehemalige Hauptstadt Cobbe, Dara u. a., eine ägyptische Garnison.

Die Ureinwohner von D., die Dadscho, unstreitig Neger, wurden durch den jetzt herrschenden Stamm der For zurückgedrängt. Der Islam wurde erst unter Soliman Solon (1596-1637) hier eingeführt. Die Geschichte der einheimischen Sultane bietet nichts Bemerkenswertes. Unter dem Vorwand, daß entflohene Mamelucken in Kordofan Zuflucht gefunden, sandte Mehemed Ali, Pascha von Ägypten, 1821 seinen Schwiegersohn Mohammed Bei El Defterdar gegen D., das sich ihm nach einer mörderischen Schlacht unterwarf. Ein Versuch jenes, den Abu Madian, einen jüngern Bruder des Sultans Mohammed Fahdel, der von diesem in einer Art Gefangenschaft gehalten worden war, mit Waffengewalt auf den Thron von D. zu setzen (1833), scheiterte durch eine Meuterei der rumelischen Hilfstruppen, und D. ward aufs strengste gegen Ägypten abgesperrt. Mit Ägypten blieb D. fortwährend auf gespanntem Fuß, und die immer mehr zunehmende Macht dieses Landes, seine Ausdehnung nach Süden hin ward von den Sultanen mit Eifersucht überwacht. Schon seit Jahren war das Verhältnis zwischen den Nachbarn ein feindseliges, das in offene Feindschaft überging, als Ägypten unter dem Einfluß der europäischen Mächte die Einfuhr der Sklaven aus D. verbot und damit diesem Land eine seiner reichsten Einnahmequellen verstopfte. Nachdem Sultan Brahim 1873 mit dem im Süden von D. stationierten ägyptischen Bei Siber in offenen Kampf geraten war, rückte von Kordofan aus ein ägyptisches Korps unter Ismail Pascha in D. ein, schlug Sultan Brahim, der im Kampfe fiel (Oktober 1874), und eroberte D. für Ägypten. Kurz zuvor war das Land, welches Browne und Cuny schon