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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kontinénz; Kontingént; Kontingentierung der Banknoten; Kontingentierung der Steuern

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Kontinenz - Kontingentierung der Steuern.

für denationalisiert erklärt ward. Dergleichen Schiffe sollten ebenso wie diejenigen, welche die Blockade Englands gebrochen hatten, als gute Prisen angesehen werden. Die Denunzianten sollten nach einem Dekret vom 11. Jan. 1808 den dritten Teil des erbeuteten Guts erhalten. Der K., welcher anfangs bloß Frankreich, Holland, ein großer Teil Italiens und die Rheinbundsstaaten beipflichteten, traten im Tilsiter Frieden 7. und 9. Juli 1807 Preußen und Rußland, durch den Vertrag von Fontainebleau 31. Okt. 1807 Dänemark, 27. Okt. 1807 Spanien, das 8. Jan. 1808 seine Häfen für die englische Flotte verschlossen erklärte, endlich 18. Febr. 1808 auch Österreich bei. Rußland und Dänemark sollten in den nordischen Meeren, Frankreich, Spanien, Holland und Italien im Mittelländischen Meer und im Ozean den Handel mit englischen Waren verhindern. Da Portugal den Anschluß verweigerte, wurde es von den Franzosen besetzt und die Dynastie Braganza vertrieben. Allein bald tauchte eine Reaktion gegen die K. auf, die immer weiter um sich griff. An eine strenge Durchführung der K. war ohnehin nicht zu denken; vielmehr fand der Handel eine Menge Mittel und Wege, wodurch das verhaßte System umgangen wurde. Vorzüglich die Nordamerikaner und griechische Seeleute betrieben diesen Handel mit englischen Waren in französischen und neutralen Häfen. Weil der Schleichhandel besonders an der holländischen Küste eifrigst betrieben wurde und König Ludwig ihn nicht streng genug bestrafte, wurde Holland 1810 mit Frankreich vereinigt, ebenso die ganze deutsche Nordseeküste sowie Lübeck. Da nun das Überhandnehmen des Schleichhandels die Zwecke der K. zum Teil vereitelte, so verordnete Napoleon durch die Dekrete vom 5. Aug. und 12. Sept. 1810 (Tarif von Trianon), daß alle Kolonialwaren als aus dem englischen Handel herrührend betrachtet und daher mit 50 Proz. Kontinentalsteuer belegt sein sollten. Das Dekret von Fontainebleau vom 19. Okt. 1810 verordnete sogar die Verbrennung und Vernichtung der englischen Waren. Gleichwohl wurden Mittel und Wege gefunden, diese strengen Maßnahmen zu umgehen, und dadurch, daß der Kaiser später gegen die Lösung eines Lizenzscheins die Einfuhr einer gewissen Menge englischer Waren gegen die Ausfuhr einer gewissen Menge französischer Manufakturwaren nach England gestattete, sank die K. zuletzt zu einem Mittel zur Bereicherung seiner leeren Kassen herab; 1810 nahm er, ohne die konfiszierten Waren zu rechnen, 150 Mill. Frank an Steuern und Lizenzen ein. Die K. fiel schließlich durch die gegen Napoleon gerichtete Allianz Rußlands und Englands 1812 und die große Koalition von 1813.

Was die politische Bedeutung der K. anlangt, so trug dieselbe ohne Zweifel viel zur Erhöhung des schon vorhandenen Hasses gegen Napoleon bei und war mithin schon deshalb eine gänzlich verfehlte Maßregel. England erlitt durch sie überdies wenig Einbuße, indem es sich neue Absatzwege eröffnete und die feindlichen Kolonien um so mehr brandschatzte. Wiewohl zum Ersatz der verteuerten Kolonialwaren und Manufakturen manche Industrien sich entwickelten, wie namentlich die Rübenzuckerfabrikation, so hatte die K. doch auch nationalökonomische Nachteile in ihrem Gefolge. Sie rief notwendig eine Menge ephemerer Unternehmungen hervor, für die in den natürlichen Verhältnissen ihres Bodens kein Grund vorhanden war, und die bald für viele sichern Ruin zur Folge hatten. Durch die tödliche Feindschaft, die man England erklärt hatte, versperrte man der Industrie und dem Handel des Festlandes allen Zutritt zu den überseeischen Ländern und benachteiligte also gerade die Unternehmungen, die trotz des sogen. Monopols der Engländer naturgemäß erwachsen waren. Indem man ferner Gegenstände vom Handel ausschloß, die zum Bedürfnis geworden waren, legte man den Konsumenten unerschwingliche Lasten auf, da die benötigten Artikel teils nur notdürftig und mit Mühe durch einheimische ersetzt, teils vom Inland nur zu enormen Preisen oder gar nicht geliefert werden konnten. Kurz, der ganze Handel geriet durch die K. in falsche Geleise. Vgl. Kiesselbach, Die K. (Stuttg. 1849).

