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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Martigny; Martigues, Les; Martin

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Martigny - Martin.

vilkommissars; 1824 ward er zum Staatssekretär, darauf zum Direktor der Domänen und zum Vikomte befördert. Nach Rücktritt des Ministeriums Villèle 3. Jan. 1828 zum Minister des Innern ernannt, erlangte er im neuen Ministerium durch seine versöhnliche, gemäßigte Haltung gegen die Liberalen und seine staatsmännische Einsicht den überwiegenden Einfluß. Er begann eine zweckmäßige Reform der Verwaltung und entfernte viele dem Volk verhaßte Personen aus derselben. Er erkannte namentlich die Notwendigkeit einer Dezentralisation des Verwaltungsorganismus, um eine gesunde Entwickelung zur Freiheit zu ermöglichen, und legte 1829 der Kammer ein Munizipal- und Departementalgesetz vor, welches indes trotz der glänzenden Verteidigung Martignacs nicht die Zustimmung derselben fand. Infolgedessen sah er sich genötigt, 8. Aug. 1829 vom Ministerium zurückzutreten. M. hielt sich nun 1830 in der Deputiertenkammer zur Opposition und war unter denen, welche die Adresse der 221 unterstützten. Dennoch trat er nach der Julirevolution in der Kammer als Verteidiger des Charakters Karls X. auf und führte mit edler Freimütigkeit in dem Prozeß gegen die Exminister die Verteidigung Polignacs. Er starb 3. März 1832. Nach seinem Tod erschien von ihm: "Essai historique sur la révolution d'Espagne et sur Intervention de 1823" (Par. 1832, 3 Bde.). Vgl. Daudet, Le ministère de Mons. de M. (Par. 1875).

Martigny (spr. -tinji, deutsch Martinach), drei schweizer. Ortschaften des Unterwallis, an der Mündung der Drance und an der Simplonbahn (Linie Bouveret-Brieg): M. la Ville (475 m ü. M.), im Thalgrund (dem gegenüber das Dorf La Bathiaz liegt), mit 1525 Einw., M. le Bourg (1303 Einw.), bergan gelegen, und M.-Combe (1589 Einw.) auf dem linken Ufer der Drance. Ein Seitenthal führt über Forclaz und den Col de Balme (2204 m) ins Chamonix-, während die Drance selbst nach den Oberstufen des Aostathals leitet. In seinem Namen bewahrt M. die Erinnerung an den Sendboten Martinus (4. Jahrh.), nach dem der keltische Ort Octodurus (57 v. Chr. von den Römern besetzt) jetzt genannt wird.

Martigny (spr. -tinji), Joseph Alexandre, Archäolog, geb. 22. April 1808 zu Sauverny (Ain), erhielt 1832 die Priesterweihe und wurde 1849 Erzpriester von Bâgé le Châtel, wo er 18. Aug. 1880 starb. Er hat sich um die christliche Archäologie große Verdienste erworben und gab heraus: "Notice historique, liturgique et archéologique sur le culte de salute Agnès dans les premiers siècles" (1847); "De la représentation d'Orphée sur les monuments chrétiens primitifs" (1857); "De l'usage du Flabellum dans les liturgies antiques" (1857); "Des anneaux chez les premiers chrétiens" (1858); "Étude archéologique sur l'agneau et le bon pasteur" (1860); "Dictionnaire des antiquités chrétiennes" (2. Aufl. 1877).

Martigues, Les (spr. lä martihgh), Stadt im franz. Departement Rhônemündungen, Arrondissement Aix, auf mehreren kleinen, durch Brücken verbundenen Inseln am Ausmündungskanal des Strandsees von Berre ins Mittelländische Meer und an einer Zweiglinie der Bahn Paris-Marseille gelegen, hat (1886) 4783 Einw., einen Hafen, Schwefelsäure-, Soda- und Ölfabriken, Fischfang, Bereitung von Fischkonserven und Schiffbau.

Martin (Martinus, "Kriegerischer"), Heiliger, s. Martin von Tours (S. 297).

