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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geschützbank - Geschützzubehör.

ihr Kaliber und somit auch in gewisser Weise ihre Wirkungssphäre. Dies führte 1877 den russischen Kapitän Kolokolzow, Direktor der Obuchowschen Gußstahlwerke, auf die Konstruktion zerlegbarer Geschützrohre, um durch ein in seinen Teilen transportiertes und am Gebrauchsort zusammengesetztes achtzölliges Rohr von 5668 kg Gewicht der russischen Belagerungsartillerie vor Rustschuk ein wirkungsvolleres G. zuzuführen. Das Rohr bestand aus einer Kernröhre von Stahl, auf welche ein aus zwei Stücken bestehender Mantel geschoben wurde, den eine muffenartige Verbindungsmutter zusammenhielt. Das Zusammensetzen geschah in der Batterie in drei Stunden; das Rohr that nach dem Anschießen noch 199 Schuß mit 7,8 kg Ladung und 80 kg schwerem Geschoß mit Erfolg. Von gleicher Bedeutung sind solche Geschütze für die Gebirgsartillerie. In Woolwich und Madrid sind 1878 zerlegbare Gebirgskanonen von La Mesrie und Hoyle gleichfalls mit günstigem Erfolg versucht worden, deren Zusammensetzen in einer Minute geschehen sein soll. Über Dampfgeschütze s. d.

[Litteratur.] Vgl. v. Decker, Geschichte des Geschützwesens (Berl. 1822); Mor. Meyer, Geschichte der Feuerwaffentechnik (das. 1835); R. Schmidt, Entwickelung der Feuerwaffen (Schaffhaus. 1869); v. Specht, Geschichte der Waffen (Leipz. u. Berl. 1869-77, 2 Bde.); Schott, Grundriß der Waffenlehre (2. Aufl., Darmst. 1875); "Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen" (hrsg. vom Germanischen Nationalmuseum, Leipz. 1877); Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens, mit Atlas (das. 1880); H. Müller: Die Entwickelung der Feldartillerie (Berl. 1873), Entwickelung der preußischen Festungs- und Belagerungsartillerie (das. 1876), Entwickelung der preußischen Küsten- und Schiffsartillerie (das. 1879); Prehn, Artillerieschießkunst (das. 1867); Roerdansz, Das gezogene vierpfündige Feldgeschütz (das. 1865); Schmölzl, Die gezogene Kanone, deren geschichtliche Entwickelung (Münch. 1860); Jüptner v. Jonstorff, Die Feldartillerie Österreichs, Frankreichs etc. (Wien 1871); Witte, Artillerielehre (Berl. 1872-73, 3 Bde.); Wille, Über die Bewaffnung der Feldartillerie (das. 1880); Derselbe, Über Kartätschgeschütze (das. 1871); Beckerhinn, Die Feldartillerie Österreichs, Deutschlands, Englands, Rußlands, Italiens und Frankreichs (Wien 1879); Galster, Die Schiffs- und Küstengeschütze der deutschen Marine (Berl. 1885); v. Löbell, Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen (das. 1875-86).

Geschützbank (Barbette), die hinter einer Brustwehr zur Aufstellung von Geschützen angeschüttete Erhöhung, deren Oberfläche für Geschütze in Feldlafetten 1 m, für 9 und 12 cm Kanonen in Belagerungslafetten 1,6, für alle übrigen Geschütze 2,2 m unter der Feuerlinie liegt, 6,7 m tief (breit) ist und in neuerer Zeit in Festungen als fortlaufende G. mit 2,2 m Kniehöhe angelegt wird. Auf die G. führt eine Geschützrampe mit fünffacher Anlage. Die G. ist für schwere Geschütze, von der Feuerlinie gemessen, 9, für leichte 8,2 m tief, für 1 Geschütz 4, für 2 Geschütze 10-11,3 m breit.

Geschützbronze, s. Bronze und Geschütz, S. 219.

