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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Nordische Mythologie; Nordischer Elefant; Nordischer Krieg

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Nordische Mythologie - Nordischer Krieg.

Nordische Mythologie, Inbegriff der religiösen Anschauungen und Sagen derjenigen Völkerschaften, welche den Norden Europas vor dessen Christianisierung bewohnten (Germanen, Finnen, Slawen); im engern Sinn die Religion der germanischen Bewohner Skandinaviens, namentlich in der entwickelten Form, wie selbige besonders sich in der altnordischen und isländischen Sagenlitteratur, in den Liedern der Edda (s. d.), erhalten hat. Die Grundzüge derselben sind, kurz zusammengefaßt, folgende. Im Anfang der Zeit war weder Himmel noch Erde, sondern nur ein öder, unerfüllter Raum, eine Art Chaos (Ginnungagap). Am Nordende desselben bildete sich dann Niflheim, das Reich des Nebels und der Kälte, am Südende Muspelheim, die Welt des Feuers und des Lichts. In Niflheim war ein Brunnen (Hwergelmir), aus dem sich zwölf Ströme ergossen. Je mehr sich dieselben von ihrer Quelle entfernten, um so mehr erstarrte ihr Wasser, und es entstanden Reif und Eis, welche die Nordhälfte Ginnungagaps erfüllten. Angeweht aber von der warmen Luft des Südens, begann das Eis zu schmelzen ("es erhielten die Tropfen Leben"), und so entstand durch Zusammenwirken von Hitze und Kälte ein Menschengebilde, der urweltliche Riese Ymir, von dem das Geschlecht der Hrimthursen oder Reifriesen ausging. Ebenso entstand aus dem Eis die Kuh Audhumbla, von deren Milch Ymir sich nährte. Diese Kuh beleckte die Eisblöcke, die salzig waren; da kamen am Abend des ersten Tags Menschenhaare hervor, den andern Tag eines Mannes Haupt, den dritten Tag ward es ein ganzer Mann, der hieß Buri, und der war groß und stark und schön von Angesicht. Dessen Sohn Börn gewann von der Tochter des Riesen Bölthorn drei Söhne; der eine hieß Odin, der andre Wili, der dritte We. Dies sind die Götter, die Asen, welche dann Himmel und Erde beherrschen. Sie erschlugen den Riesen Ymir und schufen aus ihm die Welt: aus dem Blute die See, aus den Knochen die Berge, aus den Zähnen die Steine, aus dem Schädel den Himmel, aus dem Haar die Bäume, aus dem Gehirn die Wolken. Aus Ymirs Fleisch entstanden die Zwerge (wie "Maden"), klein von Gestalt, aber allerhand Geheimnisse kundig und in den Tiefen der Erde thätig. Von Muspelheim herübergeflogene Feuerfunken aber setzen die Asen als Himmelslichter (Sonne, Mond und Sterne) an das Firmament. Rund war die Erde und von einem tiefen Meer umgeben, dessen Strand (Jötunheim) die Riesen bewohnen sollten, und um sie gegen dieselben zu schützen, wurde aus den Augenbrauen Ymirs die Burg Midgard ("Mittelfeste") erbaut. Am Strand fand Odin mit seinen Brüdern zwei Bäume, aus denen sie die zwei ersten Menschen erschufen, Askr (Esche) und Embla (Erle). Odin gab ihnen Seele und Leben, Wili (Hönir) Witz und Gefühl, We (Loki) Sprache, Gehör und Gesicht; das Geschick bestimmten ihnen die Nornen (s. d.); als Wohnsitz ward ihnen Midgard angewiesen. Die Götterbrüder ordneten weiter die Welt und setzten an den Himmel die Lenker von Sonne und Mond, welche auf Wagen fahren, von riesenhaften Wölfen verfolgt, die sie zu verschlingen drohen (Sonnen- und Mondfinsternisse). Ebenso werden Nacht (Nott) und Tag (Dag) als göttliche Wesen an den Himmel versetzt, um auf schnellen Rossen täglich die Erde zu umreiten. Zu ihrer eignen Wohnung erbauten die Asen im Himmel Asgard (s. d.) mit seinen zwölf Götterburgen, dem