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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ges dur; Gesechster Schein; Geseke; Geselle

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Ges dur - Geselle.

sinuös, das krebsige an Ausbreitung völlig unbeschränkt. Die Behandlung der Geschwüre ist bei allen konstitutionellen Kranken eine allgemeine und nur insoweit örtlich, als das G. frei zugänglich liegt. Im allgemeinen entspricht die örtliche Behandlung den Regeln der Wundbehandlung, Desinfektion, Anregung der Fleischwucherung durch Kampferwein, Reizsalben etc., Mäßigung zu starker Wucherung durch Höllenstein, Transplantation kleiner Hautstückchen, Verbände etc. Oft muß die Behandlung von Tag zu Tag gewechselt werden, so daß allgemeine Regeln nicht gegeben werden können. Die Lehre von den Geschwüren heißt Helkologie.

Ges dur, s. Ges.

Gesechster Schein (Sextilschein), s. Aspekten.

Geseke, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, Kreis Lippstadt, 103 m ü. M., an der Geseke und an der Linie Soest-Altenbeken der Preußischen Staatsbahn, hat 3 kath. Kirchen, ein Amtsgericht, eine Provinzialpfleganstalt, eine höhere Bürgerschule, bedeutende Landwirtschaft, Kalkbrennereien und Ziegeleien, Fabrikation von Zigarren und Holzpfeifenköpfen, Handel in geräucherten und getrockneten Fleischwaren und (1885) 3686 Einw. Aus G. leiten ihren Ursprung die Fürsten von Lippe (s. d.) her, welchen die Vogtei über das dortige Nonnenkloster des heil. Cyriakus (946 gegründet, 1823 aufgehoben) gehörte.

