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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kirchengebote; Kirchengemeinde; Kirchengemeinschaft; Kirchengeräte; Kirchengesang und Kirchenlied

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Kirchengebote - Kirchengesang und Kirchenlied.

Kirchengebote, gewisse aus der Praxis der Kirche hervorgegangene Satzungen, welche den Zehn Geboten gleichgestellt und seit dem Katechismus des Canisius (s. d.), freilich in nicht ganz übereinstimmender Weise, auf eine Fünfzahl gebracht worden sind: alle Sonn- und Festtage eine Messe zu hören, die Fastenzeit und den Unterschied der Speisen gehörig zu beachten, wenigstens einmal des Jahrs zu beichten und gegen Ostern zu kommunizieren, endlich in der sogen. geschlossenen Zeit (s. d.) des Kirchenjahrs keine Hochzeiten zu feiern.

Kirchengemeinde (Parochie), der Bezirk, welcher zu einer gewissen Kirche gehört, und seine Bewohner (Parochianen). Die K. fällt keineswegs stets mit der politischen Gemeinde zusammen, vielmehr sind vielfach größere politische Gemeinden in verschiedene Kirchengemeinden eingeteilt, während umgekehrt kleinere politische Gemeinden zu einer K. mit einer gemeinsamen Pfarrkirche vereinigt sind. Die Einrichtungen der K. sind durch die Kirchengemeindeordnung bestimmt.

Kirchengemeinschaft, die Verbindung der Parochianen einer Kirche, durch welche denselben gewisse Pflichten und Rechte, namentlich der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Gottesverehrung und an dem Gebrauch der Sakramente, zukommen; dann Bezeichnung einer gesamten Religionsgesellschaft und der Zugehörigkeit zu dieser. Vgl. auch Kirche, besonders S. 748.

Kirchengeräte, im weitern Sinn alle zur innern Ausstattung einer Kirche gehörenden Möbel und Gebrauchsgegenstände, im engern Sinne nur die zur Ausübung der gottesdienstlichen Handlungen nötigen Objekte. Kirchliche Möbel sind die Bänke und Stuhlreihen (Gestühle) für die ganze Gemeinde sowie für abgesonderte Korporationen, die Chorstühle für die Geistlichkeit, die Kanzel mit Schalldeckel, Betstühle und Betschemel, der Altar, die Tabernakel, Sakramentshäuschen, Orgel, Taufbecken und -Steine etc. Alles Bewegliche (Stühle etc.) ist gewöhnlich von Holz, alles Stabile (Altar, Taufstein, Kanzel etc.) meist von Sandstein, Marmor, Granit u. dgl. Die Becken, welche später in die Taufsteine eingelassen wurden, waren nebst den dazu gehörigen Deckeln von Metall. Die K. im engern Sinn gruppieren sich um den Altar, indem sie teils zu seinem Schmucke gehören (Altardecke, Paramente, Altarleuchter, Reliquiarium, Kruzifixe), teils bei heiligen Handlungen dienen (Monstranz, Kelch, Weihrauchkessel, Glocken, Patenen, Ciborien, Aquamanilien, Kußtäfelchen, Hostienbüchsen u. a.). Alle diese Geräte waren schon in den frühsten Zeiten der christlichen Kirche Gegenstände der künstlerischen Ausschmückung, an welchen sich die Kunst und später das Kunsthandwerk ausgebildet und entwickelt haben. Die kirchliche Kunst war die Vorläuferin und der Halt der profanen Kunst. Die verschiedenen Techniken sind zuerst in den Dienst der Kirche getreten, und insbesondere hat sich die Goldschmiedekunst sowie die Metallotechnik überhaupt und das Email durch die Verfertigung von Kirchengeräten zu der Höhe emporgearbeitet, welche diese Zweige des Kunstgewerbes im 15. und 16. Jahrh. erreichten. Die ältern K., namentlich diejenigen, welche in ältern Gotteshäusern die Dom- oder Kirchenschätze bilden, gehören meist dem frühchristlichen oder byzantinischen, dem romanischen und dem gotischen Stil an. Letzterer hat sich in Kirchengeräten noch bis tief in die Zeiten der Renaissance hinein erhalten, wo gotische Formen neben gotischen und Renaissanceornamenten oft an demselben Gerät auftreten. Auch in unserm Jahrhundert hat man bei der Anfertigung von K. den gotischen Stil bevorzugt. Hauptsitze dieser modernen Industrie sind: Köln, Aachen, München, Wien, Brüssel, Mecheln, Paris, Lyon, London und Birmingham. Die verschiedenen Arten der K. sind aufgezählt bei Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters (5. Aufl., Leipz. 1883-85, 2 Bde.), und Lübke, Vorschule zum Studium der kirchlichen Kunst (6. Aufl., das. 1873). Für eine künstlerische Behandlung der K. wirken die Zeitschriften: "Christliches Kunstblatt" (Stuttg., seit 1858), Prüfers "Archiv für kirchliche Kunst" (Berl., seit 1877), die "Revue de l'art chrétien" (Lille) u. a.

