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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Landpfleger - Landsassen.

(1824-28, 3 Bde.; zweite Serie 1829, 3 Bde.; neue Ausg. 1883, 5 Bde.), denen "Pericles and Aspasia" (1836, 2 Bde.) folgte. In diesen Werken, die man nicht für sogen. Totengespräche halten darf, hat er in Kraft und Zartheit beinahe alle Saiten des menschlichen Lebens angeschlagen, eine Masse von Kenntnissen an den Tag gelegt, an manchen Stellen die höchste dramatische Kraft erwiesen, mit größter Sorgfalt des Stils die Sprache in gedrungener Fülle auf den Gipfel der Schönheit erhoben. An öffentlichen Angelegenheiten nahm L. sein ganzes Leben lang den regsten Anteil, in Schrift wie Handlung. Von Ludwig Napoleon, mit dem er lange befreundet war, wandte er sich nach dem Waffenstillstand von Villafranca heftig ab. Von Mina und Bolivar bis zu Kossuth und Garibaldi hatten die Vorfechter nationaler oder freiheitlicher Kämpfe seine thätige Sympathie. Gegen das Ende seines Lebens ward er wegen Beleidigung einer Dame verklagt und zu hoher Geldbuße verurteilt. Er konnte oder wollte die 1000 Pfd. Sterl. nicht zahlen und begab sich nach Italien zurück; dort starb er 17. Sept. 1864 in Florenz. Seine Dramen: "Count Julian" (1812), "Andrea of Hungary" und "Giovanni of Naples" (1839) haben sich die Bühne nicht erobert; seine Gedichte "Hellenics" (1847) sind sehr geschätzt. Seine letzten Werke waren: "The last fruit of an old tree" (1853), "Dry sticks" (1858) und "Heroic idylls" (1863) mit der rührenden Dichtung "Der Tod des Homer". Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1876 in 8 Bänden (mit Biographie von Forster). In Deutschland ward L. erst von E. Oswald eingeführt durch "Männer u. Frauen" (Auswahl aus den "Erdichteten Gesprächen", Paderb. 1878). Vgl. J. ^[John] Forster, W. S. L., a biography (Lond. 1879); Colvin, L. (das. 1881).

Landpfleger, in der Bibel Übersetzung des römischen Titels Prokurator (s. d.).

Landquart (für Lanquart), s. Prätigau.

Landrat, in Preußen (mit Ausnahme des Regierungsbezirks Sigmaringen) Amtstitel der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde (Landratsamt), resp. des Beamten, welchem die Funktionen derselben übertragen sind. Früher lediglich ein durch die Wahl der Ritterschaft aus deren Mitte besetztes Kommunalamt und zugleich wesentlich ein Ehrenamt, ist das Landratsamt dermalen in ein Berufsamt mit staatlichen Funktionen umgewandelt. Der L. ist die erste Landespolizei-Instanz, er ist überhaupt das Organ der Staatsregierung für die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung; zugleich aber hat er nach der Kreisverfassung (s. d.) als Vorsitzender des Kreistags und des Kreisausschusses die Kommunalverwaltung des Kreises zu leiten. Der L. wird vom König ernannt, doch ist die Kreisversammlung befugt, für die Besetzung eines erledigten Landratsamtes geeignete Personen aus der Zahl der Grundbesitzer und der Amtsvorsteher des Kreises in Vorschlag zu bringen. Dagegen erfolgt die Wahl der zur Stellvertretung des Landrats bestimmten beiden Kreisdeputierten jedesmal auf sechs Jahre durch den Kreistag, vorbehaltlich der Bestätigung durch den Oberpräsidenten. Für kürzere Verhinderungsfälle kann der Kreissekretär als Stellvertreter eintreten. Übrigens ist der Titel L. in einzelnen deutschen Kleinstaaten, nämlich in Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Sachsen-Meiningen sowie in den reußischen und in den schwarzburgischen Fürstentümern, für die erstinstanzlichen Verwaltungsbehörden adoptiert worden. In Bayern (s. d., S. 546) wird die zur Vertretung einer Kreisgemeinde berufene ständische Versammlung L. genannt. In Mecklenburg heißen die acht Vertreter des eingebornen oder rezipierten Adels in dem ständischen Direktorium Landräte. Zwei Landräte gehören dem engern Ausschuß der Ritter- und Landschaft an.

