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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kamisol; Kamm; Kammeidechse; Kämmen; Kammer

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Kamisol - Kammer.

bedeutet eigentlich Blusenmänner, von camise, s. v. w. chemise, Hemd, Bluse (daher auch camisade, nächtlicher Überfall). Als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes zurückgenommen hatte (vgl. Hugenotten, S. 770 f.), erhoben sich die K. zur Verteidigung ihres Glaubens. Die Aussendung von Soldaten und Mönchen zu ihrer gewaltsamen Bekehrung entzündete nur um so mehr ihren Glaubenseifer, der sich bis zum Fanatismus steigerte. Propheten und Verzückte standen unter ihnen auf, welche die Menge in schwärmerische Begeisterung versetzten, so daß sie allen Angriffen eine rücksichtslose Todesverachtung, allen Peinigungen die größte Standhaftigkeit entgegensetzten. Die Wut des Volkes richtete sich zuerst gegen die Steuereinnehmer, viele wurden ermordet und ihre Häuser niedergerissen. Nachdem schon 1689 eine Empörung der K. mit den Waffen unterdrückt worden war, kam es zum allgemeinen Aufstand durch die Grausamkeit des Abbé du Chaila, der die Zufluchtsörter der K. aufspürte, sie daselbst beim Gottesdienst überfallen und zum Teil hängen, zum Teil einkerkern ließ. Wegen dieser Gewaltthaten wurde 1702 der Abbé mit den Seinigen erschlagen. Bald schwoll die begeisterte Schar der Aufständischen zu Tausenden an, und die gebirgige Beschaffenheit des Landes mit seinen Höhen und Schlupfwinkeln erleichterte ihnen den Kampf. Ihre Bekriegung war um so schwieriger, als Ludwig XIV. zugleich durch den spanischen Erbfolgekrieg in Anspruch genommen war und seine Gegner alles thaten, um die K. in ihrem Widerstand zu bestärken. Bereits hatten dieselben mehrere königliche Heere geschlagen und zum Teil vernichtet, als der König endlich 1703 den Marschall Montrevel mit 60,000 Mann gegen sie sandte. Dieser, ein ehemaliger Hugenotte, verfuhr auf das empörendste gegen seine frühern Glaubensgenossen. Massenweise wurden sie niedergemetzelt oder hingerichtet und das Land in eine Wüste verwandelt; 436 Dörfer waren zerstört worden. Die K. vergalten Gleiches mit Gleichem, in der Diözese Nîmes allein erwürgten sie 84 Priester und brannten gegen 200 Kirchen nieder. An ihrer Spitze stand ein 20jähriger Bäckerbursche aus Ribaute bei Anduze, Jean Cavalier. Die Kühnheit und Geistesgegenwart dieses Führers, die Schwierigkeit des Kampfes, die immer weitere Verbreitung des Aufstandes und Cavaliers Plan, sich in der Dauphiné mit dem Herzog von Savoyen zu vereinigen, drohten die höchste Gefahr. Die Einwohner von Nîmes, Montpellier, Orange, Uzes etc. standen mit den K. in Verbindung und unterstützten sie mit allem Notwendigen; alle Glocken der zerstörten Kirchen waren zu Kanonen etc. umgegossen worden. Da ersetzte Ludwig XIV. im April 1704 den unfähigen Montrevel durch den Marschall Villars. Dieser versuchte den Weg der Güte. Er verkündigte für alle, welche die Waffen niederlegen würden, Amnestie und ließ Gefangene, welche Treue gelobten, frei. Dagegen ließ er jeden, welcher mit den Waffen in der Hand gefangen ward, sofort töten und organisierte bewegliche Kolonnen, die nach allen Seiten hin operierten. Infolge davon ging eine Gemeinde nach der andern auf seine Anträge ein, und Cavalier selbst schloß endlich 10. Mai 1704 zu Nîmes einen Vergleich mit Villars; er trat als Oberst in die Dienste des Königs. Die Fanatischen unter den K. setzten den Kampf allerdings fort, wurden aber wiederholt besiegt und bis Ende 1704 unterworfen. Die Gewaltthaten Berwicks, der 1705 als Nachfolger Villars' den Oberbefehl erhielt, riefen einen neuen Aufstand hervor, zumal die K. von den Engländern und Holländern mit Geld und Waffen unterstützt wurden. Aber im April 1705 war auch dieser bewältigt und endeten die letzten Aufständischen zu Nîmes auf dem Scheiterhaufen. Das ganze Gebiet der Cevennen war aber entvölkert und verödet. Ein Teil der K. trat unter Cavalier, der Reue über seinen Abfall fühlte und den Dienst Ludwigs XIV. wieder verließ, in englische Dienste und focht auf seiten der Verbündeten in Katalonien, wo die meisten in der Schlacht bei Almansa 25. April 1707 den Untergang fanden. Cavalier ging nach England und starb als Gouverneur von Jersey 1740. Vgl. Court de Gébelins, Histoire des troubles des Cévennes ou de la guerre des Camisards (Villefr. 1760, 3 Bde.); Hofmann, Geschichte des Aufstandes in den Cevennen (Nördl. 1837), und die neuern Darstellungen von Lamothe (1868, 3 Bde.), Bonnemère (1869), La Baume (2. Aufl. 1875). Novellistisch behandelten den Stoff L. Tieck in seinem "Aufruhr in den Cevennen" und Sue in dem Roman "Jean Cavalier, ou les fanatiques des Cévennes".