Geschützeinschnitte (Emplacements) werden für Feldgeschütze oder 9 cm Kanonen im Festungskrieg batterieähnlich derart erbaut, daß die Geschützstände für erstere auf -0,5, für letztere auf -0,8 m Tiefe und längs der Brustwehr Verbindungsgräben, deren Sohle auf -1,5 m liegt, ausgehoben werden, in welchen Mannschaften und Geschütze beim Nichtgebrauch Deckung finden. Die Kartusch- und Geschoßnischen werden in der Brust dieser Gräben kastenartig nach hinten offen angelegt, nur das Knie der Brust wird bekleidet; die Geschütze haben von Mitte zu Mitte 10 m Abstand, die Brustwehr ist 5 m stark. G. für Feldgeschütze im Feldkrieg werden derart hergestellt, daß die Erde, 0,5 m tief, 3-4 m breit und 5 m lang, nach hinten schräg hinführt, ausgehoben und nach vorn und den Seiten aufgeworfen wird.

Geschützgießerei, herkömmliche Bezeichnung einer Anstalt, in der Geschütze angefertigt werden; heute häufig und besser Geschützfabrik genannt, da die maschinellen Einrichtungen zur Bearbeitung der Geschütze die Hauptsache sind, hinter welchen die Gießerei als solche zurücktritt. G. pflegt der Staat, Geschützfabrik der Privatbesitzer seine Anstalt zu nennen. Geschützgießereien und Geschützfabriken hat Deutschland: in Spandau, Ingolstadt, Krupp in Essen, Gruson in Buckau bei Magdeburg für Revolverkanonen; Österreich: in der Artilleriezeugsfabrik des Arsenals in Wien, die Neuberg-Mariazeller Gewerkschaft (Steiermark); Frankreich: für die Landartillerie in Bourges, für die Marine in Ruelle, Cail in Paris, Schneider in Creusot, Petin und Gaudet zu St.-Chamond (Rieve de Gier); England: im Arsenal zu Woolwich, Armstrong in Elswick bei Newcastle, Whitworth in Manchester, Vavasseur (Blakeleysche Eisenwerke) zu London; Italien: in Turin, Genua und Neapel; Spanien: in Trubia u. Sevilla; Rußland: Petersburg, Perm, Obuchowsche Gußstahlwerke zu Alexandrowsk bei Petersburg. S. Geschütz, S. 218 f.

Geschützmetall, s. Bronze und Geschütz, S. 219.

Geschützstand, im allgemeinen der Platz, auf dem ein Geschütz beim Schießen steht. Feldgeschütze stehen in der Regel auf bloßem Erdboden, während für Festungs-, Belagerungs- und Küstengeschütze Bettungen (s. d.) hergerichtet werden müssen. Früher legte man in Festungen an wichtigen Punkten auf dem Wallgang auch bedeckte Geschützstände an, indem man einen blockhausartigen Holzbau mit bombensicherer Eindeckung herrichtete. Gegen die heutige Geschoßwirkung schützen sie nicht und werden daher in Festungen nicht mehr gebaut. In Küstenwerken sind an ihre Stelle Panzerbatterien und Panzertürme (s. Festung, S. 187) getreten. Ältere Festungen, auch solche neupreußischer Manier, geben zuweilen in ausspringenden Winkeln tief liegende kasemattenartige Geschützstände für Mörser. Gruson in Buckau hat auch in neuester Zeit für Mörser Hartgußpanzerstände erbaut.

Geschützzubehör, diejenigen Gerätschaften, welche zum Laden, Richten und Abfeuern des Geschützes erforderlich sind. Es gehören hierher: der Wischer, eine der Länge des Geschützrohrs entsprechende hölzerne Stange, an einem Ende mit einer cylindrischen Bürste aus Schweineborsten, Piassave, Kittul-, Wurzel- oder Aloefasern versehen, dient zur Reinigung des Rohrs; der Lader oder Ansetzer zum Ansetzen des Geschosses und der Kartusche; die Ladebüchse, ein eiserner Hohlcylinder bei Geschützen mit Flach- oder Rundkeil, welche nur einen Teil der Ladeöffnung enthalten, zur ungehinderten Einführung der Ladung; der Aufsatz (s. d.), Richt- oder Hebebaum, Richtlot, Richtstäbchen zum Richten; der Libellenquadrant, eine an einem Ende drehbar an einer Platte befestigte Röhrenlibelle, deren andres Ende sich an einem Gradbogen bewegt, zum Nehmen der Höhenrichtung; der Stell- (früher Tempier-) Schlüssel, gabelförmiges Instrument mit zwei Haken zum Einstellen (Tempieren) der Schrapnell-^[folgende Seite]