Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Einungsämter; Einwanderung; Einweihung; Einwendung; Einwerfung; Einzahl; Einzahnrad; Einzelgebühren; Einzelhaft

396

Einungsämter - Einzelhaft.

bei Merkur- und Venusdurchgängen der Augenblick, in welchem die Planetenscheibe zum erstenmal die Sonnenscheibe berührt. Vgl. Austritt der Gestirne, Bedeckung, Finsternisse.

Einungsämter, s. Einigungsämter.

Einwanderung, der Übertritt aus dem einen Staatsgebiet in das andre zum Zweck der dauernden Niederlassung (s. Auswanderung). Jenachdem es sich dabei bloß um den Aufenthalt oder auch um den Erwerb des Staatsbürgerrechts (Naturalisation) in dem neuen Heimatstaat handelt, pflegt man wohl zwischen thatsächlicher und rechtlicher E. zu unterscheiden. Handelt es sich um die gleichzeitige E. einer Mehrheit von Stammesgenossen, so spricht man von einer Masseneinwanderung im Gegensatz zur Einzeleinwanderung. In ersterer Beziehung ist z. B. an die E. der Hugenotten in Preußen und an die E. von Niederländern, Niedersachsen und Westfalen in Schlesien und Polen zu erinnern. Über das bei der E. zu beobachtende Verfahren wie über die Bedingungen, die der um Aufnahme Nachsuchende zu erfüllen hat, enthalten die Gesetzgebungen der einzelnen Staaten detaillierte Bestimmungen. Vielfach ist ein bestimmter Zeitraum gesetzt, innerhalb dessen sich der Ausländer zuvor in dem Gebiet des Staats aufgehalten haben muß, dessen Bürger er werden will; so in England und Belgien fünf, in Österreich und Frankreich zehn Jahre. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika muß der zu Naturalisierende zuvor innerhalb der Union fünf und innerhalb des Territoriums, woselbst er das Indigenat erwerben will, mindestens ein Jahr sich aufgehalten haben. Außerdem sind regelmäßig Zeugnisse über moralische Führung und über die nötigen Subsistenzmittel beizubringen. Anders gestaltet sich die Sache in Ansehung der Angehörigen verschiedener Staaten, welche zusammen zu einem gemeinsamen Staat, einem Bundesstaat, vereinigt sind. Hier erscheint es als eine unmittelbare Folge der politischen Zusammengehörigkeit der verbundenen Staaten, daß dem Angehörigen des einen Staats die E. in einen andern zum Bund gehörigen Staat gewährleistet ist; so in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten Nordamerikas und im Deutschen Reich. Die Reichsgesetzgebung unterscheidet zwischen Naturalisation und Aufnahme, indem der erstere Ausdruck bei der E. eines Ausländers, der letztere bei derjenigen eines Reichsangehörigen von dem einen Bundesstaat in den andern gebraucht wird. S. Heimat.

Einweihung, im allgemeinen die unter gewissen symbolischen Handlungen erfolgende Erklärung über die Bestimmung einer Sache (s. Dedikation). In der christlichen Welt werden insonderheit Geistliche, Kirchen, Altäre, Glocken u. a. eingeweiht. Vgl. Ordination und Kirchweihe.

Einwendung, s. v. w. Einrede. E. eines Rechtsmittels ist die zu den Akten gebrachte Erklärung einer Partei, daß sie gegen ein richterliches Urteil ein speziell zu bezeichnendes Rechtsmittel ergreifen will.

Einwerfung, s. Kollation.

Einzahl (Singularis), s. Numerus.

Einzahnrad, s. Sperrgetriebe.

Einzelgebühren, s. Gebühren.

