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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Nationalanlehen - Nationalliberale Partei.

benutzt hat, geht am besten aus seiner Handlungsweise Mexiko gegenüber sowie aus der Annexion von Savoyen und Nizza, welche zu diesem Prinzip im direkten Gegensatz standen, hervor. Immerhin muß aber die nationale Theorie, wonach der Staat auf wesentlich nationaler Grundlage beruhen soll, freilich mit der gehörigen historischen Einschränkung, dem einseitigen Festhalten an dem sogen. Legitimitätsprinzip (s. d.) und der Gleichgewichtstheorie des Wiener Kongresses gegenüber als ein wichtiger Fortschritt in der Entwickelung des politischen Völkerlebens bezeichnet werden. Vgl. v. Kremer, Die Nationalitätsidee und der Staat (Wien 1885).

Nationalanlehen, s. v. w. Staatsanleihen, durch die Nation gemachtes Anlehen; auch s. v. w. patriotische oder Zwangsanlehen. Vgl. Staatsschulden.

Nationalbank, Bezeichnung für manche Banken, insbesondere Monopolbanken, auch wenn sie nicht gerade Staatsbanken sind.

Nationaldenkmal, deutsches, s. Niederwald.

Nationāle (das, neulat.), Nachweisung, enthaltend Namen, Lebens- und Dienstalter, Größe, Religion, Gewerbe und sonstige Verhältnisse einer Person. Das N. aller zu einem Truppenteil gehörigen Individuen wird in eine Stammrolle (s. d.) zusammengetragen. Bei der Kavallerie und Artillerie hat man auch Nationales von den Pferden, welche deren Größe, Alter, Farbe etc. angeben. N. heißt auch das an den Tschakos der Jäger und des Trains getragene rosettenförmige Abzeichen mit den Landesfarben (also s. v. w. Kokarde).

Nationaleinkommen, s. v. w. Volkseinkommen, s. Einkommen, S. 385.

Nationalfarben, ein in der neuern Zeit den mehr dynastischen Landeswappen an die Seite gestelltes nationales Symbol, das lediglich aus zwei oder mehr Farben besteht. Nur innerhalb der ihnen genau angewiesenen Folge bilden die Farben die N. eines Landes. Die N. werden gegenwärtig vorzugsweise in Fahnen zur Schau getragen, die bei seitlichen Gelegenheiten auf öffentlichen und Privatgebäuden aufgezogen oder ausgehängt werden. In den Freundschaftsverträgen zwischen verschiedenen Nationen wird den diplomatischen Agenten in der Regel das Recht zugesichert, von den N. in der erwähnten Weise Gebrauch machen zu dürfen. Das Herabreißen einer solchen Fahne ist eine schwere Beschimpfung der betreffenden Nation, für die nach dem Völkerrecht Genugthuung gewährt werden muß. Die Schiffe einer Nation erhalten (in Deutschland auf Grund eines Flaggenattestes) das Recht zur Führung der N. Außerdem kommen dieselben bei der Landarmee in Fahnen, Kokarden (s. d.), Feldbinden, Portepees u. dgl. zur Anwendung. Die N. sind als solche durchaus modernen Ursprungs, obgleich sie nicht selten auf eine ältere Quelle, die Wappenfarben, zurückführt. Deutschland hat erst mit Errichtung des Norddeutschen Bundes, dessen Farben auf das Deutsche Reich übergingen, N. erhalten; denn die Farben Schwarz-Rot-Gold waren die Burschenschaftsfarben. Daß sich die N. in Deutschland nicht früher nachweisen lassen, erklärt sich durch die territoriale Zerklüftung des alten Reichs und das mangelnde nationale Bewußtsein. Die Farben der einzelnen Territorien sind, wo sie vorkommen, mehr fürstliche Hausfarben, die sich nicht immer an das Wappen anlehnen. So waren nach dem Zeugnis des kaiserlichen Herolds Francolin 1560 Gelb-Schwarz-Weiß die Farben der "königlichen Würde" von Böhmen, während die Farben des böhmischen Wappens Rot-Weiß sind. Schwarz-Weiß (-Silber) waren ursprünglich die Hausfarben der fränkischen Hohenzollern. Es zeigt sich zwar in den Wappen des Uradels eine zuweilen frappierende provinzielle Vorliebe für gewisse Farben, z. B. in Franken für Rot-Weiß; doch ist durch diese Thatsache die Existenz von Landesfarben noch keineswegs erwiesen. Die N. dürften nicht hinter die Trikolore der ersten französischen Republik zurückzudatieren sein. S. die Tafeln "Flaggen" und die Übersicht der Landesfarben bei Tafel "Wappen". Vgl. Grenser, Die National- und Landesfarben von 130 Staaten (2. Aufl. 1881).

