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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gestor - Gesundheitsamt.

Gestor (lat.), Träger, Führer, Gerant; g. feudi, Lehnsträger; g. negotiorum, Geschäftsführer, Geschäftsträger.

Gestrecktes Feld (streichendes Feld, Längenfeld), nach ältern Bergordnungen ein auf eine einzelne Lagerstätte beschränktes Grubenfeld, welches dem Streichen und Fallen derselben in einer gesetzlich festgestellten Länge und in einer durch die Vierung bestimmten Breite folgt und die ewige Teufe besitzt.

Gestreng (lat. strenuus, "tüchtig, wacker"), veraltetes Prädikat des niedern Adels und diesem im Range Gleichstehender, z. B. der Doktoren. "Ew. Gestrengen" pflegten früher die regierenden Bürgermeister in den Städten angeredet zu werden.

Gestrickte Gläser, Filigrangläser, bei welchen sich die Fädenlagen wie Maschen miteinander kreuzen.

Gestrikland, eine zum Gefleborg-Län gehörige Landschaft Schwedens, umfaßt das meist ebene Küstenland im O. von Dalarne, hat gute Wälder und Bergwerke (besonders auf Eisen), Flachsbau und Leinweberei und zählt (1880) auf 4393 qkm (79,8 QM.) 66,040 Einw. Hauptort ist Gefle.

Gestübe (Gestübbe), Gemenge von mehr oder weniger feuerfestem Thon mit Kohlen-, Koks-, seltener Graphitpulver, dient, mit Wasser so stark benetzt, daß es sich ballen läßt, zum Auskleiden des Gemäuers von Schachtöfen für das Schmelzen von Blei-, Kupfer-, Silber-, Zinnerzen (nicht Eisenerzen), um das Ofengemäuer gegen das Wegfressen durch die flüssige Schlacke zu schützen, ein leichtes Wegräumen von Ansätzen zu gestatten, als schlechter Wärmeleiter die Wärme zusammenzuhalten und wegen seines Kohlengehalts reduzierend zu wirken. G. (Fluggestübe) ist auch s. v. w. Flugstaub, Hüttenrauch. - In der Jägersprache bezeichnet G. die Exkremente des eßbaren Federwildes.

Gestus (lat.), s. Geste.

Gestüte, s. Pferd.

Gesucht, im Kurszettel s. v. w. begehrt. S. Geld und Brief.

Gesundbrunnen, die zu Heilzwecken angewendeten Quellen, s. Mineralwässer.

Gesunde Taxe, bei Havarieberechnungen die Taxierung dessen, was die Ware im gesunden Zustand, also vor der Beschädigung, wert gewesen sein würde.

Gesundheit (Sanitas), derjenige Zustand eines organischen Wesens, in welchem alle Organe ihre normale Leistungsfähigkeit besitzen. In diesem Sinn kommt G. nicht allein Menschen und Tieren, sondern auch den Pflanzen zu. Der Begriff der G. ist ebenso relativ, wie der Begriff des Normalen bedingt ist. Wenn man nur diejenigen Menschen als gesund bezeichnen wollte, bei denen alle Organe im besten Zustand der Ernährung und Leistungsfähigkeit sich befinden, so würden der Ungesunden mehr werden als der Gesunden, ja ganze Völker, wie die Eskimo u. a., würden nach unsern Vorstellungen vom normalen Ernährungszustand des Körpers nicht als gesund gelten können. Anderseits würden wir jemand, der schadhafte Zähne oder eine Verkrümmung seiner Zehen hat, nicht als krank bezeichnen, so daß das persönliche Wohlbefinden zur Aushilfe bei der Entscheidung nicht füglich zu umgehen ist. Die Erkrankung nur eines einzigen lebenswichtigen Organs reicht hin, die G. zu stören, und da dies vom Gehirn ebenso wie von Herz, Lunge und Leber gilt, so ist es unlogisch, eine körperliche G. von einer G. des Geistes zu unterscheiden. Das schöne Sprichwort der Römer: "Mens sana in corpore sano" bedeutet schon, daß eine wahre G. des Geistes von der G. des Körpers unzertrennlich ist. Die Lehre von der Erhaltung der G. heißt Hygieine; sie dient entweder dem einzelnen Individuum als private Hygieine oder dem Staatsinteresse als öffentliche Gesundheitspflege (s. d.).

