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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gallikanismus; Gallimathias; Gallina; Gallinae; Gallinago; Gallinas; Gallinula; Gallione; Gallipoli

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Gallikanismus - Gallipoli.

"Der Papst und der Kongreß" die ganze weltliche Herrschaft des Papstes in Frage stellen ließ und demselben in einem eigenhändigen Schreiben vom 31. Dez. 1859 zumutete, freiwillig auf die abgefallenen Provinzen zu verzichten, und die Besitzergreifung des Kirchenstaats durch sardinische Truppen zuließ; während ferner eine offiziöse Broschüre Laguéronnières: "Frankreich, Rom und Italien", den Prozeß gegen die weltliche Herrschaft des Papstes von neuem instruierte, hielten doch französische Truppen allein noch den päpstlichen Stuhl aufrecht. Der allgemeine Widerspruch von seiten der französischen Bischöfe gegen die Politik der beiden genannten Broschüren zeigte, daß die Zeiten des Gallikanismus vorbei sind. Thatsächlich ist der Papst bei allem Wechsel der politischen und kirchlichen Systeme in Frankreich unerschüttert und zuletzt sogar fast allein auf dem Plan geblieben. Bei den Vorbereitungen für das vatikanische Konzil erneuerten zwar die Bischöfe Maret von Sura und Dupanloup von Orléans den Standpunkt Bossuets, allein auf dem Konzil selbst befanden sich die Häupter der französischen Kirche in der bloßen Defensive, und nach dem Konzil, welches die Unfehlbarkeit des Papstes proklamierte, eröffneten sie den allgemeinen Rückzug. Heutzutage kann man auch mit Bezug auf Frankreich sagen, daß die alten innerkatholischen Gegensätze vollständig hinter dem neuen Gegensatz zwischen dem modernen Staat und dem ultramontanen System zurückgetreten sind, wenn sich auch in der dritten Republik das Streben zeigt, den Einfluß des Klerus auf das Schulwesen möglichsten Beschränkungen zu unterwerfen. Vgl. Dupin, Les libertés de l'Église gallicane (Par. 1824, neue Ausg. 1860); Bordas-Demoulin, Les pouvoirs constitutifs de l'Église (das. 1855); Huet, Le Gallicanisme, son passé, sa situation présente (das. 1855); Puyol, Études sur la renovation du Gallicanisme (das. 1876, 2 Bde.).

Gallikanismus, s. Gallikanische Kirche.

Gallimathias (franz. galimatias), verworrenes Geschwätz, Kauderwelsch. Über die Entstehung des dunkeln Worts erzählt man sich Anekdoten, die sich auf den Namen Matthias beziehen; der wirkliche Ursprung ist noch nicht gefunden.

Gallina, Henne.

Gallinae, Ordnung der Vögel, s. v. w. Hühner- oder Scharrvögel.

Gallinago, s. Schnepfe.

Gallinas, Kap, Nordspitze der kolumbischen Halbinsel Goajira und damit nördlichster Punkt des Festlandes von Südamerika.

Gallinula, s. Wasserhuhn; Gallinulinae (Wasserhühner), Unterfamilie der Rallen aus der Ordnung der Watvögel (s. d.).

