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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Lingen - Linguet.

halten. Sie erinnern an Ph. Wouwerman und Karel Dujardin. Eine Ansicht des im Bau begriffenen Stadthauses zu Amsterdam befindet sich in letzterm. Das Wiener Belvedere besitzt einen Seehafen und Bauern in einer Landschaft, das Museum des Haag eine Heuernte. L. hat auch Landschaften von Hobbema, Wynants, Moucheron, Hackaert u. a. mit Staffagen versehen.

Lingen, Grafschaft des ehemaligen westfäl. Kreises, von den Bistümern Münster und Osnabrück und der Grafschaft Tecklenburg umgeben, zerfiel in die obere und niedere Grafschaft; jene, zu welcher bloß vier Kirchspiele (Ibbenbüren, Brochterbeck, Recke und Mettingen) gehörten, bildet jetzt einen Teil vom Kreis Tecklenburg des preußischen Regierungsbezirks Münster; diese, deren Areal 330 qkm (6⅕ QM.) mit 21,000 Einw. umfaßte, ist jetzt mit einigen andern Gebietsteilen zum Kreis L. des Regierungsbezirks Osnabrück vereinigt. Die Grafschaft L. war von jeher mit der Grafschaft Tecklenburg verbunden und wurde erst 1508 bei der Teilung zwischen den Brüdern Otto XII. und Nikolaus IV. aus dieser Union gesondert und zugleich so geteilt, daß Nikolaus die obere Grafschaft, Otto die untere erhielt. Als Nikolaus 1541 ohne männliche Erben starb, vereinigte sein Neffe Konrad von Tecklenburg die ganze Grafschaft L. Dieser jedoch, wegen seines Beitritts zum Schmalkaldischen Bund vom Kaiser Karl V. geächtet, mußte L. 1548 dem Grafen Maximilian von Buren überlassen. Die Vormünder der von Maximilian hinterlassenen Tochter Anna, die sich später mit dem Prinzen Wilhelm von Nassau-Oranien verheiratete, verkauften die Grafschaft L. an Kaiser Karl V., der sie 1555 nebst den burgundischen Ländern seinem Sohn Philipp II., König von Spanien, überließ, welcher sie auch bis 1597 behielt, wo sie in die Hände des Prinzen Moritz von Oranien kam. Von 1605 bis 1632 hatten sie jedoch die Spanier nochmals inne, nach deren Abzug aber wieder Nassau-Oranien. Nach dem Tod Wilhelms III., Königs von England, erbte sie 1702 der König von Preußen, der sie wieder mit Tecklenburg vereinigte. 1807 wurde sie von den Franzosen besetzt, 1809 an das Großherzogtum Berg (Departement Ems) und 1810 an Frankreich (Departement Oberems) gegeben. 1814 kam L. wieder an Preußen, das 1815 die niedere Grafschaft an Hannover abtrat. Vgl. Möller, Geschichte der vormaligen Grafschaft L. (Lingen 1879).

Die gleichnamige Stadt (Ascalingium, Linga), Hauptort des Kreises L. im preuß. Regierungsbezirk Osnabrück, am Emskanal und unweit der Ems wie an der Linie Münster-Emden der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Gymnasium, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, eine Strafanstalt, eine Eisenbahnreparaturwerkstätte, Eisengießerei und Maschinenbau, Viehhandel und (1885) 6010 fast zur Hälfte evang. Einwohner. L. besaß von 1685 bis 1819 eine Universität.

Lingerie (franz., spr. längsch'rih), Weißzeug-, Wäschegeschäft; Wäschekammer; Frauenwäsche.