Kirchengesang und Kirchenlied. Wie schon im religiösen Kultus des Altertums, bei Griechen, Juden etc., der Gesang, meist von Instrumenten begleitet, eine hervorragende Rolle spielte, so kam auch in der christlichen Kirche die Gesangsmusik schon frühzeitig in Anwendung und gelangte hier im Lauf der Zeit zu hoher und kunstvoller Ausbildung (s. Kirchenmusik). Diese geistlichen Gesänge des Mittelalters bestanden zumeist in Psalmen und Hymnen, zum Teil von ergreifender Schönheit, wie z. B. das "Stabat mater" des Jacopone de Todi, das "Dies irae" des Thomas von Celano u. a. bezeugen; aber in lateinischer Sprache abgefaßt (wie der ganze Gottesdienst in derselben gehalten wurde) und von Sängerchören vorgetragen, blieben sie dem Volk selbst fremd. Das einzige, was man diesem jahrhundertelang in der Kirche zu singen gestattete, war der Ruf "Kyrie eleïson" ("Herr, erbarme dich!"), den es nach der Predigt und bei der Vesper im Chor erschallen ließ. Von den Minnesängern im 12. und 13. Jahrh. (z. B. von Walther von der Vogelweide) wurden wohl zahlreiche religiöse Lieder verfaßt; allein sie waren von zu subjektiv-individuellem Charakter, als daß sie zu Kirchengesängen oder zu geistlichen Volksliedern hätten dienen können. Daß aber das Volk gleichwohl schon in früher Zeit geistliche Lieder besaß und sang, dafür liegen mehrfach Zeugnisse vor. Als das älteste derselben ist ein altdeutscher Lobgesang auf den heil. Petrus aus dem 9. Jahrh. erhalten, aus drei Strophen bestehend, deren jede mit dem Refrain "Kyrie eleïson" endigt. Man sang dergleichen Lieder jedoch nur bei außerkirchlichen Anlässen, an Festtagen und bei Begräbnissen, bei Wallfahrten, bei Bitt- und Bußgängen, auf den Kreuzzügen, im Krieg vor und nach der Schlacht sowie auf der See. Diese ältesten deutschen geistlichen Lieder wurden Leisen (abgekürzt von dem gewöhnlichen Refrain "Kyrie eleison") genannt, und diese Benennung erhielt sich bis ins 15. Jahrh. Am verbreitetsten waren von ihnen der Osterleis ("Krist ist erstanden"), der Himmelfahrtsleis ("Krist fur gen himel") und der Pfingstleis ("Nu bitten wir den heiligen geist"), die später auch beim Gottesdienst Anwendung fanden. Im 14. und 15. Jahrh. kam der deutsche religiöse Gesang mehr und mehr in Schwung, so namentlich durch die weichen und innigen Lieder der Mystiker, die Bußgesänge der Geißelbrüder, durch Übersetzungen alter lateinischer Kirchenhymnen, auf welchem Gebiet der Benediktiner Hermann von Salzburg und nach ihm der Priester Heinrich von Laufenberg vor andern thätig waren, endlich durch Umdichtung weltlicher Gesänge zu geistlichen Liedern.

Das eigentliche Kirchenlied, d. h. das geistliche Lied, das in der Kirche von der versammelten Gemeinde zu ihrer Erbauung gesungen wird und einen wesentlichen Bestandteil des evangelischen Gottesdienstes ausmacht, ist das eigenste Erzeugnis der Re-^[folgende Seite]