Gallione, die stärkste Gattung der Segelschiffe (namentlich Segelkriegsschiffe) des spätern Mittelalters. Den Galeeren, den langen Ruderschiffen des Mittelalters im Mittelländischen Meer, standen die "runden Schiffe" als ausschließliche Segelschiffe gegenüber. Dieselben werden in der ersten Hälfte des Mittelalters einfach "Schiff" genannt und hatten in der frühsten Zeit bei 23,5 m Länge und 7,5 m Breite zwei Masten mit je einem lateinischen Segel. Im 12. Jahrh. bildete sich aus ihnen die G. heraus, auch ein "rundes" Schiff, zunächst noch kleiner und weniger lang als die spätern Gallionen und die spätern Galeassen, aber beweglicher; im 16. Jahrh. dagegen waren die Gallionen zwar auch noch "runde" Schiffe, aber länger, schlanker und schneller als die gewöhnlichen, 28-29 m lang und 9-9,6 m breit, die Höhe vom Kiel bis zum Deck etwa ein Drittel der Länge. Sie besaßen zwei Masten mit je drei Raasegeln übereinander, ein Bugspriet (an welchem ein Raasegel, die Blinde, hing), so lang wie der Fockmast, ferner hinten einen dritten kleinern Mast mit einem lateinischen Segel, den Besahn, und zuweilen hinten noch einen vierten Mast mit ebenfalls einem lateinischen Segel, den Gegenbesahn, so daß sie im ganzen neun Segel zählten. Der Rumpf, oft durch mehrere Decke geteilt, war im ganzen voll und rund gebaut, hinten plattgattet (d. h. nach hinten über Wasser quer mit einer platten Fläche abschließend), das Oberwerk sehr hoch, besonders das Hinterschiff mit einem Aufbau von oft 3-4 Etagen (Schanze, Hütte, Kampanje). Im 15. und 16. Jahrh. waren die Gallionen auch bei den nordischen Seemächten sehr gebräuchlich, besonders aber in Spanien, wo sie namentlich in den amerikanischen Silberflotten (auch für den Transportdienst) eine große Rolle spielten. Kleinere Segelschiffe als die Gallionen waren im spätern Mittelalter die Karavellen (v. griech. karabion, Krabbe). Die Karavellen, namentlich bei den Portugiesen früher beliebt, sind besonders merkwürdig als die Schiffsgattung, mit welcher Kolumbus seine Entdeckungsfahrten machte: sie hatten vier Masten, am Vordermast zwei Raasegel übereinander, die andern mit je einem lateinischen Segel (bei einer Karavelle des Kolumbus führte auch der zweite Mast Raasegel). Die größte Karavelle des Kolumbus hatte 90 Mann Besatzung, und ihre Dimensionen werden auf 28 m Länge, 7,5 m Breite, die Tragfähigkeit der gewöhnlichen Karavellen auf 100-140 Ton. berechnet. Diese Fahrzeuge hatten ein sehr hohes Hinterschiff; im ganzen waren sie sehr schnelle Segler (bis 10 Knoten durchschnittlich) und keineswegs so unbedeutend und unsicher, wie man gewöhnlich annimmt. Noch größer und zwar die größten Segelschiffe des Mittelalters waren die Karracken, Kriegsschiffe des 16. und 17. Jahrh. Sie hatten vier Decke, das Oberdeck von Schanze und Back um 3-4 Mannshöhen überragt, also mit den Halbdecken oft 7-8 Decke übereinander, sehr hohe Masten, meist 30-40 Geschütze und 600-1300 Mann (dabei 700-800 Soldaten), zuweilen bis 2000 Mann als Besatzung führend.

Gallipoli, 1) Kreishauptstadt in der ital. Provinz Lecce, auf einer Felseninsel im Meerbusen von Tarent gelegen und durch eine Brücke mit dem Festland verbunden, an der Eisenbahn Zollino-G., hat eine schöne Kathedrale, ein Seminar, ein Gymnasium und eine technische Schule, ein Hauptzollamt, einen durch ein festes Schloß verteidigten, durch einen Molo geschützten Hafen, in welchem die Dampfboote von Ancona und Messina anlegen und 1884: 391 Schiffe mit 154,164 Ton. eingelaufen sind, (1881) 8083 Einw., Thunfischerei und bedeutenden Handel mit Olivenöl, das in Felsenhöhlen lagert. G. ist Sitz eines Bischofs sowie eines deutschen Konsuls und wurde von griechischen Kolonisten gegründet (Kallipolis). -

2) (türk. Gelibolu) Hauptstadt eines Sandschaks im türk. Wilajet Edirne (Adrianopel), auf der Ostküste der Halbinsel von G., ehemals wichtigste Handelsstadt am Hellespont, Hauptstation der türkischen Flotte, ist Sitz des Kaimakams und eines griechischen Bischofs, hat zahlreiche Moscheen, im arabischen Geschmack verzierte Springbrunnen, Ruinen des antiken Kalliupolis, ausgedehnte Bazare und Magazine, 2 Häfen, etwas Handel (Station des Österreich-Ungarischen Lloyd) und Industrie und 15,500 Einw. (meist Griechen, Türken, dann Armenier, Juden). - Die Stadt, bei den alten Griechen Kalliupolis genannt, wurde erst unter den spätern makedonischen Königen gebaut.