Lingg, Hermann, Dichter, geb. 22. Jan. 1820 zu Lindau am Bodensee, widmete sich seit 1837 in München, Freiburg, Berlin und Prag dem Studium der Medizin und fungierte sodann als bayrischer Militärarzt. Im J. 1851 kränklichkeitshalber in Ruhestand versetzt, lebte er seitdem, vom König Max II. durch einen Jahrgehalt unterstützt, ausschließlich geschichtlichen und poetischen Studien, abwechselnd in München und (im Sommer) in Lindau. Seine Geltung erlangte L. durch die erste, von E. Geibel eingeführte Sammlung seiner "Gedichte" (Stuttg. 1853, 7. Aufl. 1871), die sich durch ihre seltene Tiefe und Eigentümlichkeit sowie durch lebendige Phantasie und Vollgehalt der überwiegend elegischen Stimmung auszeichneten. Ähnliche Vorzüge wies der 2. Band der "Gedichte" (Stuttg. 1868, 3. Aufl. 1874) auf. Das große epische Talent des Dichters erwies "Die Völkerwanderung" (Stuttg. 1866-68, 3 Bde.), deren gewaltigen, farbenprächtigen Einzelbildern leider die innere Konzentration fehlt, von der aber einzelne Partien zum Großartigsten zählen, was die neuere deutsche Dichtung geschaffen hat. In seinen dramatischen Versuchen: "Catilina" (Münch. 1864), "Die Walkyren" (das. 1865), "Violante", Trauerspiel (Stuttg. 1871), "Die Besiegung der Cholera", Satyrdrama (Münch. 1873), "Der Doge Candiano" (Stuttg. 1873), "Berthold Schwarz" (das. 1874), "Die Sizilianische Vesper" (das. 1876), "Macalda", Trauerspiel (das. 1877), "Die Bregenzer Klause" (Münch. 1887) zeigt L. nur in Einzelheiten dramatische Schlagkraft und wirklich dramatischen Stil. Außerdem erschienen von ihm: "Vaterländische Balladen und Gesänge" (Münch. 1868); "Gedichte", 3. Band (Stuttg. 1870); "Zeitgedichte" (Berl. 1870); "Dunkle Gewalten", epische Dichtungen (Stuttg. 1872), und "Schlußsteine", neue Gedichte (Berl. 1878); ferner: "Byzantinische Novellen" (das. 1881); "Von Wald und See", Novellen (das. 1883); "Clytia. Eine Szene aus Pompeji" (Münch. 1883); "Högnis letzte Heerfahrt. Nordische Szene" (das. 1884) und "Lyrisches", neue Gedichte (Teschen 1885). Auch veröffentlichte er: "Wanderungen durch die internationale Kunstausstellung in München" (Münch. 1870); eine lyrische Anthologie: "Liebesblüten aus Deutschlands Dichterhain" (Düsseld. 1869), und "Skaldenklänge", Balladenbuch zeitgenössischer Dichter (mit der Gräfin Ballestrem, Bresl. 1883).

Lingga, Insel des Archipels Nio Lingga an der Südostküste Sumatras, s. Riau.

Lingoa geral (portug.), die Sprache der zum Stamm der Tupi (Guarani) gehörigen Indianer Brasiliens, welche auch von den europäischen Kolonisten daselbst angenommen wurde und nun als Verständigungsmittel mit den Indianern diente.

Lingōnen (Lingŏnes), kelt. Volk in Gallien, an der obern Seine, Marne und Saône wohnend, mit der Hauptstadt Andematunnum (jetzt Langres). Ein Teil des Volkes, der nach Italien gezogen war, wohnte in Gallia Cispadana an der Mündung des Po.

Lingŭa (lat. u. ital.), Zunge, Sprache. L. franca, verdorbenes Italienisch, welches, zur Zeit der Herrschaft der Venezianer und Genuesen in der Levante entstanden, zwischen den Einwohnern der letztern und den Europäern und fast an allen Küsten des Mittelmeers als Verkehrssprache dient; im weitern Sinn eine solche internationale Sprache überhaupt.

Linguaglossa (spr. lingwa-glossa), Stadt in der ital. Provinz Catania (Sizilien), Kreis Aci reale, am Nordostabhang des Ätna, teilweise auf dem Lavastrom von 1566 erbaut, hat viele Kirchen, ein kleines Theater und (1881) 10,410 Einw.

Linguāles (lat.), Zungenlaute, s. Lautlehre.

Linguālis (lat.), zur Zunge (lingua) gehörig, z. B. arteria, vena, musculus l., Zungenschlagader, -Blutader, -Muskel; nervus l., Zungentastnerv.

Linguālpfeifen, Zungenpfeifen, s. Blasinstrumente.

Linguet (spr. länggä), Simon Nicolas Henri, franz. Schriftsteller, geb. 14. Juli 1736 zu Reims, studierte in Paris die Rechte, ließ sich nach größern Reisen nach Polen und Spanien 1762 als Advokat