Geselle (ursprünglich Saal-, Hausgenosse, dann Verbrüderter, Gefährte) ist die übliche Bezeichnung für gelernte Lohnarbeiter in gewerblichen Unternehmungen im engern Sinn (Handwerks- und industriellen Unternehmungen), im Gegensatz zu ungelernten Arbeitern und Lehrlingen. Gesellen sind Arbeiter, deren Leistungen eine besondere Ausbildung, welche nur durch regelmäßigen Fachunterricht, die sogen. Lehre, erworben werden kann, erfordern. Der Name G. für gelernte gewerbliche Lohnarbeiter ward in Deutschland erst üblich, als diese, bis dahin Knechte genannt, zu einem besondern Arbeiterstand wurden und (im 15. Jahrh., vereinzelt auch schon im 14. Jahrh.) nach dem Vorbild der Zünfte eigne Gesellschaften (Gesellenschaft, Gesellenbrüderschaft mit besondern Statuten, Vorständen, Beamten und Kassen) bildeten, welche nicht mehr, wie die alten Brüderschaften, nur für religiöse und gesellige Bedürfnisse und für die Unterstützung von armen und kranken Knechten sorgten. Diese Gesellenverbände suchten die Interessen ihrer Mitglieder nach allen Richtungen zu fördern, sie waren gesellige Vereine und Hilfskassen, sie wahrten Ehre und Sitte des Gesellenstandes durch genossenschaftliche Überwachung und Gerichtsbarkeit, sie waren insbesondere aber auch, und das war ein Hauptzweck, wie die heutigen Gewerkvereine bestrebt, die Mitglieder in ihren Arbeits- und Erwerbsverhältnissen gegen Willkür und Egoismus der Arbeitgeber zu schützen, und führten zu diesem Zweck auch planmäßige Koalitionen und Arbeitseinstellungen herbei (s. darüber G. Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, Leipz. 1877). Bei der frühern strengen Scheidung des Gewerberechts nach Meistern, Gesellen und Lehrlingen war G. ein Rechtsbegriff. Die Arbeits- und Erwerbsverhältnisse der Gesellen waren durch besondere gesetzliche Bestimmungen geregelt und in den Zeiten gewerblicher Unfreiheit den mannigfachsten Beschränkungen unterworfen; überall war in der Regel eine bestimmte Lehrlingszeit und Gesellenprüfung vorgeschrieben. Die Beschränkungen sind nach Einführung der Gewerbefreiheit fortgefallen, in Deutschland allgemein erst nach der Gewerbeordnung von 1869, und das Wort G. ist kein Rechtsbegriff mehr. Rechtlich werden gelernte und ungelernte Arbeiter nicht mehr unterschieden (die auf sie bezüglichen Bestimmungen enthält für Deutschland der Titel 7 der Gewerbeordnung über "gewerbliche Arbeiter", für Österreich das 6. Hauptstück der Gewerbeordnung über "gewerbliche Hilfspersonale"). Aber im gewöhnlichen Leben und in der Wissenschaft wird jener Unterschied noch gemacht, und je nachdem gelernte Lohnarbeiter in sogen. Handwerksunternehmungen oder in industriellen Unternehmungen beschäftigt sind, unterscheidet man Handwerks- und Fabrikgesellen. Die Lage der letztern und der Gesellen in andern großen gewerblichen Unternehmungen ist Gegenstand der "industriellen Arbeiterfrage" (s. d.), die der Handwerksgesellen im Klein- und Mittelgewerbe ist Gegenstand der sogen. Gesellenfrage, die ihrerseits einen Teil der Arbeiterfrage (s. d.) bildet. Die Verhältnisse dieser Arbeiterklasse sind aber nur in geringem Grad Gegenstand eines sozialen Problems, die Gesellenfrage tritt an Inhalt und Bedeutung weit hinter die landwirtschaftliche (s. d.) und die industrielle Arbeiterfrage zurück. Vergleicht man die hier in Betracht kommenden Lohnarbeiter mit den industriellen, so ist ihre ganze ökonomische und soziale Lage eine wesentlich andre, viel günstigere. Vor allem schon dadurch, daß die Gesellenschaft für den größten Teil derselben nur eine Durchgangsstufe zum selbständigen Gewerbebetrieb ist und die meisten dieser Gesellen noch in jüngerm Lebensalter und unverheiratet sind. In den Unternehmungen überwiegt die Zahl der Arbeitgeber. Die Gesellen sind viel freier in der Wahl des Arbeitsorts, des Arbeitsvertrags und stehen auch dem letztern bei der Abrede der Bedingungen des Arbeitgebers (Arbeitszeit, Lohn, Arbeitsort) viel selbständiger gegenüber; von einer Übermacht derselben kann keine Rede sein. Viel günstiger liegen auch die Verhältnisse bezüglich der Arbeitsart: die Arbeit ist weniger monoton, anstrengend und gesundheitsschädlich, der G. verrichtet in der Regel gleiche Arbeitsleistungen und in denselben Räumen wie der Arbeitgeber. Übermäßige Arbeitszeit kommt wider den Willen des Gesellen kaum vor. Leichter ist die Lohnabstufung nach den Leistungen (Akkordlöhnung, Prämien beim Zeitlohn), und was sehr wesentlich: keine soziale Kluft scheidet Arbeitgeber und -Nehmer, die letztern können sich durch Fleiß, Moralität, Wirtschaftlichkeit, ordentliche Ausbildung etc. eine selbständige befriedigende Existenz schaffen. Übelstände gibt es auch hier, aber diese sind mit Ausnahme der geringen Arbeitsfähigkeit, über welche oft geklagt wird, und welche die Folge einer schlechten Ausbildung und eines schlechten Zustandes des Lehrlingswesens (s. d.) ist, und des Mangels der Versicherung gegen Unfälle, Krankheit, Tod (bei Verheirateten) und Alter auf dem Weg der Selbst- und Gesellschaftshilfe zu beseitigen. Zu solchen Übelständen gehören moralische, wie geringer Arbeitsfleiß, geringes Streben, sich ordentlich auszubilden und durch Fleiß, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit vorwärts zu kommen, eine schlechte Verwendung der freien Stunden, insbesondere ein liederliches Wirtshausleben etc.; mit der Freiheit ist auch die Zuchtlosigkeit gewachsen, hat der Kontraktbruch zugenommen und die sozialdemokratische Agitation auch hier Anhänger gefunden. Diese moralischen Mißstände haben zum Teil ihre Ursache in dem schlechten Zustand des Lehrlingswesens, die Reform desselben wird auch da eine Besserung herbeiführen; im übrigen können hier helfend einwirken: Vereine der verschieden-^[folgende Seite]