Kamisol (v. lat. camisia, "Hemd"), kurzes, jackenartiges Kleid, das überdem Hemd getragen wurde; jetzt s. v. w. Unterwams, Jacke, auch Zwangsjacke.

Kamm, das zum Reinigen und Ordnen der Haare dienende bekannte Werkzeug, wird aus Horn, gehärtetem Kautschuk, seltener aus Schildpatt, Elfenbein, Knochen, Holz, Metall und aus künstlichen Massen, z. B. aus Leim und phosphorsaurem Kalk, dargestellt. Um das Haar dunkler zu färben, bedient man sich der Bleikämme (s. Haare, S. 973). Die Fabrikation der Kämme ist sehr einfach. Das zugerichtete ("zugeschickte") Horn wird "gezwickelt", d. h. es werden mit einer Säge die Zähne ausgeschnitten, worauf man diese mit der Größerfeile bearbeitet, die Spitzen wie ein verschobenes Viereck über Kreuz "külpt", dann die Zähne "gründet" (am Feld gehörig zurichtet), "abrundet" und schleift. Die letztern Arbeiten fallen bei Staubkämmen sogar weg, weil hier die Zähne zu klein sind, um einzeln bearbeitet werden zu können. In neuerer Zeit ist auch in der Kammmacherei die Handarbeit vielfach durch Maschinen verdrängt worden. Nachdem man schon in England zwei Kämme aus einem Stück Horn in der Weise hergestellt hatte, daß die Zähne des einen von den Zwischenräumen des andern geliefert wurden, was man einfach mit Durchstoßeisen erreichte, wurde die Fräsmaschine mit einer Reihe feiner Kreissägen zum Schneiden der Staubkämme benutzt, und jetzt werden namentlich die Gummi- und Hornkämme fast ausschließlich mit Hilfe der genannten Maschinen erzeugt. Vgl. Friedrich, Die Kammfabrikation, ihre Geschichte und gegenwärtige Bedeutung (Nürnb. 1883). - K. heißt ferner der obere Rand des Pferdehalses, wo die Mähne sitzt, daher Kammfett (s. d.); der Stiel der Trauben, an welchem die Beeren gesessen haben, und der zur Essigbereitung benutzt wird; der rote Fleischlappen auf dem Oberschnabel einiger hühnerartiger Vögel; im Maschinenwesen die Zähne der hölzernen Kammräder, auch s. v. w. Daumen (s. d.); auch ein Bestandteil des Webstuhls.

Kamm (Gebirgskamm), s. Gebirge, S. 971.

Kammeidechse, s. v. w. Leguan.

Kämmen, das Abstreifen der Wolle des Hasen oder des Haars beim Fuchs in ungewöhnlicher Menge durch einen Streifschuß.

Kammer (altd. chámara, v. lat. camera, "Gewölbe, gewölbtes Zimmer"), ursprünglich bei den fränkischen Königen das Gemach, worin sie ihr besonderes Eigentum verwahrten; dann der Ort, wo