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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kultus

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Kulturtechnik - Kultus.

welche auf den Gesetzen der Ingenieurwissenschaft basieren, als in das Gebiet der K. gehörig bezeichnen können. Letztere Definition würde aber bedingen, daß auch der Hochbau, der Wegebau und das landwirtschaftliche Maschinenwesen in die Funktionen des Kulturtechnikers (Kulturingenieurs) einbezogen würden. Da sich jedoch hierdurch die Thätigkeit der Kulturtechniker zu vielseitig gestalten würde, so pflegt man gemeinhin die Arbeiten des landwirtschaftlichen Wasserbaues als K. zu bezeichnen. Erst in neuerer Zeit wurde die Frage, in welcher Weise die K. am besten zu fördern sei, von den verschiedensten Seiten beleuchtet. Bis vor etwa einem Jahrzehnt bestand insofern eine strenge Teilung der Arbeiten, als die größern landwirtschaftlichen Meliorationen, d. h. die Zu- und Ableitung des Wassers bei den Anlagen für Be- und Entwässerung, von den Wasserbauingenieuren (Meliorationsbaumeistern) ausgeführt wurden, welche in der Regel in keiner oder nur sehr geringer Beziehung zur Landwirtschaft standen und somit ihre Anlagen ausschließlich mit Berücksichtigung der hydrotechnischen Regeln herstellten. Landwirtschaftliche Gesichtspunkte, z. B. über den Wasserbedarf, über die Wirkung des Wassers auf die verschiedenen Kulturen, über den mutmaßlichen Ertrag nach ausgeführter Melioration, konnten in der Regel nicht beantwortet werden, da hierzu alle erforderlichen Grundlagen fehlten. Die rein technischen Arbeiten, wie die Tracierung und Erbauung der Kanäle, Schleusen, Wehre, Überleitung etc., wurden dagegen zumeist in entsprechender, freilich auch häufig in übermäßig kostspieliger Weise ausgeführt. Die lokalen Arbeiten bei der Ent- und Bewässerung, d. h. also die Anlagen von Drainagen und Wässerwiesen, erfolgten in früherer Zeit durch Draintechniker, Wiesenbaumeister und Geometer, welche sich die erforderliche Routine für diese Arbeiten erworben hatten. Für die Drainage erwies sich die Übertragung der Arbeiten an derartige Praktiker meist als zulässig; es bildeten sich im Lauf der Zeit in fast allen Distrikten Persönlichkeiten aus, welche die ihnen übertragenen Arbeiten zur Zufriedenheit lösten. Anders lag jedoch die Sache in betreff der Bewässerungen. Die Ansichten über das Wesen derselben, über die Wirkung des Wassers auf Boden und Vegetation, über den Einfluß des Bodens und des Klimas gingen noch vor einem Jahrzehnt so weit auseinander, daß es unzulässig erschien, eine Schablone aufzustellen, nach welcher Bewässerungsanlagen auszuführen seien. Es kam hierzu noch, daß sich eine Anzahl der verschiedensten Systeme der Bewässerung schroff gegenüberstand und lebhafte Kontroversen über den Wert derselben unter den Fachmännern entstanden. Von einigen Seiten wurde dem Kunstwiesenbau, wie er im Siegener Distrikt seit länger als einem Jahrhundert eingeführt ist, das Wort geredet; ein seiner Zeit sehr verdienstvoller Techniker, L. Vincent in Regenwalde, entwickelte neue Grundsätze über die Anlage von Wässerungswiesen und bezeichnete seine Lehre als den "rationellen" Wiesenbau. Ferner wurde durch den Gutsbesitzer Petersen in Witkiel ^[richtig: Wittkiel] (Holstein) ein neues System geschaffen, bestehend in der Kombination einer Oberflächenbewässerung mit einer Drainage. Alle drei Systeme waren auf rein empirischem Weg entstanden und weiter ausgebildet worden; jedem derselben wurde von seinen Anhängern ein genereller Wert zugeschrieben; eine auf wissenschaftlicher Grundlage nachgewiesene