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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gautschen; Gautsch von Frankenthurm; Gavardie; Gavarni; Gavarnie; Gavazzi

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Gautschen - Gavazzi.

ments Obermarne, später Chef der kaiserlichen Archive zu Paris und 1871 Professor der Paläographie an der École des chartes. Von seinen Schriften, welche eine blinde Verehrung des Mittelalters bekunden, verdienen Erwähnung: "Comment faut-il juger le moyen-âge?" (1858); "Quelques mots sur l'étude de la paléographie et de la diplomatique" (1858, 3. Aufl. 1864); "Définition catholique de l'histoire" (1860); "Scènes et nouvelles catholiques" (1861, 2. Aufl. 1875); "Voyage d'un catholique autour de sa chambre" (1862, 2. Aufl. 1875; deutsch, Augsb. 1864); "Benoit XI, étude sur la papauté" (1863, 3. Aufl. 1876); "Études historiques pour la défense de l'Église" (1864); "Études littéraires pour la défense de l'Église" (1865); "Portraits littéraires" (1868); "Portraits contemporains et questions actuelles" (1873, 2. Aufl. 1879); "Lettres d'un catholique" (1876-78, 2 Bde.); "Vingt nouveaux portraits" (1878); "La chevalerie" (1884) und das preisgekrönte Werk "Les épopées françaises", eine Studie über die Ursprünge der französischen Litteratur (1866-67, 3 Bde.; 2. Aufl. 1878-1882, 4 Bde.). Auch hat man von ihm eine Ausgabe des "Chanson de Roland" (14. Aufl. 1884).

Gautschen, in der Papierfabrikation das Übertragen des frisch geschöpften Bogens auf den Filz (s. Papier); dann s. v. w. gaukeln, hänseln. Buchdrucker g. den Neuling, indem sie ihn auf einen nassen Schwamm setzen, worauf ihm eine Urkunde, der Gautschbrief, ausgestellt wird, ein Überrest des von den alten Buchdruckern als frühern Universitätsverwandten nachgeahmten Pennalwesens.

Gautsch von Frankenthurm, Paul, österreich. Minister, geb. 1851 zu Wien als Sohn eines Polizeikommissars, wurde im Theresianum erzogen, studierte an der Universität zu Wien die Rechte, erwarb 1873 den Doktorgrad, ward 1874 von Stremayr in das Kultusministerium berufen, in dem er unter Stremayr und Konrad als Konzipist und Präsidialsekretär thätig war, 1881 Direktor des Theresianums und Regierungsrat und 1883 bei der Vereinigung des Theresianums mit der orientalischen Akademie zum Hofrat befördert. Als der Minister Conrad v. Eybesfeld die wachsenden Ansprüche der Klerikalen und Tschechen nicht mehr zu befriedigen vermochte, ward an seiner Stelle im November 1885 G. das Unterrichtsministerium übertragen. G. bewährte sich als gewandter Parlamentarier und energischer Chef seines Departements. Innerhalb seiner Verwaltung machte er sich zunächst durch gründliche Säuberung aller Schulbibliotheken von liberalen und deutsch-nationalen Büchern bekannt.

Gavardie, Henri Edmond Pierre Dufaur de, franz. Politiker, geb. 2. Dez. 1823 zu Rennes, Sohn eines höhern Offiziers, besuchte die Militärschule zu La Flèche und trat in das Heer ein, studierte aber dann die Rechte und ward Staatsanwalt im Dienste des Kaiserreichs. Als Prokurator zu St.-Sever ward er im Dezember 1870 von der republikanischen Regierung abgesetzt, aber im Februar vom Departement der Landes in die Nationalversammlung, 1876 in den Senat gewählt. In beiden Versammlungen vertrat er monarchistische und klerikale Anschauungen in so herausfordernder Weise und griff die Republik und ihre Staatsmänner so heftig an, daß er sich wiederholte Zurechtweisungen durch den Präsidenten und durch das Plenum zuzog.

