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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Militär-Erziehungs- und Bildungsanstalten - Militärgerichtswesen.

tenvereins eingeführt und haben sich vortrefflich bewährt. Vgl. Feldeisenbahnen, Festungskrieg.

Militär-Erziehungs- und Bildungsanstalten dienen 1) zur Erziehung von (Soldaten-) Knaben etc., mit oder ohne Rücksicht auf den spätern Eintritt in die Armee oder Marine: Kadettenhäuser, Unteroffiziervorschulen, Schiffsjungenabteilung, das Militärwaisenhaus in Potsdam und das Militärknaben-Erziehungsinstitut zu Annaburg, militärärztliches Institut und Akademie; 2) zur Ausbildung von Offizieren: Kriegsschulen, Kriegsakademie, Artillerie- und Ingenieur-Offizierschule, Marineschule und -Akademie; 3) zur Ausbildung von Unteroffizieren: die Kapitulanten-(Regiments-), die Unteroffizierschulen, Oberfeuerwerkerschule, Festungsbauschule, die Deckoffizier- (Maschinisten-, Steuermanns- und Torpedo-) Schule, die Matrosen-, Werftdivisions- und Matrosenartillerie-Abteilungsschulen; 4) zu besonderer fachlicher Ausbildung: die Militärschießschulen, das Militärreitinstitut, die Militärturnanstalt, die militärärztlichen Bildungsanstalten, die Militärroßarztschule, die Lehrschmieden, das Lehr-Infanteriebataillon. Preußen hat eine Generalinspektion, Bayern eine Inspektion des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens, welcher eine Obermilitär-Studienkommission beigegeben ist; ihr sind jedoch nur die Kriegsschulen und die Kadettenhäuser unterstellt. Die Marine hat eine Direktion des Bildungswesens. In Österreich bestehen für die Ausbildung des Offizierersatzes die Ober- und Unterrealschulen für Infanterie, Jäger und Kavallerie; ihre Zöglinge treten über in die Militärakademie, für die Spezialwaffen in die technische Militärakademie. Für jede Waffe besteht ferner eine Kadettenschule, außerdem für fachliche Ausbildung ähnliche Anstalten wie in Deutschland.

Militäretat (Militärbudget), derjenige Teil des Staatshaushaltsetats, in welchem die Kosten des Kriegswesens veranschlagt sind (s. Budget). Für das Deutsche Reich ist der M. ein Teil des Reichsbudgets, nicht des jeweiligen Haushaltungsetats der einzelnen Staaten. Ausnahmen sind jedoch in Ansehung der Königreiche Sachsen, Württemberg und Bayern gemacht, für welch letztern Staat insbesondere, da sein Heer einen in sich geschlossenen Bestandteil des Reichsheers mit selbständiger Verwaltung bildet, die Aufstellung eines Spezialetats seitens der bayrischen Staatsregierung vorbehalten ist. Im übrigen ist aber der M. dem Budgetrecht des Reichstags unterstellt, jedoch seit 1874 mit der Modifikation, daß der M. jeweilig, zum letztenmal 1887, auf sieben Jahre (daher "Septennat") bewilligt wurde.

Militärgeistliche haben die Seelsorge und die damit verbundenen Amtshandlungen im Heer und der Marine auszuüben. Ein evangelischer Feldpropst, dem Kriegs- und Kultusminister unterstellt, steht an der Spitze. Das Amt eines katholischen Feldpropstes ist 15. März 1873 aufgehoben worden. Bei jedem Armeekorps ist ein Militäroberprediger, bei jeder Division ein Divisionsprediger, in größern Garnisonen auch ein Garnisonprediger, und je nach Bedürfnis sind katholische Divisions- und Garnisonpfarrer oder Hilfsseelsorger (Kapläne), ferner in den Marinestationen sowie auf einzelnen Schiffen Marinepfarrer angestellt. Im Krieg werden den Divisionen und Feldlazaretten Feldprediger (kathol. Feldkapläne) beigegeben. Die Verrichtungen des niedern Kirchendienstes versehen die Militärküster. - In den 15 Militär-Seelsorgebezirken Österreichs versehen Militär-Pfarrer, -Kuraten und -Kapläne die Seelsorge. M. in Frankreich, s. Almosenier.