Berechtigung existierte bei keinem dieser Systeme. Diese mußte in erster Linie geschaffen werden, wenn der Wiesenbau aus der bisherigen Empirie in ein wirklich rationelles System übergeführt werden sollte, und hierzu sollte vor allem die K. berufen sein. Eine gedeihliche Förderung der K., d. h. eine Aufschließung der Kräfte, welche in dem Boden und dem Wasser schlummern, zur Hebung der Bodenkultur, konnte aber nur in dem Fall ermöglicht werden, daß dem Kulturingenieur eine zweckmäßig geordnete Thätigkeit überwiesen wurde, in ähnlicher Weise wie den Ingenieuren des Wasserbaues, denen die Regulierung der Flüsse und Ströme obliegt. Es handelte sich somit um eine Organisation des kulturtechnischen Dienstes unter staatlicher oder gesellschaftlicher Autorität. In Bayern, Baden und Elsaß-Lothringen, in Ungarn und einzelnen österreichischen Kronländern besteht eine derartige Organisation; die Kulturingenieure sind für bestimmte Distrikte fest angestellt, unterstehen einer Zentralbehörde und haben die in ihrem Gebiet vorkommenden Meliorationsarbeiten zu entwerfen, auszuführen, bez. bei minder bedeutenden Aufgaben zu überwachen, zu welchem Zweck ihnen je nach Bedarf eine Anzahl von Unterorganen (Kreiswiesenbauaufseher, Kulturvorarbeiter) beigegeben werden. Es mag nun die Organisation und Instruktion eine noch so vollkommene sein, so wird eine gedeihliche Entwickelung der K. nur unter Zusammentreffen folgender Umstände möglich sein: 1) wenn die Ingenieure ihr Fach vollständig beherrschen; 2) wenn in landwirtschaftlichen Kreisen das Verständnis für den Wert der kulturtechnischen Meliorationen immer mehr eindringt; 3) wenn den Grundbesitzern die Möglichkeit gegeben ist, gegen mäßige Verzinsung Gelder zur Ausführung der Meliorationen aufzunehmen; 4) wenn ein rationelles, speziell das landwirtschaftliche Meliorationswesen berücksichtigendes Wasserrechtsgesetz besteht. In der neuesten Zeit ist man fast überall bestrebt, die Förderung der K. nach diesen Gesichtspunkten hin zu bewirken; namentlich wird das Studium des Faches an verschiedenen landwirtschaftlichen und technischen Hochschulen (Berlin, Wien, München, Poppelsdorf) ermöglicht; auch die Finanzierung wird durch Rentenbanken oder, wie in Österreich, durch den mit dem Gesetz vom 30. Juni 1884 geschaffenen Meliorationsfonds wesentlich erleichtert. Vgl. Dünkelberg, Encyklopädie und Methodologie der K. (Braunschw. 1883, 2 Bde.); "Landeskulturzeitung", Fachblatt für die gesamte K. (hrsg. von Müller-Köpen, Berl. 1886 ff.); "Ausbildung und Prüfung der preußischen Landmesser und Kulturtechniker. Verordnungen und Erlasse" (das. 1887).

Kultus (lat., "Pflege, Verehrung"), nach klassischem Begriff die Verehrung, welche die Menschen der Gottheit zollen, nach jetzigem Sprachgebrauch alles, was zur äußern Darstellung und bestimmten Ausgestaltung gemeinsamer religiöser Erfahrungen und Anschauungen dient, also vornehmlich die Form der gemeinsamen Gottesverehrung samt allem, was dazu gehört, also Opfer und Gelübde, Gebete, heilige Gesänge, heilige Zeichen und Sinnbilder. Der Verschiedenheit des religiösen Vorstellungskreises entspricht naturgemäß eine Verschiedenheit der Kultusformen, so daß wir gerade die Religionen der niedern Stufe, welchen eine ausgeprägte Lehre abgeht, vorzugsweise nach ihrem K. beurteilen. Durchweg tritt hier der K. als verdienstliches Handeln in der Richtung auf Gott auf. Aber auch wo das Bewußtsein aufgegangen ist, daß innerliche Hingabe und sittliche Leistung den wahren Gottesdienst ausmachen, verbleibt dem K. noch die Bedeutung eines Darstellungs- und Belebungsmittels der gemeinsamen Frömmigkeit. Sein