Nationalflagge, s. Flagge.

Nationalgarde, im allgemeinen s. v. w. Bürgerwehr, besonders die 1789 in Frankreich durch Lafayette organisierte Volkswehr. Die Nationalversammlung erließ einen Aufruf vom 4. Febr. 1791 zur Bildung einer Freiwilligenarmee, der aber nicht zur Ausführung kam. Man beschloß daher, aus der N. ein Heer von 100,000 Mann aufzustellen, welches die Offiziere und Unteroffiziere selbst wählte. Mit diesem Heer und der aktiven Armee begannen die Revolutionskriege. Nach wechselnder Organisation erhielt die N. 1797 die Einrichtung, welche sie längere Zeit behielt. Sie war zwar nur zum Dienst im Innern bestimmt, fand aber auch teilweise im Feld Verwendung. Unter den Bourbonen wurde sie den Präfekten unterstellt und verlor das Recht, ihre Offiziere zu wählen. 1827 aufgelöst, wurde sie 1830 von neuem organisiert und von Ludwig Philipp hoch geschätzt. Nachdem die N. sich an der Niederkämpfung des Juniaufstandes 1848 beteiligt, wurde sie 1852 in ihren Rechten wesentlich beschränkt, um die revolutionären Elemente aus ihren Reihen fern zu halten; der Kaiser ernannte die Offiziere und unterstellte die N. dem Kriegsministerium. Durch das Wehrgesetz von 1868 wurden alle waffenfähigen Bürger, welche nicht aktiv gedient, vom 30.-60. Lebensjahr der N. zugeteilt, die jüngern sollten die Garde nationale mobilisée, der Rest die Garde nationale sédentaire bilden. Beim Einzug der deutschen Armee in Paris Anfang März 1871 blieben 12,000 Mann N. zur Aufrechterhaltung der Ordnung unter Waffen. Das Rekrutierungsgesetz von 1872 hob die N. wieder auf.

Nationalisieren (neulat.), einer Person den Charakter einer andern Nationalität, als der sie ursprünglich angehört, erteilen (vgl. Naturalisation).

Nationalität, s. Nation.

Nationalitätsprinzip, s. Nation.

Nationalkonvent (Convention nationale), Name der 1792 in Frankreich gewählten Volksvertretung von 749 Mitgliedern, welche 21. Sept. zusammentrat, sofort das Königtum abschaffte, die Republik proklamierte und bis 26. Okt. 1795 den Staat leitete; er erließ 15,414 Dekrete. S. Frankreich, S. 555 ff.

Nationalliberale Partei, politische Partei in Deutschland, ging aus der preußischen Fortschrittspartei nach dem großen Umschwung der Dinge 1866 hervor und bildete sich unter Laskers und Twestens Führung im August 1866 aus den Männern, welche, ohne ihre liberalen Grundsätze zu verleugnen, sich entschlossen, den Verfassungskonflikt durch Bewilligung der von der preußischen Regierung verlangten Indemnität zu beendigen und dieselbe in ihrer deutschnationalen Politik offen und rückhaltlos zu unterstützen. Die Mehrzahl der liberalen Abgeordneten der neuen Provinzen, unter ihnen Miquel und Bennigsen, schloß sich dieser neuen Partei an. Da der Ausbruch des kirchlichen Konflikts 1871 und die teils feindselige, teils unzuverlässig Haltung der