Militärgemeinde umfaßt alle Militärpersonen des aktiven Dienststandes (s. Aktiv), pensionierte Offiziere, solange sie den Militärgerichtsstand haben, Militärbeamte sowie die Frauen und Kinder derselben, solange sie sich im väterlichen Haus befinden. Die Dienstboten derselben gehören nur dann zur M., wenn sie ihrer Herrschaft ins Feld folgen.

Militärgeographisches Institut, in Österreich Name der topographischen Anstalt, welche die geographische Landesaufnahme und Herstellung der Karten bewirkt. Es zerfällt in fünf Abteilungen: a) Verwaltung, b) astronomisch-geodätische Abteilung, c) Mappierung, d) topographische Gruppe, e) technische Gruppe (Photochemigraphie-, Heliogravüre-, Photolithographie- und Pressenabteilung). Das Institut steht unter Leitung eines Generals.

Militärgerichtsbarkeit, Inbegriff der den militärischen Organen zustehenden richterlichen Befugnisse (s. Militärgerichtswesen).

Militärgerichtsstand, der privilegierte Gerichtsstand der Militärpersonen, d. h. das Recht und die Pflicht der letztern, vor besondern Militärgerichten Recht zu nehmen. Der M. ist auf die Strafrechtspflege beschränkt; doch sind bloße Übertretungen den Militärgerichten entzogen, indem sie ebenso wie die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der Militärpersonen vor die Zivilgerichte gehören (s. Militärgerichtswesen).

Militärgerichtswesen. Die Handhabung der Rechtspflege bei den Truppen ist schon von alters her den Truppenbefehlshabern unterstellt, weil ebenso wie bei der Disziplinarbestrafung leichterer Vergehen die besondern Verhältnisse des Soldatenstandes, namentlich die Erhaltung des unbedingten Gehorsams und der Mannszucht, eine rasche Ahndung und eine Beurteilung der Vergehen nach militärischen Gesichtspunkten fordern. Die besondere Militärgerichtsbarkeit (Militärjustiz) beschränkt sich aber heutzutage regelmäßig auf Strafsachen (s. Militärverbrechen). In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten haben die Militärpersonen (s. Militär) ihren Gerichtsstand bei dem Zivilgericht des Garnisonorts, ebenso in Ansehung bloßer Übertretungen. Eine einheitliche Normierung des Militärstrafverfahrens (Militärstrafprozeß) für das Deutsche Reich durch Reichsgesetz ist nach dem Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 (§ 39) in Aussicht genommen. Inzwischen ist dasselbe, mit Ausnahme von Bayern und Württemberg, nach preußischem Recht (Militärstrafgerichtsordnung vom 3. April 1845) geordnet, und zwar ressortieren hiernach vor die Militärgerichte nicht bloß die eigentlichen Militärverbrechen (s. d.), sondern auch alle Verbrechen und Vergehen der Militärpersonen von nicht militärischem Charakter, deren Überweisung an die Zivilgerichte neuerdings freilich vielfach verlangt wird, ebenso wie man die Öffentlichkeit des Verfahrens vor den Militärgerichten als erforderlich bezeichnet hat. Gerichtsherren sind diejenigen Truppenbefehlshaber, welche die höchste Disziplinarstrafbefugnis haben, zunächst die Regiments- oder selbständigen Bataillonskommandeure, über ihnen die Befehlshaber der Divisionen, der Armeekorps und die Gouverneure und Kommandanten der Festungen oder größern offenen Orte. Die Gerichtsbarkeit ist eine höhere und eine niedere. Den Gerichtsherren mit höherer Gerichtsbarkeit steht ein Auditeur (Korps-, Divisions-, Gouvernements-, Garnisonsauditeur), denen mit niederer ein untersuchungfüh-^[folgende Seite]