Martin, Name von fünf Päpsten: 1) M. I. (St. M.), geboren zu Todi in Toscana, war erst Apokrisiarios zu Konstantinopel und bestieg 649 den päpstlichen Stuhl. Er hielt das erste Laterankonzil gegen die Monotheleten, weshalb ihn Kaiser Constans II. 653 von Rom wegführen, nach einem einjährigen Aufenthalt auf Naxos nach Konstantinopel bringen, wegen Hochverrats verurteilen ließ und im März 655 nach der taurischen Halbinsel (Krim) verbannte, wo M. 16. Sept. d. J. starb. Sein Gedächtnistag ist der 12. November.

2) M. II., auch Marinus I. genannt, aus Montefiascone, saß vom März 883 bis Mai 884 auf den päpstlichen Stuhl.

3) M. III., auch Marinus II., aus Rom, ward 942 zum Papst erwählt, starb im April 946.

4) M. IV., geboren in der Touraine, hieß vor seiner Erhebung auf den römischen Stuhl (1281), wo er Schatzmeister an der Kirche von Tours war, Simon von Brion. Er blieb in schmählicher Abhängigkeit von Karl von Anjou, der ihm die Tiara verschafft hatte, und belegte nach der Sizilianischen Vesper (1282) Sizilien mit dem Bann. Er starb 28. März 1285 in Perugia.

5) M. V. hieß eigentlich Otto Colonna, war schon unter Innocenz V. 1405 Kardinaldiakon und ward auf dem Konzil zu Konstanz 11. Nov. 1417 zum Papst erwählt. Die vor seiner Ernennung von ihm zugesagte Reformation der Kirche beschränkte er auf die Beseitigung einiger unwesentlicher Mißbräuche und schloß mit Deutschland, Frankreich und England Separatkonkordate, deren Punkte ebenfalls nicht zur Ausführung kamen. Am 19. April löste er das Konzil auf und berief 1423 ein neues nach Pavia, das 1424 nach Siena verlegt und hier auf sieben Jahre vertagt wurde. M. redete zwar viel von Kirchenreform, stellte aber keinen einzigen Mißbrauch ab. Im Kirchenstaat glückte es ihm nach Überwindung vieler Schwierigkeiten, seine Autorität herzustellen und die vom König Wladislaw von Neapel besetzten Festen Ostia, Civitavecchia und Engelsburg wieder eingeräumt zu erhalten. Nachdem er 1. Febr. 1431 das neue Konzil nach Basel berufen, starb er 20. Febr. 1431.

Martin, 1) Vincente, gewöhnlich Spagnuolo genannt, Komponist, geb. 1754 zu Valencia, erhielt seine Ausbildung als Chorknabe an der dortigen Kathedrale, begab sich 1781, nachdem er zeitweilig in Alicante als Organist gewirkt hatte, später auch in Madrid als dramatischer Komponist aufgetreten war, nach Italien, wo er sich in wenigen Jahren eine Stellung unter den ersten Opernkomponisten des Landes errang. 1785 ging er nach Wien und hatte hier mit seiner "Cosa rara" einen Erfolg, welcher den von "Don Juan" und "Figaros Hochzeit" noch weit übertraf. Drei Jahre später folgte er einem Ruf als Operndirektor nach Petersburg, wo er im Mai 1810 starb. M. war neben Paesiello und Zingarelli einer der letzten würdigen Vertreter der neapolitanischen Schule, welche während des 18. Jahrh. die Opernbühnen von ganz Europa unumschränkt beherrschte; doch hat sich von seinen zahlreichen dramatischen und andern Kompositionen nichts erhalten als eine Melodie der oben genannten Oper "Cosa rara", welche bekanntlich Mozart zur Tafelmusik im letzten Finale seines "Don Juan" verwendet hat.

2) Christoph Reinhard Dietrich, ausgezeichneter Prozessualist, geb. 2. Febr. 1772 zu Bovenden bei Göttingen, studierte in Göttingen, wurde 1790 Advokat und zugleich Dozent an der Universität, 1797 Assessor der Juristenfakultät, 1802 außerordentlicher und 1805 ordentlicher Professor der Rechte. In dem-^[folgende Seite]