Kontinénz (lat.), Enthaltsamkeit.

Kontingént (v. lat. contingens, das den einzelnen "Treffende", auf ihn Entfallende), im allgemeinen s. v. w. Zuschuß, Beitrag; militärisch Bezeichnung für die Truppenzahl, welche in einem Staatenverein jeder einzelne Staat zu der gemeinsamen Heeresmacht zu stellen hat. So setzte sich das ehemals deutsche Reichsheer aus einer großen Zahl teilweise sehr kleiner Kontingente zusammen. Die Größe dieser Kontingente, nach Kreisen geordnet, war zuerst unter Karl V. 1521 durch die sogen. Wormser Matrikel festgesetzt worden, und nach einem Reichsschluß von 1681 betrug das Reichsheer in der Regel 28,000 Mann zu Fuß und 12,000 zu Pferde. Die einzelnen deutschen Landes- (Kontingents-) Herren hatten daneben die volle Militärhoheit und ihr eignes Militär. Auch der Deutsche Bund hielt an dem Kontingentssystem fest. In Kriegszeiten sollte ein Heer aus Kontingenten der Bundesstaaten gebildet und ein Bundesfeldherr von der Bundesversammlung gewählt werden. Die Stärke der Kontingente war zuletzt durch Matrikel vom 14. April 1842 bestimmt, die Einrichtung und Zusammensetzung derselben durch die Bundeskriegsverfassung vom 11. Juni 1822 (Zusätze dazu vom 4. Jan. und 15. Nov. 1855). Hiernach bestanden die Kontingente der einzelnen Staaten aus 1⅔ Proz. der Gesamtbevölkerung und zwar 1⅙ im Hauptkontingent, ⅓ im Reservekontingent und ⅙ Proz. im Ersatzkontingent; die beiden erstern rückten ins Feld oder hatten die Bundesfestungen zu besetzen; das Ersatzkontingent blieb zur Ausbildung des Ersatzes im eignen Staat zurück. Vgl. Deutschland (Heerwesen). - K. heißt auch der den Truppenteilen für unbrauchbare Ausrüstungsstücke jährlich zu überweisende Ersatz an dergleichen, der deshalb auch Jahreskontingent genannt wird. - Kontingentieren, das K. der Beteiligten festsetzen.

Kontingentierung der Banknoten, die Vorschrift, daß die auszugebenden Banknoten überhaupt oder daß die ungedeckt ausgegebenen Banknoten einen bestimmten Betrag, die Kontingentsziffer, nicht überschreiten dürfen. In England wurde die K. durch die Peelsche Bankakte von 1844 eingeführt. Die Bestimmung des deutschen Reichsbankgesetzes, nach welcher die über einen gewissen Betrag hinaus ausgegebenen Noten einer Steuer von 5 Proz. unterliegen, hat man eine indirekte K. genannt.

Kontingentierung der Steuern bedeutet die Festsetzung der letztern auf einen bestimmten, nicht zu überschreitenden Betrag, welcher hierauf auf die Steuerpflichtigen nach einem bestimmten Maßstab verteilt (repartiert) wird. Kontingentierte Steuern sind hiernach Repartitionssteuern. Die K. soll verhindern, daß eine gewisse Steuer eine Überbürdung herbeiführe. Aus diesem Grund hat man in Preußen seit 1861 die Grundsteuer auf 10 Mill. Thlr., nach der Vergrößerung der Monarchie 1866 auf 40 Mill. Mk. und seit 1873 die Klassensteuer auf 11 Mill. Thlr.