Gavarni, Paul (eigentlich Sulpice Guillaume Chevalier), franz. Zeichner, geb. 1801 zu Paris, war zuerst Mechaniker, dann Kostümzeichner und gab im Journal "Les gens du Monde", später im "Charivari" eine Reihenfolge von Zeichnungen, hauptsächlich Lithographien in kleinerm Format, von großer Originalität und Frische des Geistes, welche die modernen Pariser Gesellschaftszustände in sittenbildlicher, bisweilen satirischer Auffassung schildern. Andre Darstellungen Gavarnis aus dem Kreis der vornehmern Stände bringen eigentümliche novellistische und komödienartige Szenen mit ergötzlichem Pathos und heiterer Laune zur Anschauung. Die Unterschriften, die in einigen Worten die dargestellte Situation erläutern, verraten eine ausgezeichnete Kenntnis des menschlichen Herzens. Dabei war G. kein Moralprediger; er gab die Welt wieder, wie sie war. Frei von bitterm, sarkastischem Scherz, geißelte er mehr tändelnd und neckend die Gebrechen und Thorheiten des Lebens. Obschon seine Zeichnungen den Eindruck machen, als wären sie nur leicht hingeworfen, sind doch alle Details getreu dem Leben nachgebildet. Ein anhaltendes Naturstudium ermöglichte G., immer Neues zu produzieren. Im J. 1849 machte er eine Reise nach England, wo er das Elend des Londoner Proletariats in vielen Zeichnungen darstellte. Er verlor darüber seine Heiterkeit und konnte sie auch in Frankreich nicht mehr wiederfinden. Die Darstellungen, die er nun von Zeit zu Zeit in der "Illustration" und einigen andern Journalen veröffentlichte, erfreuten sich nicht mehr der alten Popularität. G. starb in Auteuil bei Paris 23. Nov. 1866. Seine sämtlichen Zeichnungen dürften über 30 Folianten füllen. Eine Auswahl davon in Holzschnitten, mit Text von Jules Janin, Gautier, Balzac, Altaroche u. a., erschien unter dem Titel: "Œuvres choisies de Gavarni" (Par. 1845-48, 4 Bde.). Eine andre Sammlung führte den Titel: "Perles et parures par G." (Par. 1850, 2 Bde.). G. hat viele Prachtwerke illustriert, unter andern Eugen Sues "Juif errant". Vgl. Duplessis, G., étude (Par. 1876); Goncourt, G. (das. 1879).

Gavarnie (spr. -warnih), Ort im franz. Departement Oberpyrenäen, Arrondissement Argelès, mit einer alten Kirche der Tempelherren und 308 Einw., ist berühmt durch den sogen. Zirkus von G., einen 2 km südlich vom Ort in 1640 m Meereshöhe liegenden kolossalen Felsenkessel mit 300-400 m hohen Wänden, über welche ein Dutzend Gießbäche in Kaskaden herabstürzen. Der größte und höchste dieser Wasserfälle, der 422 m hoch herabstäubt, bildet den Ursprung des Gave de Pau. Über diese Kaskadenwand steigen noch Schnee- und Gletscherberge etagenweise und in fast senkrechter Erhebung bis zu 3000 m und darüber empor. Nach S. führt aus diesem Felsenkessel die Rolandsbresche (2804 m) hinaus, nach W. der Pont de G. oder de Boucharo ins Brotothal nach Spanien.

Gavazzi, Alessandro, Gegner der römischen Hierarchie, geb. 1809 zu Bologna, trat mit 16 Jahren in den Orden der Clerici regulares des St. Barnabas und ward später Professor der Rhetorik zu Neapel. Wegen seiner freisinnigen Richtung 1840 auf eine untergeordnete geistliche Stelle im Kirchenstaat versetzt, war er nach Pius' IX. Wahl einer der thätigsten Bewegungsmänner und trat mit päpstlicher Bewilligung als Feldprediger in ein gegen die Österreicher marschierendes Freikorps. Als Radetzky Mailand wiedererobert hatte, mußte G. fliehen, wurde aber zurückgerufen, als 8. Aug. 1848 in Bologna ein Aufstand gegen den Papst ausgebrochen war, dessen Niederdrückung ihm auch gelang. Nach dem Fall Roms begab er sich ins Ausland und agitierte namentlich