Einzelhaft, diejenige Vollstreckungsart der Freiheitsstrafen, bei welcher jeder Gefangene in unausgesetzter Trennung von seinen Mitgefangenen gehalten wird. Das Institut der E. verdankt seine Entstehung dem Streben nach einer den Grundsätzen der Humanität angemessenen Gefängnisreform, welches in der Mitte des vorigen Jahrhunderts seinen Anfang nahm und namentlich die Besserung der Sträflinge bezweckte. Seine praktische Durchführung aber hat das System der E. zuerst in Philadelphia in der daselbst 1791 gegründeten Gefängnisanstalt gefunden, weshalb dasselbe auch das pennsylvanische System genannt wurde. Nach dem ältern pennsylvanischen System aber bestand die E. in vollständiger Trennung des Gefangenen von allem menschlichen Verkehr; auch ließ man denselben ohne Beschäftigung, damit er um so eher zu religiösen und reumütigen Betrachtungen angeregt werden könne. Allein die Gefährlichkeit dieses Systems für physische und geistige Gesundheit des Inhaftierten zeigte sich nur zu bald und führte zu dem sogen. neuern pennsylvanischen System, welches den Sträfling nur von seinen Mitgefangenen trennt, aber dessen angemessene Beschäftigung sowie den Verkehr mit den Beamten und dem Geistlichen der Anstalt nachläßt. Unter den verschiedenen Strafanstalten, welche zum Zweck der E. nach amerikanischem Vorbild in Europa eingerichtet wurden, sind die zu Pentonville in London, Moabit bei Berlin, Bruchsal in Baden, Löwen in Belgien, zu Nürnberg und zu Christiania in Norwegen die bekanntesten. Auch die europäische Gesetzgebung hat das Prinzip der E. berücksichtigt, nachdem in der Litteratur namentlich Ducpétiaux in Brüssel und Mittermaier in Heidelberg sowie neuerdings (wenn schon mit Einschränkungen) Holtzendorff dafür aufgetreten waren. Dabei wird jedoch in der Theorie darüber gestritten, ob die E. als besondere Strafart oder nur als eine eigentümliche Strafvollstreckungsart, oder ob sie als eine der Gattung nach härtere Strafe aufzufassen sei als die Gefängnisstrafe ohne E. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 22), welches die E. bei Verbüßung von Zuchthaus- und Gefängnisstrafen statuiert, erscheint dieselbe nur als besondere Strafvollstreckungsart, welche nach Ermessen der Gefängnisverwaltung eintreten kann. Auch faßt das deutsche Strafgesetzbuch die E. nicht als einen härtern Strafmodus auf und zieht dieselbe bei Berechnung der Strafdauer ebendeshalb nicht in besondere Berücksichtigung. Übrigens pflegt die moderne Strafgesetzgebung regelmäßig eine bestimmte Zeit festzusetzen, über die hinaus die E. ohne Zustimmung des Sträflings nicht ausgedehnt werden darf. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch ist dies Maximum auf 3, in Belgien auf 10 und Holland auf 3, in Schweden auf 1½, in Dänemark auf 3½ und in Norwegen auf 4 Jahre bestimmt. Übrigens kommt die E. auch als Disziplinarstrafmittel gegenüber besonders widerspenstigen Gefangenen und wegen Verletzungen der Hausordnung vor. Neuerdings überwog auf den internationalen Gefängniskongressen zu London (1872) und zu Stockholm (1875) die Meinung, daß E. vornehmlich für Untersuchungsgefangene und auf kurze Zeit Verurteilte Vorteile verspricht, für lange Zeitfristen dagegen bedenklich wird. Am allgemeinsten und konsequentesten ist die E. in Belgien durchgeführt. Abgesehen von grundsätzlichen Bedenken, ist es die Kostspieligkeit der Gefängnisbauten, die ihrer allgemeinen Durchführung im Weg steht. S. Gefängniswesen. Vgl. Mittermaier, Die Gefängnisverbesserung etc. (Erlang. 1860); Füßlin, Die E. nach fremden und sechsjährigen eignen Erfahrungen (Heidelb. 1855); Ducpétiaux, Des conditions d'application du système de l'emprisonnement séparé ou cellulaire (Brüss. 1857); v. Holtzendorff, Gesetz oder Verwaltungsmaxime (Berl. 1861); Hänell, System der Gefängniskunde (Götting. 1866), insbesondere auch die Gutachten von d'Alinge, Valentini u. a. in den Protokollen des deutschen Juristentags.