Idafeld, wo sie ihre Gastmahle und Kampfspiele mit den Einheriern, den im Kampf gefallenen Helden und Königen, abhalten, dem Goldpalast Walhalla, dem Heiligtum Wingolf und der Gerichtsstätte über Götter und Menschen unter den Zweigen der die ganze Welt überragenden Esche Ygdrasill (s. d.). Mit der Erde aber war Asgard durch die Brücke Bifröst (s. d.) verbunden (d. h. durch den Regenbogen). Im allgemeinen kennt die n. M. zwölf obere Götter und zwölf Göttinnen. Die erstern sind außer Odin, dem Göttervater und ältesten der Asen seine Söhne: Thor, der Donnerer, und Balder, der Frühlings- oder Sommergott, der Gott des Lichts und der Schönheit; ferner die beiden sogen. Wanengötter Njord, der Beherrscher des Meers, und sein Sohn Freyr, auch ein alter himmlischer Lichtgott; dann Tyr, der Kriegsgott, und Braga, der Gott der Dichtkunst; Heimdall, der Wächter der Himmelsbrücke, der schweigende starke Widar, der Bogenschütze Wali; endlich Uller, Thors Stiefsohn, und Forseti, der Gott des Friedens. Die vornehmsten Göttinnen sind: Frigg, Odins Gemahlin; Freyja, die Göttin der Liebe; Idun, Bragas Gemahlin, die Göttin der Unsterblichkeit, und Nanna, Balders Gattin. Zu den niedern Göttinnen gehören die Walküren, die strahlendschönen Schlachtjungfrauen (Schwanjungfrauen); die drei Nornen als Schicksalsgöttinnen und die Fylgien, die Schutzgeister des Menschen. Inmitten der Asen bewegt sich, bald ihnen hilfreich, bald feindlich gesinnt, Loki, der schöne, aber boshafte Gott des Feuers, der mit einem Riesenweib drei Ungeheuer, die Todesgöttin Hel, den Wolf Fenrir und die Midgardschlange, erzeugte. Auch der Meeresgott Ögir und seine Gattin Ran gehörten nicht zum Asenkreis. Weiteres über die Götter und ihr Schicksal s. unter Asen, Götterdämmerung und den den einzelnen Hauptgöttern gewidmeten Artikeln. Wie schon aus dem Bemerkten hervorgeht, findet sich in der nordischen Mythologie der Glaube an eine persönliche Fortdauer nach dem Tod und zwar so, daß der Zustand und der Aufenthalt von Gestorbenen durch die Todesart bestimmt wird. Nur wer den Heldentod in der Schlacht gestorben war, wurde des Aufenthalts und der Seligkeit in Walhalla teilhaftig; wer nicht im Kampfe fiel (Strohtod), ebenso der Ehrlose, der Dieb, der Lügner fiel der Todesgöttin Hel anheim, deren Gebiet Helheim sich in Niflheim am äußersten Ende von Jötunheim, von einem Strom umflossen, befand. Über die Gestalt, welche die urgermanische Götterlehre in Deutschland zeigt, s. Deutsche Mythologie. Vgl. auch die dort angeführte Litteratur.

Nordischer Elefant, s. v. w. Mammut (s. d.).

Nordischer Krieg, der im Norden und Osten Europas von 1700 bis 1721 geführte Krieg zwischen Schweden auf der einen und Polen, Sachsen, Rußland und Dänemark, zuletzt auch Preußen und Hannover auf der andern Seite, welcher Schwedens im Dreißigjährigen Krieg erworbene Großmachtstellung vernichtete und auf die politischen Verhältnisse Europas eine nachhaltige Wirkung ausgeübt hat. Als 1697 der erst 15jährige Karl XII. (s. Karl 60) zur Regierung gelangte, vereinigten sich die Nachbarfürsten, Friedrich IV. von Dänemark, August II. von Polen und Peter d. Gr. von Rußland, zu einem Bündnis gegen Schweden, das unter einem so jungen und unerfahrenen König hilflos schien. Friedrich IV. gedachte sich wieder in Besitz der im Frieden von Kopenhagen (1660) verlornen Gebiete und des im Vergleich von Altona (1689) an das Haus Holstein-Gottorp abgetretenen Schleswig zu setzen; August von Polen hoffte Livland und Esthland zu erobern, und Peter wünschte die am Finnischen Meer-^[folgende Seite]