Gesundheitsamt. Während in England, Amerika und der Schweiz die öffentliche Gesundheitspflege das allgemeine Interesse seit langem in hohem Grad in Anspruch nimmt, machte sich in Deutschland eine allgemeine regere Teilnahme selbst seitens der Ärzte erst seit der 1867 in Weimar zusammengetretenen ärztlichen Cholerakommission und der in demselben Jahr in Frankfurt a. M. erfolgten Bildung einer besondern hygieinischen Sektion der deutschen Naturforscherversammlung geltend. Es folgten 1869 die Bildung des Niederrheinischen, 1873 die des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege sowie der Ortsvereine in Berlin, Bremen, Magdeburg etc. 1869 wurde im Anschluß an die Sektionsverhandlungen der Naturforscherversammlung in Innsbruck dem Bundesrat des Norddeutschen Bundes eine Petition überreicht, worin um Vorlage eines Gesetzes über die Verwaltungsorganisation der öffentlichen Gesundheitspflege gebeten ward. Der Reichstag überwies 1870 diese Petition dem Kanzler zur Berücksichtigung, und 1875 trat das G. in Thätigkeit. Es ist dem G. die Aufgabe gestellt, seine Ziele der Regierung, dem Reichstag und dem großen Publikum selbst klarzulegen, das höhere einstige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, aber auch nicht durch zu hohe Forderungen abzuschrecken. Eine richtige Erkenntnis dessen, was das Amt zu leisten berufen ist, schöpft man am besten aus der von dem Amt selbst verfaßten und 1878 dem Reichstag durch den Bundesrat vorgelegten "Denkschrift über die Aufgaben und Ziele, die das kaiserliche G. sich gestellt hat, und über die Wege, auf denen es dieselben zu erreichen hofft". Hiernach nun gehört zur möglichst genauen Erforschung der Entstehungs- und Verbreitungsursachen der vermeidbaren Krankheiten wie zu deren Bekämpfung eine große Reihe systematisch geordneter Vorarbeiten im ganzen Reich; als gemeinsames Bindemittel und Vermittelungsorgan ist dafür eine medizinisch-wissenschaftliche Kontrollbehörde erforderlich. Die verfassungsmäßige Berechtigung des Reichs, nicht allein Gesetze auf dem Gebiet der Medizinal- und Veterinärpolizei selbst zu geben, sondern auch eine Anregung zu Maßnahmen der Landesgesetzgebung in den Einzelstaaten zu erteilen, setzt voraus, daß das G. auch aus eignem Antrieb die Reichsregierung von den Fortschritten der Gesundheitswissenschaft in Kenntnis setze und darauf gegründete Verbesserungsvorschläge unterbreite. Hierzu bedarf es zuvörderst eines Studiums aller Gesetze und sonstigen Vorgänge des In- und Auslandes auf dem betreffenden Gebiet. Eine tüchtige Medizinalstatistik ist Grundlage und Prüfstein; auch ist zu ihrer gleichmäßigen und einheitlichen Herstellung ein Zentralorgan erforderlich. Das Amt hat sich einstweilen in die Lage gesetzt, aus sämtlichen 149 Städten des Reichs mit mehr als 15,000 Einw. über die eigentlichen Todesursachen der Verstorbenen wie über die Geburten und die meteorologischen Verhältnisse berichten zu können. Diese Veröffentlichung (auch in vierteljährlichen und jährlichen Zusammenstellungen) erfolgt seit Januar 1877 übersichtlich und eingehend in tabellarischer Form. Eine fortlaufende Erkrankungsstatistik für die Angehörigen des Heers, der Marine, der Post, der Eisenbahnen, einer Anzahl von Knapp- und Genossenschaften sowie der unter Armenunterstützung lebenden Bewohner des Reichs wird bereits veröffentlicht oder doch angebahnt;