Landrauch, s. v. w. Herauch (Höhenrauch).

Landrecht, im Mittelalter das gemeine Recht im Gegensatz zu den Stadt- und Hofrechten, zu dem Lehnrecht und den Lehnsgewohnheiten; dasjenige Recht, welches in den Landgerichten, wo unter Königsbann gerichtet wurde, galt. Die frühsten Aufzeichnungen des Landrechts sind der "Sachsenspiegel" und der "Schwabenspiegel", welche beide auch einen lehnrechtlichen Teil enthalten. Mit der Ausbildung der Landeshoheit wurden verschiedene Partikulargesetzgebungen L. genannt, wie das österreichische L. aus dem 13. Jahrh., das bayrische und rheingauische, das württembergische von 1555 etc. L. heißen endlich einige Landesgesetzgebungen (Kodifikationen des Privatrechts) der Neuzeit, welche an die Stelle der Quellen des gemeinen Rechts getreten sind und die fremden rezipierten Rechte ausschließen, wie das preußische, das österreichische und das badische L. (s. Deutsches Recht).

Landrecies (spr. langdrössih), Stadt und ehemalige Festung im franz. Departement Nord, Arrondissement Avesnes, an der Sambre, Station der Nordbahn, mit (1881) 3794 Einw., Fabrikation von Flaschen, Öl, Farben und Zichorie, Leinwandbleichen und einem Collège. - L. ward 1543 vom Kaiser Karl V. erobert und befestigt; nach der Eroberung durch Turenne kam es im Pyrenäischen Frieden 1659 definitiv an Frankreich. Es ist Geburtsort des Marschalls Clarke, Herzogs von Feltre, dessen Grabmal sich hier in der Pfarrkirche befindet.

Landreiter, früher berittene Polizeibeamte mit ähnlichen Funktionen wie unsre Gendarmen.

Landrente, s. v. w. Bodenrente (s. d.).

Landrentenbanken, s. Rentenbanken.

Landrohrgras, s. Calamagrostis.

Landsassen (landsässige Unterthanen) hießen zur Zeit des frühern Deutschen Reichs diejenigen, welche außer der Reichsgewalt noch der Staatsgewalt desjenigen Territorialherrn unterworfen waren, in dessen Gebiet sie sich befanden, im Gegensatz zu den Reichsunmittelbaren. Dieses Verhältnis hieß Landsassiat. Mit Rücksicht hierauf spricht man noch jetzt, namentlich in Preußen, von landsässigen Fürsten im Gegensatz zu den früher reichsunmittelbaren, nunmehr mediatisierten Fürstenhäusern. Zur Zeit des frühern Deutschen Reichs verstand man unter Landsassiat auch die Gerichtspflichtigkeit oder Unterthanenschaft überhaupt, indem man zwischen dinglichem und persönlichem Landsassiat (Gerichtsstand) unterschied. Nach gemeinem Recht war die Gerichtspflichtigkeit des landsässigen, d. h. im Inland mit Grundbesitz angesessenen, Ausländers auf dingliche Klagen beschränkt, welche ebendiesen Grundbesitz betrafen. Man bezeichnete dies als unvollkommenen Landsassiat (Landsassiatus minus plenus). Partikularrechte hatten jedoch zuweilen den landsässigen Ausländer (Forensen) für verpflichtet erklärt, sich auf alle Klagen von Inländern bei dem inländischen Gericht der belegenen Sache einzulassen (vollkommener Landsassiat, Landsassiatus plenus). Die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 24 f.) erklärt nicht nur für alle Klagen, durch welche das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, desgleichen für Grenzscheidungs-, Teilungs- und Besitzklagen,